Zoll-Desaster
Nach dem Zollschock aus Washington lässt es die Landesregierung gemütlich angehen. Erst heute kommt sie zu einer Krisensitzung zusammen – per Videokonferenz. Doch auch die Wirtschaft hat geschlafen.
4. August 2025 • Beat Schmid

Der Bundesrat ist offiziell in den Ferien – und bleibt das auch. Per Videokonferenz kommt die Landesregierung zu einer Krisensitzung zusammen, um das weitere Vorgehen nach dem Zollhammer von Donald Trump zu beraten. Zudem hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) für Montagmorgen ein Treffen mit Wirtschaftsvertretern angesetzt, um die Situation zu erörtern, schreibt die SonntagsZeitung.

Im Ernst?

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter weiss seit Donnerstagabend Bescheid, dass es mit Donald Trump nicht gut kommt. Vielen Beobachtern war es schon am Vortag klar, als das Weisse Haus einen Brief an die Pharmakonzerne verschickte. Gewissheit herrscht seit den frühen Stunden des 1. August. Doch statt sofort in den Krisenmodus zu schalten, begab sich Keller-Sutter zuerst aufs Rütli. Mal schauen, was der Bundesrat in den verbleibenden vier Tagen noch erreichen will.

Wahrscheinlich nicht allzu viel. Die Schweizer Delegation war schlicht nicht darauf vorbereitet, Donald Trump mit möglichen Konzessionen entgegenzukommen. Seit Jahren ist klar, woran sich Trump stört. Er empfindet ein Handelsbilanzdefizit als Raub an Amerika. Das ist zwar eine völlig verengte und verquere Optik, aber so sieht es der Präsident der USA nun mal – des wichtigsten Handelspartners auf Einzelstaatsstufe.

«Eines der reichsten Länder der Welt»

Das Weisse Haus erklärte noch am Freitag, man habe die Zölle auf 39 Prozent erhöht, weil die Schweiz sich geweigert habe, «wesentliche Zugeständnisse» durch den Abbau von Handelshemmnissen zu machen. «Die Schweiz, eines der reichsten Länder der Welt, kann nicht erwarten, dass die USA eine einseitige Handelsbeziehung hinnehmen», sagte ein Vertreter des Weissen Hauses.

Vieles ist abstrus in den Überlegungen der Trump-Regierung. Zum Beispiel die Sache mit dem Gold, dessen Exporte aus der Schweiz das Defizit aufblähen. Die Barren werden von US-Investoren am London Bullion Market gekauft. Weil die Barren auf das in den USA gebräuchliche Gewicht heruntergeschmolzen werden müssen, landen sie in den Giessereien in der Schweiz. Von dort werden sie in die USA geflogen. Würden die Barren wieder nach England zurückgeführt und von dort nach Übersee gebracht, gäbe es überhaupt kein Problem. Möglicherweise würde das sogar Trump verstehen.

Bei den hohen Pharmapreisen hingegen hat Trump einen Punkt. Es ist natürlich ein Rip-off, wenn Schweizer Pharmakonzerne in den USA das Vielfache für ein Medikament verlangen als in der Schweiz oder der EU. Hier hätte die Schweizer Delegation einhaken und Trump einen Deal in Aussicht stellen können.

Doch dafür hätte das federführende Seco mit den Spitzen der Basler Pharma an einen Tisch sitzen sollen. Ist das in den vergangenen Wochen geschehen? Selbstverständlich nicht. Stattdessen «wurstelten» die Schweizer Handelsdiplomaten im Kämmerchen vor sich hin und glaubten sich mit einem Memorandum of Understanding auf der sicheren Seite – was für eine Fehleinschätzung.

Wie sehr das Seco geschlafen hat, kann man auch daran erkennen, dass es erst heute mit Wirtschaftsvertretern zusammenkommen will. Aber auch die Wirtschaft selbst hat geschlafen! Am 1. August waren der Präsident von Swissmem, Martin Hirzel, und sein Geschäftsführer, Stefan Brupbacher, sofort zur Stelle, um in grossen Interviews vor einem drohenden Verlust von zehntausenden Stellen in ihrem Sektor zu warnen.

Doch wo waren sie eigentlich in den letzten Wochen? Sie hätten das Unheil kommen sehen können und beim Bund Druck machen müssen, damit es nicht so weit kommt. Das Gleiche gilt für die Uhrenindustrie. Daher ist es ein wenig einfach, wenn Breitling-Chef Georges Kern nach dem Zollhammer gross auf die Pauke haut und der Pharmaindustrie vorwirft, die Schweiz in «Geiselhaft» zu nehmen.

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