Die Ideen von Robert F. Kennedy Jr.
Digital Assets Briefing – Der Greenback ist auf Talfahrt. Überschuldung, Inflation und Konkurrenz auf dem Rohstoffmarkt machen der «Weltreservewährung» zu schaffen. Mehrere US-Präsidentschaftskandidaten sehen die Rettung im Bitcoin.
21. Juli 2023 • Werner Grundlehner

Die Bitcoin-Anhänger in den USA haben einen Favoriten für die Wahlen im November 2024. Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy Jr. will einen Stablecoin der anderen Art kreieren. Während bisher Stablecoins mit Fiat-Währungen – vornehmlich dem Dollar – hinterlegt waren und den Wert der amerikanischen Landeswährung eins zu eins abbildeten, soll nun der Dollar mit Bitcoins hinterlegt werden.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Ripple vs. SEC 1:0
• Ferrari NFT für 2,5 Millionen Dollar
• Nasdaq will doch kein Kryptoverwahrer sein

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Dies ist zumindest die Vision von Robert F. Kennedy Jr., einem Spross aus der berühmten Politikerfamilie, der als demokratischer Kandidat für das Präsidentenamt kandidiert. Der Anwalt für Umweltfragen und Buchautor möchte Bitcoin zur Stabilisierung des Dollars einsetzen. Auch eine Befreiung von Bitcoin-Gewinnen von der Kapitalertragssteuer stellt der Präsidentschaftskandidat in Aussicht. Die Unterstützung des US-Dollars mit harten Währungen wie Gold, Silber, Platin oder Bitcoin könne die amerikanische Wirtschaft stabilisieren, glaubt der Anwalt.

«Eine neue Ära finanzieller Stabilität»

«Die Unterlegung des Dollars und der US-Schulden mit harten Vermögenswerten könnte dazu beitragen, die Stärke des Dollars wiederherzustellen, die Inflation einzudämmen und eine neue Ära der finanziellen Stabilität, des Friedens und des Wohlstands in Amerika einzuleiten», erklärte der Demokrat an einer Bitcoin-Konferenz. Die Dollarunterstützung soll schrittweise erfolgen: Kennedys Plan wäre es, klein anzufangen, vielleicht ein Prozent der Schuldverschreibungen soll Anfangs durch Gold, Silber, Platin oder Bitcoin gedeckt werden”.

Der Vorschlag des demokratischen Präsidentschaftskandidaten signalisiert einen Paradigmenwechsel im politischen Diskurs. Kennedy betrachtet Bitcoin nicht nur als einen Vermögenswert, sondern auch als ein wichtiges politisches Instrument, um die langfristige fiskalische Stabilität der USA zu gewährleisten.

Anders als die amtierende Regierung und ihre Behörden, will Kennedy die Krypto-Industrie nicht limitieren und vertreiben. Er sieht vielmehr eine Gelegenheit für sein Land, intellektuelles Kapital anzuziehen und sich als globales Zentrum für Bitcoin und andere Kryptowährungen zu positionieren. Würde Kennedys Kampagne an Rückhalt gewinnen, würden diese nachhaltig positive Auswirkungen auf den Preis der Kryptowährung haben.

Initiative zum Ersatz des Dollars

Die Wahlchancen von Robert F. Kennedy Jr. sind jedoch gering. In der Favoritenrolle ist der amtierende Präsident Joe Biden. Auch Donald Trump hat Chancen auf eine Wiederwahl. Doch vielleicht sieht die US-Bevölkerung ein, dass sie mit einem alten Mann wie Kennedy besser bedient ist als mit einem Greisen wie etwa Biden oder Trump. Auf alle Fälle rückt die Kandidatur von Kennedy die immense Überschuldung der USA und den Niedergang des Dollars ins Zentrum.

Der Greenback hat etwa gegenüber dem Franken seit dem Jahr 2010 die Hälfte seines Wertes eingebüsst. Mit dem geopolitischen Gegenwind aus China und Russland kommen aus diesen Staaten Ideen, den Dollar als globale Reservewährung abzulösen. Bisher werden Rohstoffe weltweit ausschliessliche mit Dollar abgerechnet. Mittlerweile beginnen erste Staaten, mit der Opec ihre Erdölbezüge in eigener Währung abzurechnen.

Die Diskussion um eine Hinterlegung des Greenbacks mit Realwerten – darunter auch der Bitcoin – wird der Kryptowährung zu einem Imageverbesserung verhelfen. Wenn selbst eher konservative Politiker von der Wertbeständigkeit digitaler Währungen überzeugt sind, können diese nicht so schlecht sein, wie andere US-Politiker und Behörden immer behaupten.

«…führt zwangsläufig zur Deflation»

Doch ist die Idee realisierbar und wäre das «System Bitcoin» genug leistungsfähig, um als Sicherheit der globalen Reservewährung dienen zu können? «Die Bitcoin-Blockchain würde nicht überlastet, Gold diente auch als Reserve und lagerte einfach in Fort Knox», sagt Mike Schwitalla, Head of Trading bei der Deutschen-Börse-Tochter CryptoFinance. Doch er fügt an: Würde man die aktuelle Leitwährung, die über einen Geldmultiplikator verfügt, mit Realwerten hinterlegen, würde dies zwangsläufig zur Deflation und zum Zusammenbruch des Geldsystems führen.

«Das Bitcoin-Netzwerk wird unabhängig vom Volumen, das in Bitcoin transferiert wird, immer gleich stark belastet. Die Belastung ist also nicht abhängig vom Gesamtvolumen, sondern von der Anzahl Transaktionen im Netzwerk», sagt Marc Baumann, Gründer von FiftyOne Ventures. Nach Ansicht des Krypto-Experten würde sich ein solches Szenario nicht primär auf die Anzahl Transaktionen auswirken, sondern auf das Volumen. Ausserdem stünde institutionellen Finanzmarktteilnehmern immer noch Instrumente wie ein Bitcoin ETF (falls er bewilligt wird) zur Verfügung, welche das Netzwerk nur indirekt belasten würden.

Für kleine Transaktionen gibt es Lightning

Das Bitcoin-Netzwerk könne ins Unendliche skalieren, ergänzt Julian Liniger, Gründer und CEO der Bitcoin-App Relai. «Je mehr Transaktionen gemacht werden, desto teurer werden die Gebühren für jene, welche die Bitcoin Blockchain on-chain benutzen, da es auf dieser nur limitierten Platz gibt.» Für die erhöhte Sicherheit und vor allem für grössere und internationale Überweisungen kann es sinnvoll sein, diese Gebühren in Kauf zu nehmen. Für kleinere Transaktionen, wie etwa einen Kaffee bei Starbucks zu kaufen, würde das gemäss Liniger keinen Sinn mehr machen, wenn Bitcoin eine Weltreservewährung ist. «Dafür gibt es das Lightning-Netzwerk, mit dem man Bitcoin innerhalb von Sekunden und für wenige Cents global transferieren kann», sagt der Relai-CEO.

Bitcoin sei und bleibe dezentral und knapp, und die Möglichkeit, Bitcoin selbst ohne Drittparteien zu halten und trustless peer-to-peer zu transferieren, bleibe bestehen. Nach Ansicht von Liniger werden Nationen aufgrund dieser Eigenschaften, die digitalem Gold ähneln, Bitcoin vermehrt als Wertaufbewahrungsmittel und Tauschwährung verwenden. «Solche Initiativen sind definitiv förderlich, Bitcoin an die breite Masse zu bringen. Eine derartig visionäre und provokante Ankündigung wie die von Robert F. Kennedy, als zukünftiger Präsident den Dollar mit Bitcoin absichern zu wollen, geht natürlich um die Welt und hilft, den Bitcoin bei der Bevölkerung zu legitimieren», so Liniger.

Die Ankündigung allein werde wohl keine nachhaltige, sondern nur eine kurzfristige Auswirkung auf den Bitcoin-Kurs haben. Sollte dieses Programm aber tatsächlich umgesetzt werden, und weitere Spot-traded ETF wie etwa der vom weltgrössten Vermögensverwalter Blackrock auf den Markt kommen, wird das gemäss Liniger eine starke Nachfrage nach Bitcoin auslösen. «Zudem wird im Jahr 2024 das nächste Halving stattfinden, welches das Angebot von neu ausgeschütteten Bitcoins weiter verknappt.»

Bestätigung der Eigenschaften

Würde ein Staat wie die USA den Bitcoin als hartes Asset, vergleichbar mit Gold anerkennen und sogar die eigene Währung damit stabilisieren, wäre dies eine Bestätigung des Bitcoins als dezentrales Wertaufbewahrungsmittel, glaubt Marc Baumann. Knappheit, Dezentralisierung und Transparenz haben den Bitcoin seit Entstehung geprägt.

Solche Initiativen werden gemäss Bauman dem Bitcoin helfen, eine grössere Akzeptanz in der breiten Bevölkerung zu erlangen. Die Ereignisse im letzten Jahr hätten das öffentliche Image von Krypto – und damit auch von Bitcoin – massiv geschwächt. «Grundsätzlich wäre eine solche Initiative ein starkes Signal, dass sich Bitcoin als Vermögensklasse weiterhin legitimieren und etablieren kann.» Um so etwas tatsächlich umzusetzen, muss viel zusammenkommen. Der Fifty-One-Ventures Gründer erinnert daran, dass es mittlerweile – und vor allem nach dem FTX-Kollaps im vergangenen Jahr – auch viele Gegner von Kryptowährungen gebe. Es kursieren Vermutungen, dass die jetzige Biden Administration aktiv gegen Kryptowährungen vorgeht.

Demokraten und Republikaner

«Ausserdem ist Wahlkampf. Wenn wir davon ausgehen, dass 6 bis 10 Prozent der Amerikaner Bitcoin besitzen und ein Interesse daran haben, dass der Wert davon steigt, wäre das auch legitimes Instrument, um Wähler zu gewinnen», sagt Baumann. Den Aussagen eines Präsidentschaftskandidaten würde er noch nicht zu viel Gewicht verleihen. Die Adoption von Bitcoin von Regierungen wäre jedoch positiv für die Entwicklung von Bitcoin. «Je intensiver der Wahlkampf wird, desto seriöser werden die Themen. Es geht darum, was die Bürger unmittelbar beschäftigt – und das ist am Ende nicht der Bitcoin», fügt Schwitalla an.

Kennedy ist nicht der Einzige, der im US-Wahlkampf Bitcoin zum Thema macht. Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, hat angekündigt, dass er als republikanischer Kandidat für die US-Präsidentschaft 2024 antreten will. Er hat dabei versprochen, «den Bitcoin zu schützen», falls er gewählt wird. Jeder Einzelne habe das Recht Bitcoin zu besitzen und in einem selbstverwalteten Wallet zu nutzen, sagte DeSantis.

Ebenfalls aus Florida, ebenfalls Republikanr und ebenfalls Präsidentschaftskandidat ist Francis Suarez, der Bürgermeister von Miami, der wegen seines Einsatzes für Kryptowährungen auch als «Bitcoin-Bürgermeister» bekannt ist. Auch Vivek Ramaswamy, der seine Biotech-Holding vor Jahren in Basel ansiedelte, hat eine Kandidatur angemeldet. Ramaswamy vertritt konservative Werte und ist ein Bitcoin-Anhänger.

Bitcoin ist in den letzten vierzehn Jahren ohne Unterstützung der Politik – oft gegen den Widerstand der Politik – zu einer weltweiten Bewegung geworden. Was passiert erst, wenn der Bitcoin die Unterstützung der Politik hat?




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Ripple vs. SEC 1:0

Nach fast drei Jahren Rechtsstreit hat das Unternehmen Ripple Labs gegen die US-Börsenaufsicht SEC ein wegweisendes Urteil erkämpft. Der Handel des Tokens XRP auf Krypto-Börsen stellt gemäss diesem Entscheid keinen Wertpapierhandel dar. Die US-Behörde verklagte 2020 das Unternehmen hinter dem Zahlungsnetzwerk Ripple und der Kryptowährung XRP wegen nicht registriertem Angebot und Verkauf von Wertpapieranlageverträgen. Gemäss dem nun gefällten Urteil des New Yorker Gerichts stellen die auf US-Börsen gehandelten XRP-Token nach US-Gesetz jedoch keine Wertpapiere dar. Der Kurs von XRP sprang in der Folge über 50 Prozent in die Höhe. Auch andere Token, etwa jene von Solana, das sich ebenfalls im Rechtssterit mit dem SEC befindet, gewannen markant an Wert.

Erledigt dürfte das Ganze aber noch nicht sein, die zuständige Richterin stellte in ihrer Entscheidung ebenfalls fest, dass es Streitigkeiten über wesentliche Tatsachen gegeben habe, die nicht im Rahmen eines summarischen Urteils geklärt werden konnten. Es wird also zu weiteren Verhandlungen kommen, zum Beispiel über die Frage, ob die Gründer von Ripple Beihilfe zu den Verstössen gegen das Wertpapierrecht geleistet haben. Das Gericht stellte zudem fest, dass institutionelle Verkäufe von Ripple ein Wertpapierangebot darstellen würden. Dies könnte dazu führen, dass sich Stiftungen und Entwickler in der Anfangsphase ohne Token-Verkauf zu finanzieren versuchen und diese erst später emittieren. Die Richterin liess zudem die Frage offen, ob Verkäufe von Ripple-Token auf dem Sekundärmarkt ein Wertpapierangebot darstellten. Sie sei nicht beauftragt, diese Frage zu klären, hielt sie fest. Die US-Börsenaufsicht kann gegen den Entscheid zudem Berufung einlegen.

Ferrari NFT für 2,5 Millionen Dollar

Auf dem Luxusmarktplatz Altr ist in dieser Woche ein Ferrari F40 und ein digitaler Eigentumsnachweis in Form eines Non fungible Token (NFT) für 2,5 Millionen Dollar verkauft worden. Der ikonische Sportwagen mit dem Baujahr 1990 und nur 24'000 Kilometern auf dem Tacho bleibt vorerst im Besitz von Altr. Der Marktplatz verwahrt die Sammlerstücke bis der NFT-Inhaber beschliesst, das Sammlerstück physisch abzuholen. Altr will davon profitieren, dass Sammler die Verantwortung für Sicherheit und Pflege ihrer kostbaren Stücke nicht übernehmen wollen. Der Marktplatz will mit Luxusgütern und dazugehörenden NFT auf der Polygon-Blockchain zur Drehscheibe für den Kauf und Verkauf werden.

Nasdaq will doch kein Kryptoverwahrer sein

Das Timing der Meldung überrascht. Die US-Technologiebörse Nasdaq stoppt die Einführung ihres eigenen Krypto-Verwahrdienstes zu einem Zeitpunkt, an dem zahlreiche grosse Krypto-Dienstleister daran arbeiten, börsengehandelte Bitcoin-Indexfonds (ETF) an der Nasdaq zu kotieren. Die US-Börsenaufsicht SEC prüft derzeit zwei Anträge auf Bitcoin-ETF, die auf den Spot-Kursen und nicht auf den Notierungen von Futures basieren. Der Nasdaq-Verwahrdienst hätte Ende Juni 2023 an den Start gehen sollen. Die Technologiebörse gab mit der Publikation des Geschäftsberichts für das 2. Quartal an, dass das Projekt vor allem wegen regulatorischer Risiken in den USA ausgesetzt worden sei.

«Im vergangenen Quartal haben wir in Anbetracht des sich wandelnden Geschäfts- und Regulierungsumfelds in den Vereinigten Staaten die Entscheidung getroffen, den Start unseres Krypto-Verwahrungsdienstes und die Bemühungen um eine entsprechende Lizenz zu stoppen», wird Nasdaq-CEO Adena Friedman zitiert. Die Nasdaq-Chefin hielt aber fest, dass die Börse weiter auf den Ausbau des eigenen Krypto-Geschäftes setzt. Zu den zukünftigen technologischen Fähigkeiten der Nasdaq werde auch die Weiterentwicklung einer Custody-Lösung als Technologieplattform gehören, um den breiten, globalen Markt für digitale Vermögenswerte zu bedienen.

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