Digital Assets Briefing
Die Stablecoin-Begeisterung schwappt von den USA in die Schweiz. Wie viele verschiedene Franken braucht das Land? Vorne dabei die ehemalige SP-Ständerätin Pascale Bruderer.
7. Juli 2023 • Werner Grundlehner

In der Grössenrangliste der globalen Kryptowährungen belegen sie bereits Platz 3 und 5. Die Dollar-Stablecoins Tether und USD-Coin bringen zusammen über 100 Mrd. Dollar auf die Waage. Auch hierzulande gibt es mehrere Projekte. Stablecoins sind Blockchain-basiert und bilden den Wert einer Fiat-Währung eins-zu-eins ab – dafür sollten sie auch mit 100 Prozent der entsprechenden Währung hinterlegt sein. Ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit rückte die Idee des stabilen, Blockchain-basierten Franken-Coins vor wenigen Tagen, als Postfinance und die Gesellschaft Swiss Stablecoin die Lancierung eines E-Franken ankündigten.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• MicroStrategy kauft bei jedem Wetter
• NFT: Nur die Punks sind einigermassen stabil
• Litecoin mit Halving-Fantasie


Hinter Swiss Stablecoin steht Pascale Bruderer. Die ehemalige SP-National- und Ständerätin agierte als Beraterin für die globale Internetwährung Diem. Bruderer war als Verwaltungsrätin für das Projekt des Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vorgesehen. Doch so weit kam es nicht. Dass ein Unternehmen wie Facebook, das im US-Wahlkampf punkto Datensicherheit zahlreiche Versäumnisse zeigte, eine globale Währung kontrollieren sollte, rief bei Regulatoren, Regierungen und Notenbanken Ablehnung hervor. Das Projekt wurde zusammengestrichen und schliesslich sistiert.

Steigende Zinsen änderte Ausgangslage

Für die geldpolitische Souveränität und die Schweizer Innovationskraft ist es gemäss Bruderer wichtig, dass die Schweiz über einen digitalen E-Franken verfüge. Bei den Arbeiten für das Diem-Projekt sei ihr klar geworden, dass man aktiv werden müsse, sagte die ehemalige Politikerin in einem Interview. Man könne das Feld nicht ausländischen Anbietern überlassen. Mit der Postfinance hat ihr Unternehmen einen «halbstaatlichen» Player an Bord geholt.

Swiss Stablecoin ist aber nicht der Pionier. Bitcoin Suisse hat den CryptoFranc (XCHF) bereits im Jahr 2018 auf den Markt gebracht und seither unterstützt. «Das negative Zins-Umfeld war nicht ideal für das Wachstum des Tokens. Mit dem Zinsanstieg der SNB auf Sichteinlagen hat sich die Lage aber verändert», sagt Bitcoin-Suisse-Sprecherin Verena Schwarz. Der CryptoFranc führte ein Schattendasein. Doch seit der Zahlungsabwickler Worldline auf seinen Terminals neben Transaktionen in Bitcoin und Ether auch solche in CryptoFranc erlaubt, geht es aufwärts.

Derzeit lässt sich in rund 1000 Geschäften mit dem CryptoFranc zahlen und jeden Monat kommen über 100 neue Händler hinzu. «Primär braucht es sehr grosse Volumen, damit ein CHF-Stablecoin profitabel im Markt sein kann», sagt Schwarz. Bitcoin Suisse suche für die weitere Marktdurchdringung Partner, mit denen das Wachstum weiter erhöht werden kann.

Grosse Netzwerkeffekte

Weil weitere Projekte bereits lanciert oder in Vorbereitung sind, fragt es sich, wie viele E-Franken die Schweiz überhaupt braucht – wenn es überhaupt einen braucht. Stablecoins gebe es heute bereits, allerdings spielten diese noch eine vernachlässigbare Rolle, sagt Fabian Schär, Professor für Distributed Ledger Technology (Blockchain) und Fintech an der Uni Basel. «Für die breite Bevölkerung wird es dann spannend, wenn mit Stablecoins bezahlt werden kann». Wann das der Fall sein werde, lässt sich gemäss Schär nicht abschätzen. «Grundsätzlich gibt es bei Stablecoins grosse Netzwerkeffekte. Es wäre aber denkbar, dass sich mehrere Stablecoins etablieren, die sich in Punkto Technologie, Funktionsumfang und Anwendungsbereich differenzieren können.»

Im Gegensatz zu traditionellen Währungen weisen Stablecoins zahlreiche zusätzliche Funktionen auf (vgl. Aufzählung am Ende des Textes). Die Programmierbarkeit von Coins über Smart Contracts eröffnet für die Zukunft innovative Lösungen. So sagt Andreas Dietrich, Finanzprofessor an der Hochschule Luzern, gegenüber der «NZZ am Sonntag», in 10 bis 15 Jahren gebe es auf der Autobahn vielleicht eine Spur für Elektrofahrzeuge. Ein Auto, das dort fahre, werde automatisch geladen, sofern es mit einem Wallet mit E-Franken verbunden sei. Die Abrechnung erfolge automatisch und augenblicklich, sobald das Fahrzeug die Spur verlasse.

Obwohl Stabelcoins alle die zugrundeliegende Währung eins zu eins abbilden, können sich die einzelnen E-Franken voneinander unterscheiden. «Stablecoins können in verschiedenen Dimensionen variieren. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Reputation der herausgebenden Institution sowie die Menge, Qualität und Liquidität der hinterlegten Sicherheiten», sagt Schär. Darüber hinaus könnten sich Stablecoins auch hinsichtlich der technischen Implementierung unterscheiden, was wiederum einen Effekt auf die Anwendungsmöglichkeiten oder bestimmte Charakteristika wie Privatsphäre oder Programmierbarkeit habe.

US-Coins haben den Ruf lädiert

Stablecoins aus den Vereinigten Staaten haben bei den Investoren schon viel Porzellan zerschlagen und der Reputation geschadet. Im Zusammenhang mit der Silicon Valley Bank verlor Circle, der Emittent des USD Coin, angeblich Milliarden und es kamen Zweifel auf, ob der Stablecoin weiter voll gedeckt sei. Diese Vorbehalte gibt es bei Tether seit Jahren und wurden vom Unternehmen nie vorbehaltlos ausgeräumt. Das Waterloo erlebte die Branche aber mit der Pleite von Terra/Luna, wobei der Terra als Stablecoin galt.

«Bei Terra/Luna handelte es sich um ein algorithmisches Stablecoin-Konstrukt. Das heisst, dass die Versprechen nicht mit unabhängigen Sicherheiten gedeckt waren und stattdessen auf ein algorithmisches Stabilitätsmodell vertraut wurde», erklärt Fabian Schär. Dass das keine gute Idee sei, sei lange vor der Pleite bekannt gewesen. Viele Ökonomen hätten vor diesem Modell gewarnt. «Terra/Luna sollte aber nicht mit Stablecoin-Projekten gleichgesetzt werden, bei denen Sicherheiten in ausreichender Höhe, Qualität und Liquidität vorhanden sind. Letztere können funktionieren, sofern die Sicherheiten gut verwaltet werden und sowohl die Wertbeständigkeit als auch Liquidität der Sicherheiten sichergestellt ist», sagt der Professor. Elektronisches Zentralbankengeld wäre aus seiner Sicht prädestiniert, die Rolle der Sicherheit einzunehmen.

Verena Schwarz ergänzt: «Im Gegensatz zum Luna ist der CryptoFranc zu 100 Prozent mit Schweizer Franken besichert. Dies über eine Bankgarantie einer Schweizer Bank, welche dynamisch an die Anzahl XCHF im Umlauf angepasst wird.» Der Aussage, dass Stablecoins generell einen schlechten Ruf geniessen, könne Bitcoin Suisse nicht zustimmen. Stablecoins spielten eine entscheidende Rolle in der Weiterentwicklung des Kryptomarktes, da sie Stabilität und Verlässlichkeit in einem volatilen Umfeld bieten. «Durch die Schaffung einer Brücke zwischen der traditionellen Finanzwelt und der Blockchain-Technologie können Stablecoins das Vertrauen in digitale Assets stärken und das Wachstum des gesamten Ökosystems vorantreiben», fügt die Sprecherin an.

Wie lange kann die SNB warten?

Es ist nicht so, dass die Schweizerische Nationalbank den Trend zum E-Franken verschlafen hätte. Sie tüftelt schon seit längerem an einem digitalen Franken. Vor wenigen Tagen bestätigte SNB-Chef Thomas Jordan, dass die Notenbank zusammen mit der Schweizer Börse SIX ein Pilotprojekt für digitales Zentralbankgeld lancieren werde. Bei diesem Projekt handelt es sich um eine Central Bank Digital Currency, kurz CBDC (Tippinpoint berichtete).

Diese sogenannten «Wholesale CBDC» werrden nur für Transaktionen zwischen Geschäftsbanken und Nichtbank-Finanzinstitutionen eingesetzt. Der Bürger kommt mit dieser «Währung» nicht in Kontakt. Für den Einsatz im täglichen Gebrauch bräuchte es einen «Retail CBDC». Einer solchen digitalen Währung für Private (Retail-CBDC) erteilte der SNB-Direktor jüngst erneut eine Absage.

Es hängt aber vom Erfolg der übrigen Stablecoins ab, wie lange die SNB sich eines Retail CBDC verweigern kann. Wenn immer mehr Personen in der Schweiz die bereits erfolgreichen Dollar-Stablecoins nutzen würden, läuft die Notenbank in Gefahr, in der Geldpolitik an Einfluss zu verlieren. Ein Erfolg der beschriebenen «privaten» Franken würde hohe Frankbeträge binden, da Stablecoins zu 100 Prozent hinterlegt sein müssen. Das kostet Liquidität, die andernorts dann fehlt. Zudem wird die SNB langfristig die Organisation des Zahlungsverkehrs nicht privaten Anbietern überlassen. «Ich wäre überrascht, wenn sich die SNB in der näheren Zukunft für das Ausstellen einer Retail CBDC entscheiden würde», sagt Professor Schär. Deutlich wahrscheinlicher wäre seines Erachtens, dass die SNB Wholesale CBDC für Institutionen ausstellen werde, die potenziell als Sicherheiten für Stablecoins genutzt und indirekt einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden könnten.

Praktischen Einsatzgebiete eines Stablecoins

Kryptowährungs-Handel: Stablecoins werden oft als stabiles Wertaufbewahrungsmittel verwendet, um Kryptowährungen zu handeln. Als Spekulationsobjekt sind Stablecoins weniger geeignet. Wird erwartet, dass der Kurs von Bitcoin oder anderen Kryptowährungen schwanken wird, kann ein schneller Wechsel in Stablecoins helfen, Gewinne abzusichern und ermöglicht danach den schnellen Wiedereinstieg in dieselbe oder andere Kryptowährungen.

Zahlungsabwicklung: Stablecoins etablieren sich immer mehr als Mittel für schnelle und kostengünstige, grenzüberschreitende Zahlungen. Da sie nicht über das traditionelle Bankensystem, sondern über eine Blockchain abgewickelt werden, ermöglichen sie direkte, effiziente Transaktionen zwischen Parteien in verschiedenen Ländern. Sie unterliegen keinen Banköffnungszeiten und die Übertragung findet innert Sekunden statt. Eine Abwicklung über Korrespondenzbanken kann im Gegensatz dazu einige Tage dauern und bedeutet insbesondere im internationalen Kontext höhere Gebühren.


Wertaufbewahrung und Absicherung: Stablecoins bieten eine Möglichkeit, Vermögenswerte in einer Kryptowährung mit stabilem Wert zu halten. Dies kann insbesondere in Ländern mit hoher Inflation oder unsicherer Wirtschaft attraktiv sein. Nutzer können ihr Vermögen in Stablecoins halten, die an eine stabilere Währung als ihre Landeswährung gebunden ist. Eine solche Investition schützt vor Wertverlusten.

Dezentrale Finanzierung (DeFi): Stablecoins spielen eine wichtige Rolle im Bereich der dezentralen Finanzierung. Sie können als Kollateral für Kredite verwendet werden oder als Basispaar für den Handel auf dezentralen Börsen dienen. Stablecoins ermöglichen es Benutzern, an DeFi-Protokollen teilzunehmen, ohne der Preisvolatilität von Kryptowährungen ausgesetzt zu sein.

Anlageinstrumente: Einige Stablecoins bieten Nutzern die Möglichkeit, Renditen auf ihren Einlagen zu erzielen. Statt ihre Fiat-Währungen auf einem Bankkonto zu halten, können Nutzer in bestimmte Stablecoins investieren, die Zinsen oder Dividenden generieren.



Short cuts: News aus der digitalen Welt

MicroStrategy kauft bei jedem Wetter

Der US-Softwarekonzern setzt seine aggressive Kaufstrategie für Bitcoin fort. In den vergangenen Tagen hat Micro-Strategy weitere 12'333 Bitcoins für einen Gegenwert von 347 Mio. Dollar erworben. Mittlerweile besitzt der Spezialist für Business-Intelligence-Anwendungen 152'333 Bitcoins. Das sind 0,73 Prozent aller Bitcoins, die je auf den Markt kommen werden.

Der maximale Umlauf ist bei der Ur-Kryptowährung auf 21 Mio. Coins limitiert. Geht man davon aus, dass bereits 20 Prozent oder mehr der bisher «geschürften» Bitcoins wegen technischen Pannen oder Fehlmanipulationen verloren gegangen sind, dürfte der Anteil um diesen Faktor höher sein. MicroStrategy unter der Leitung des Vorstandsvorsitzenden Michael Saylor plant, das Lightning-Netzwerk für Infrastrukturdienste in Unternehmen und Content-Monetarisierungs-Lösungen zu nutzen. Geschäftsführer Saylor empfiehlt Unternehmen aber allgemein, Bargeldreserven in Bitcoin zu halten. Er argumentiert, dass alle Währungen mehr oder weniger an den Dollar gebunden seien. Dieser blicke auf eine historische Durchschnittsverzinsung von 3% zurück, während die jährlich Geldmengenausdehnung 7% betrug – in den vergangenen Jahren noch deutlich höher.

Die meisten übrigen Fiat-Währungen würden sich dabei noch schneller als der Dollar entwerten. Micro Strategy baut seit August 2020 seinen Bestand kontinuierlich aus. Als das Unternehmen im Dezember 2022 einen Teil seiner Bitcoins verkaufte, dachten viele, Taylor haben den Glauben an die Kryptowährung verloren. Doch dies geschah aus steuerlichen Gründen, umgehend setzt darauf MicroStrategy seine Kaufstrategie fort.

NFT: Nur die Punks sind einigermassen stabil

Viele Investoren schieben die Schuld auf die künstliche Intelligenz. Der Hype an den Finanzmärkten zu KI habe die ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Doch das dürfte nur ein Teil der Wahrheit sein. Im NFT-Markt (Non Fungible Token) ist der Wurm drin. Die zweit- und die drittgrösste Kollektion der Branche der «Bored Ape Club» und der «Mutant Ape Yacht Club» haben in den vergangenen 90 Tagen rund 50 Prozent ihres Werts verloren.

Der Pessimismus lässt sich auch an der Notierung von Azuki ablesen – einer der bisher erfolgreichsten Sammlungen des laufenden Jahres. Ende Juni wurde ein Drop durchgeführt. Das heisst, eine neue Unterkollektion wurde ausgegeben. In einer «Dutch Auction» wurden 10’000 NFT abgesetzt. Die Auktion war ein Erfolg, doch anschliessend setzte Kritik an der Ausführung ein und es kamen Unregelmässikeiten ans Licht. Der Durchschnittspreis eines Azuki-NFT fiel innerhalb weniger Tage von über 17 Ether auf unter 7. Das nachlassende Interesse der «Kunstsammler» lässt sich auch am Handelsvolumen für NFT ablesen. Allein im Juni ist dieses um die Hälfte eingebrochen – über drei Monate beträgt der Rückgang rund zwei Drittel. Gemäss nftpricefloor.com umfasst das Universum mittlerweile fast 800 Kollektionen. Halten – oder zumindest einigermassen – konnten sie nur die grössten und bekanntesten NFT. Ein NFT aus der Crypto-Punk Kollektion wird zu einem Durchschnittspreis von knapp 45 Ether gehandelt. Zu Jahresbeginn belief sich dieser Wert noch auf 66 Ether.

NFT haben ihren Nutzen bewiesen und werden in der digitalen Industrie eine wichtige Rolle spielen. Die fälschungssicheren, nicht austauschbaren Token werden aber nicht unbedingt die Kunstwelt revolutionieren, aber für digitale Personalausweise, Grundbuchauszug und fälschungssicheres Konzertticket eine entscheidende Rolle spielen.

Litecoin mit Halving-Fantasie

Der Litecoin ist hinter dem Bitcoin die zweitgrösste Kryptowährung, die auf Proof-of-Work basiert. Der Litecoin Kurs orientiert sich deshalb stark an der Bitcoin-Notierung – manchmal mit etwas Verzögerung. Miner, die Litecoins-Blocks prüfen und in die Blockchain bringen, erhalten für ihre Arbeit ein Entgelt in Form neuer Coins. In den vergangenen Tagen hat die Litecoin-Notierung stark angezogen – ohne Antrieb durch den Bitcoin. Mitte Juni notierte die Kryptowährung noch knapp über 70 Dollar, Ende Monat kletterte der Litecoin deutlich über 100 Dollar und hat zwischenzeitlich wieder leicht korrigiert.

Der Grund für den Höhenflug dürfte das am 2. August anstehende Halving sein. Nach diesem Datum erhalten die Miner nur noch die Hälfte der Belohnung für ihre Arbeit. Deshalb dürfte das Mining und damit das Angebot an Litecoins nachlassen. In etwas weniger als 300 Tagen findet übrigens das nächste Bitcoin-Halving statt. Die Geschichte zeigt, dass dieser Anlass jeweils den Wert einer Proof-of-Work-Blockchain antreibt. (https://www.litecoinhalving.com)

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