Digital Assets Briefing
Neue Studien zeigen, dass internationale Grossbanken den Siegeszug von digitalen Assets antizipieren – dabei spielen ETF und andere Anlageprodukte eine Nebenrolle. +++ Dazu: «Tokenisierung übernimmt das Finanzsystem» +++ And the Crypto-Oscar goes to…
3. Oktober 2025 • Werner Grundlehner

Banken nehmen Krypto ernst – und nicht nur, weil Kunden in Bitcoin & Co. direkt und unkompliziert investieren wollen. Anlageprodukte wie ETP, ETF oder andere Strukis sind nur der Anfang. Sie helfen Kunden, denen der direkte Handel und ein eigenes Wallet zu kompliziert sind, eine indirekte Anlage in Kryptowährungen zu halten. Dies verbessert die Diversifikation und in den vergangenen Jahren die Performance. Doch an den grundlegenden Segnungen der Innovation wie sichere, unzensierte Zahlungen über dezentrale Netzwerke, dezentrale Handelsplätze und Smart Contracts haben diese Investoren mit Finanzprodukten keine Teilhabe.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• «Tokenisierung übernimmt das Finanzsystem»
• And the Crypto-Oscar goes to…


Die Banken begnügen sich jedoch nicht damit, den Kunden Trading und Verwahrungsmöglichkeiten für Kryptowährungen anzubieten. Die Finanzinstitute beziehen Krypto in grundlegende Überlegungen zur Zukunft der eigenen Industrie ein. Davon zeugen Strategiepapiere von Banken, die bisher nicht an vorderster Front als Krypto-Institute unterwegs waren.

Bitcoin entert Notenbankbilanzen

«Bitcoin vs. Gold: The Future of Central Bank Reserves by 2030» von der Deutschen Bank ist das erste Beispiel. In diesem Research-Papier kommen die Ökonomen zum Schluss, dass «Bitcoin bis 2030 neben Gold in den offiziellen Bilanzen vieler Zentralbanken aufgeführt sein wird.»

Die wichtige Frage sei, wie lange Gold noch seinen erstklassigen Status behalten werde, da die Behörden nach alternativen Währungen suchten, um ihre Reserven zu stützen, heisst es weiter. Der Dollar bleibt die Nummer Eins unter den Währungen in den Zentralbankreserven (aktuell fast 60 Prozent), aber es gibt Anzeichen dafür, dass die Länder eine Diversifizierung anstreben. So nahmen etwa Chinas Bestände an US-Staatsanleihen 2024 um 57 Milliarden auf 759 Milliarden ab. «Der Bitcoin scheint in einer Zeit, in der die Krypto-Gesetzgebung und -Innovation in dem Land, in dem es am wichtigsten ist (in den USA), voranschreitet und auf dem Weg zur Massenakzeptanz ist».

Die Analysten der Deutschen Bank führen fünf Thesen auf, wieso der Bitcoin in fünf Jahren ein Posten in vielen Notenbankbilanzen sein wird:

1. Bitcoin und Gold bieten komplementäre Diversifizierungen für Zentralbankportfolios
Bitcoin und Gold gelten aufgrund ihrer geringen Korrelation mit anderen Anlageklassen, relativ knappen Verfügbarkeit und Verwendung als Absicherung gegen Inflation und geopolitische Volatilität als komplementäre Alternativen zu traditionellen «sicheren Häfen».

2. Die Volatilität von Bitcoin dürfte zurückgehen
Entscheidend ist, dass dem Bitcoin nach wie vor wichtige Komponenten einer Reservewährung fehlen: Vertrauen und Transparenz. Wie die Geschichte jedoch gezeigt hat, war auch Gold in der Anfangsphase seiner Einführung anfällig für Preisschwankungen, und die Volatilität von Gold hat im Laufe der Zeit abgenommen. Angesichts der zunehmenden Regulierungsbemühungen – von den USA über MiCA in der EU bis hin zur Krypto-Roadmap der FCA in Grossbritannien dürfte die Bitcoin Volatilität mit zunehmender Anzahl von Transaktionen abnehmen. Tatsächlich sank die Volatilität von Bitcoin im August auf ein historisches Tief, wobei die 30-Tage-Volatilität auf 23 Prozent zurückging, während der Preis von Bitcoin am 15. August ein Höchst von über 123’500 Dollar erreichte. Diese Kombination deutet darauf hin, dass wir möglicherweise den Beginn einer allmählichen Entkopplung zwischen den Spotpreisen und der Volatilität von Bitcoin erleben, da die Integration der Kryptowährung in Portfolios immer ausgereifter wird. Dies könnte einen nachhaltigeren Trend signalisieren, der über frühere Fälle von kurzfristigen Marktspekulationen hinausgeht.

3. Weder Bitcoin noch Gold werden den Dollar als primäre Reservewährung oder Zahlungsmittel ersetzen
In den 1930er und 1970er Jahren leitete die USA erfolgreiche Massnahmen ein, um die Abhängigkeit des internationalen Finanzsystems von Gold zu verringern, als die Behörden Gold als Bedrohung für den Dollar empfanden. Die Länder dürften auch heute dafür sorgen, dass Bitcoin und andere digitale Vermögenswerte die Souveränität ihrer Währungen nicht gefährden.

4. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen
Wie Bitcoin war auch Gold einst Gegenstand von Skepsis, Misstrauen und Nachfragespekulationen. Wie der Bitcoin hat auch Gold periodische Schwankungen erlebt; seine Wertentwicklung wurde oft durch geringfügige Veränderungen in der öffentlichen Wahrnehmung beeinflusst. Der Bitcoin wird sich weiter durchsetzen, da regulatorische Entwicklungen, makroökonomische Bedingungen und vor allem die Zeit dazu führen dürften, dass die Öffentlichkeit Bitcoin zunehmend als Wertanlage akzeptiert.

5. Solange wir Menschen sind, werden Bitcoin und andere alternative Vermögenswerte wahrscheinlich weiterhin um unsere Aufmerksamkeit konkurrieren
Die Geschichte der Finanzmärkte zeigt, dass die menschliche Natur dazu führt, dass wir uns von traditionellen Vermögenswerten lösen wollen. Die von den USA angeführte Einführung von Bitcoin kann einen längerfristigen Übergang erleichtern, bei dem sich der Bitcoin und andere Kryptowährungen von einer spekulativen Anlage zu einem legitimierten, wichtigen Bestandteil der globalen Finanzwelt entwickeln.


ChatGPT-Moment für Stablecoins

In der Studie «Stablecoins 2030 – Web3 to Wall Street» schreibt das Research der amerikanischen Grossbank Citi, dass «2025 ein ChatGPT-Moment» für die institutionelle Einführung der Blockchain sein werde. «Die Entwicklung hin zur Nutzung der Blockchain-Technologie für sofortige Abrechnungen und Bestätigungen in Echtzeit ist ein natürlicher Fortschritt in Richtung 24x7 verfügbare Welt, in die wir bereits investiert haben. Citigroup konzentriert sich darauf, diese Technologie in ihre anderen Kundenangebote zu integrieren, zu vermarkten und zukünftige Vorteile zu erschliessen», schreibt Shamir Khaliq, Global Head of Services bei Citi.

Das starke Wachstum des Marktes in den vergangenen sechs Monaten und der Vielzahl von Projektankündigungen in den USA und international, die Entwicklung digitaler Vermögenswerte – Stablecoins, tokenisierte Einlagen, Einlagentoken –erinnere in gewisser Weise an die Anfänge des Dotcom-Booms, schreiben die Autoren.

In der Studie gehen die Amerikaner vor allem auf Stablecoins ein. Sie prognostizieren, ein Ökosystem, in dem Stablecoins, tokenisierte Einlagen, Einlagentoken und CBDC (digitale Notenbankwährungen) florieren und nebeneinander existieren können. Angesichts des rasanten Wachstums und zahlreicher neuer Projekte für Stablecoins seit Jahresbeginn erhöht Citi die damals gemachten Prognosen. Die Basisprognose für die Ausgabe von Stablecoins wird von 1,6 auf 1,9 Billionen Dollar erhöht. Die optimistische Vorhersage von 3,7 auf 4 Billionen Dollar.

Bei einer 50-fachen Umlaufgeschwindigkeit ähnlich der Umlaufgeschwindigkeit von Fiat-Zahlungen im Laufe der Zeit, könnten Stablecoins bis 2030 Transaktionsaktivitäten im Wert von fast 100 Billionen bis 200 Billionen Dollar unterstützen.

Tokenisierte Bankeinlagen werden boomen

Verschiedene Formen von Geld würden unterschiedliche Produktmarktpassungen finden, deren Nutzung von Vertrauen, Interoperabilität und regulatorischer Klarheit geprägt sei, schreiben die Citi-Analysten. Banktoken (tokenisierte Einlagen, Einlagentoken und Ähnliches), die das Vertrauen, die Anwenderfreundlichkeit und die regulatorischen Schutzmassnahmen von Bankgeld bieten, würden von vielen Unternehmen bevorzugt. «Das Transaktionsvolumen von Banktoken könnte 2030 jenes von Stablecoins übersteigen».

Grosse Finanzabteilungen in Unternehmen seien an Programmierbarkeit interessiert, die eine Echtzeitabwicklung und -abstimmung von Compliance am Transaktionsort ermögliche und weniger Reibungspunkte bieten würden. Dies kann laut Studie durch Banktoken und Stablecoins angeboten werden. Das On-Chain-Geldvolumen dürfte gemäss Prognose weiterhin stark auf Dollar lauten und sei deshalb eine Quelle für zusätzliche neue Nachfrage nach amerikanischen Staatsanleihen. «Allerdings sind auch Hongkong, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere innovative Zentren Hotspots der Aktivität – hier geht es nicht nur um den Dollar», heisst es in der Studie.

Noch kleine Brötchen

Die jährlichen Umsatzprognosen für Stablecoins mögen für Laien hoch erscheinen, heisst es weiter, seien aber im Vergleich zu den Geldströmen immer noch gering: Führende Banken bewegen heute täglich 5 bis 10 Billionen Dollar. «Skeptiker behaupten, dass Banken verdrängt werden. Citigroup glaubt jedoch nicht, dass Kryptowährungen das bestehende System zerstören werden. Vielmehr helfen sie uns, es neu zu denken», heisst es im Research.

Die Studienautoren sind begeistert von den Möglichkeiten, die Stablecoins bieten, aber sie seien nicht die Antwort auf alles. In vielen Ländern funktionieren inländische Verbrauchszahlungen gut: Sie erfolgen bereits in Echtzeit, rund um die Uhr und zu geringen Kosten. Grenzüberschreitende Zahlungen seien eine andere Sache, aber auch hier hätten Fintechs und Grossbanken rasche Fortschritte erzielt. Stablecoins könnten eine wichtige Ergänzung des Finanzinstrumentariums sein, insbesondere für digital affine Unternehmen und Investoren sowie für Haushalte in Schwellenmärkten, die nach einer einfachen Möglichkeit suchen, Dollar zu halten. Für viele werden jedoch Banktoken – Einzahlungstoken, tokenisierte Einlagen und Ähnliches – eine einfachere Integration darstellen.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


«Tokenisierung übernimmt das Finanzsystem»

Die Tokenisierung wird gemäss Vlad Tenev, CEO des Onlinebrokers Robinhood, das traditionelle Finanzwesen bald grundlegend verändern. An der Token2049-Konferenz in Singapur, sagt Tenev, dass die Tokenisierung wie ein «Güterzug» auf das Herzstück des traditionellen Finanzwesens zurase. «Kryptowährungen und traditionelle Finanzwelt existierten bisher in getrennten Systemen, aber sie werden vollständig verschmelzen. In Zukunft wird alles in irgendeiner Form auf der Blockchain stattfinden, und die Unterscheidung wird verschwinden», sagt er. Robinhood bietet in Europa bereits tokenisierte Aktien sowie private Anteile an nicht-kotierten Startups wie SpaceX und OpenAI an. Genauso wie Stablecoins zum Standard für den digitalen Zugang zu Dollar geworden seien, würden tokenisierte Aktien für Menschen ausserhalb der USA zum Standard für den Zugang zu amerikanischen Aktien werden, argumentierte der Robinhood-CEO. Auch wenn viele Marktteilnehmer die USA für ihre Kryptopolitik loben würden, hätte das Land in der Regulierung gegenüber Europa noch Aufholbedarf, etwa bei der Schaffung von Vorschriften zur Erleichterung des 24/7-Handels mit tokenisierten Aktien. Als Nächstes steht für Robinhood die Tokenisierung von Immobilien auf dem Programm. Tenev erklärte dem Publikum, dass sich die Tokenisierung von Immobilien «mechanisch» nicht von der Tokenisierung eines privaten Unternehmens wie SpaceX oder OpenAI unterscheide. OpenAI hat jedoch die Tokenisierung seiner privaten Aktien als «unautorisiert» bezeichnet.


And the Crypto-Oscar goes to…

Zum dritten Mal wurden im Rahmen der Finance 2.0 - Crypto Assets 25 in Zürich die Swiss Crypto Awards verliehen. Damit werden gemäss Pressemitteilung «Unternehmen und Persönlichkeiten ausgezeichnet, die den Wandel zwischen traditionellem Finanzplatz und Krypto-Ökonomie erfolgreich vorantreiben».

In der Kategorie «Best Crypto Startup» gewann der Technologieanbieter Wyden, der eine Infrastruktur für den institutionellen Handelsprozess mit digitalen Assets anbietet und zuletzt 14,5 Millionen Franken an frischem Kapital eingesammelt hat. Als bestes «Crypto Investment Product» wurde der ETF von BlackRock ausgezeichnet. Der Preis für das «beste Crypto-/Digital Assets Offering» erhielt die BX Digital. Der digitale Handelsplatz hat als erstes Schweizer Unternehmen von der Finma eine Lizenz für ein dezentrales Handels- und Abwicklungssystem für digitale Vermögenswerte auf einer öffentlichen Blockchain erhalten. Der Nationalrat Benjamin Fischer wurde als «Crypto Shaper 2025» ausgezeichnet. Der Politiker setze sich mit parlamentarischen Initiativen und Motionen konsequent für die Stärkung des Krypto- und Blockchain-Standorts Schweiz ein. Der «Jury Excellence Award» ging an Professor Fabian Schär, der das Center for Innovative Finance an der Universität Basel leitet. Er zähle zu den prägenden akademischen Stimmen im Bereich Blockchain und Krypto. Er habe dem Thema wissenschaftliche Fundierung verliehen. Zudem präge Schär als Berater für Institutionen wie IWF und BIS die Debatte über Blockchain-basierte Finanzinfrastruktur und DeFi.

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