Dass Tidjane Thiam gerade jetzt seine Memoiren veröffentlicht, ist kein Zufall. Without Prejudice erscheint wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in seiner Heimat, wo Thiam mittlerweile die Demokratische Partei anführt. Das Werk ist vor allem eine Auseinandersetzung mit Rassismus – und wie er Thiams Karriere geprägt hat.
Schon sein Vater verglich den Lebensweg eines Schwarzen mit einem Hochsprungwettbewerb: «Wenn du an der Reihe bist, wird die Latte höher gelegt.» Thiam selbst bestätigt diese Beobachtung mit ernüchternder Klarheit: «Zu meinem Leidwesen musste ich feststellen, dass er recht hatte.»
Thiam wurde 1962 als Sohn einer adligen Ivorerin und eines senegalesischen Journalisten geboren. Er wuchs in privilegierten Verhältnissen auf, fühlte sich aber stets als Aussenseiter. Er schildert den Rassismus, den sein Vater in den 1950er-Jahren unter französischer Kolonialherrschaft erfuhr, ebenso wie das subtile Gefühl der Fremdheit, das er als schwarzes Kind in einer marokkanischen Schule erlebte.
Thiam erlebte auch in Frankreich Rassismus
Nach seiner Ausbildung an Frankreichs Elitehochschulen war Thiam überzeugt, dass ihm Rassismus den Karriereweg versperrte. Er haderte damit, dass viele seiner weissen Mitstudenten schnell Spitzenpositionen in französischen Konzernen erhielten, während ihm der Einstieg in Frankreich verschlossen blieb – er wurde stattdessen Berater bei McKinsey.
Nachdem er in London erfolgreich den Versicherungskonzern Prudential geführt hatte, kam das Angebot, Chef der Credit Suisse zu werden. Für Thiam bedeutete der Wechsel nach Zürich einen Wendepunkt. Er beschreibt im Buch, dass er über den Zustand der Bank getäuscht worden sei. Er verteidigt die eingeleiteten Reformen, blendet aber eigene Fehler weitgehend aus – etwa im Zusammenhang mit der Spionageaffäre, die zu seinem Abgang führte. Die Erwähnung der Auszeichnung «Banker of the Year 2018» wirkt ein wenig bemüht.
Im persönlichen Gespräch erlebte man einen Manager, der charismatisch, witzig und schlagfertig war, aber auch aufbrausend sein konnte. Sein grösster Fehler sei es gewesen, den «Zürcher Mikrokosmos und die Schweizer im Allgemeinen falsch einzuschätzen und nicht zu verstehen, dass sie entschlossen waren, mich um jeden Preis aus diesem Job zu entfernen». Wer wirklich Neues zu seiner Zeit in der Schweiz erfahren möchte, wird enttäuscht. Die Züricher Jahre war für den Manager eine dunkle Zeit, in seinen Memoiren wird sie zur Randnotiz.
Without Prejudice: A Memoir von Tidjane Thiam, Verlag William Collins