Seit Donnerstagmorgen, 6.00 Uhr, sind die US-Zölle gegen die Schweiz in Kraft. Für die meisten Warenexporte wird ein Strafzoll von 39 Prozent erhoben. Bleibt dieser Satz länger bestehen, könnte das die Schweizer Wirtschaft in eine Rezession stürzen. Ökonom und KOF-Co-Direktor Hans Gersbach sagte bereits letzte Woche eine Schrumpfung des Bruttoinlandprodukts um 0,3 bis 0,6 Prozent voraus. Er bezifferte die volkswirtschaftlichen Kosten auf 300 bis 700 Franken pro Einwohner – je nachdem, ob auch die bislang ausgenommene Pharmaindustrie vom Zollsatz betroffen sein wird.
Erste Unternehmen haben bereits angekündigt, sich aus den USA zurückzuziehen, Teile der Produktion in ein EU-Land zu verlagern oder vermehrt Komponenten aus Ländern zu beziehen, die nicht von hohen Zöllen betroffen sind. Ziel dieser Massnahmen ist es, den Schweizer Wertschöpfungsanteil in der Lieferkette zu reduzieren. Stark exportorientierte Firmen werden unter Druck geraten und voraussichtlich Kurzarbeit beantragen müssen.
Auch auf politischer Ebene wird die US-Abstrafung ein Beben auslösen. Sollte die Politik in Bern über ein ausreichendes Problembewusstsein verfügen, dürfte das Parlament die Sommerferien unterbrechen und bereits nächste Woche zu einer Sondersession zusammenkommen. Die nächste ordentliche Session ist erst auf Anfang September angesetzt. «Weiterwursteln» wie bisher ist keine Option mehr.
Auch Banken geraten unter Druck
Zwar ist in erster Linie die Exportwirtschaft von den neuen Zöllen betroffen. Doch auch die Banken werden die Auswirkungen zu spüren bekommen. Bereits Anfang Woche zeigten sich erste Reaktionen an den Finanzmärkten: Börsengehandelte Finanztitel verloren an Wert, während einige exportorientierte Unternehmen überraschend stabil blieben.
Noch unklar ist, ob der Franken seinen Status als sicherer Hafen wird halten können. Vertreter des Finanzplatzes machen hinter den Kulissen nun Druck. «Jetzt ist klar, dass die geplanten Regulierungen auf ein vernünftiges Mass zurückgestutzt werden müssen», sagt ein führender Branchenvertreter. Für die grossen Schweizer Banken bedeuten die US-Zölle eine grundlegend veränderte Ausgangslage. Bei der UBS steigen die Chancen, dass die verschärften Eigenkapitalanforderungen überdacht und allenfalls gelockert werden.
Selbst für den Bundesrat öffnet sich damit ein Fenster, die geplanten Regulierungen ohne Gesichtsverlust zu entschärfen. Auch wenn die Zölle in den nächsten Wochen auf rund 15 Prozent gesenkt werden sollten (einige Optimisten haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben), bleibt die Wahrscheinlichkeit für einen regulatorischen Kurswechsel bestehen. Die Demütigung, die die Schweiz durch Washington erfahren hat, sitzt tief. Die vergangenen Tage haben deutlich gemacht, wie verletzlich das Schweizer Erfolgsmodell tatsächlich ist.
UBS mit US-Ambitionen
Gleichzeitig birgt die neue Lage auch erhebliche Risiken. Die UBS verfolgt in den USA ambitionierte Wachstumspläne im Wealth Management. «We’re only beginning to flex our muscles», sagte Rob Karofsky, Amerika-Chef und Co-Leiter des globalen Wealth Managements der UBS, kürzlich gegenüber der Financial News.
Anders als im Rest der Welt zielt die Bank in den USA nicht nur auf Superreiche, sondern auch auf mittelmässig Vermögende. Um in diesem Segment Fuss zu fassen, muss die UBS vermehrt Kredite vergeben können. Dafür hat sie die nötigen Lizenzen beantragt – ein in den USA besonders komplexes und langwieriges Verfahren. Setzt die UBS die Strategie um, steigen die Risiken im US-Geschäft damit merklich – und damit für die gesamte Bank und letztlich für den Steuerzahler in der Schweiz.
Zwar betont die Bank, dass das Risiko in der Vermögensverwaltung im Unterschied zum Investmentbanking gering sei. Dennoch möchte man sich nicht ausmalen, welche Folgen es hätte, wenn die UBS nicht nur in der Schweiz, sondern auch in den USA die inzwischen berüchtigten Devisenderivate vertrieben hätte. Die daraus resultierenden Klagen könnten verheerend sein. Der Plan des Bundes, einen Kapitalabzug auf den Auslandstöchtern im Stammhaus zu verbieten, könnte helfen, Verluste künftig besser abzufedern. Das Regime setzt Anreize, im Ausland weniger Risiken einzugehen.