Sieg für US-Hedge-Fund
Jetzt wird es ungemütlich für EY Schweiz: Das Bundesgericht hat entschieden, dass der Wirtschaftsprüfer umfangreiche Unterlagen über die spektakulär Konkurs gegangene Firma Zeromax herausrücken muss – mit möglichen Milliardenfolgen.
28. August 2025 • Balz Bruppacher

Im Wirtschaftskrimi um die usbekische «Prinzessin» Gulnara Karimowa wird ein neues Kapitel geschrieben. Es geht um den Konkurs der Firma Zeromax GmbH im Kanton Zug, mit der die Tochter des verstorbenen usbekischen Präsidenten Islam Karimowa einst geschäftlich verbunden war. Strittig ist, ob die Wirtschaftsprüfer von EY Schweiz bei der Revision der Zeromax in den Nullerjahren ihre Pflichten verletzt und der Firma trotz verdächtiger Transaktionen einen Persilschein ausgestellt hatten. Träfe dies zu, muss EY Schweiz mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe rechnen.

Die Klägerin – die Zuger Firma Piodina AG, die ihrerseits treuhänderisch für den US-Hedge-Fund Lion Point Capital tätig ist – hat ein umfangreiches Rechenschafts- und Herausgabeverfahren an EY gestellt. Sie möchte sämtliche vorhandenen physischen und elektronischen Unterlagen erhalten, die die Zeromax betreffen. Laut einem soeben veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts erhielt die Klägerin nun letztinstanzlich Recht, nachdem sich EY bereits vor dem Zuger Kantons- und dem Obergericht vergeblich gegen die Herausgabe gewehrt hatte. Das Argument, die Klägerin betreibe eine illegale «fishing expedition», verfing auch vor Bundesgericht nicht.

Es ging unter anderem um die Frage, ob die Bestimmung des Obligationenrechts über die Rechenschaftsablegung auf die vertragliche Beziehung zwischen der Revisionsstelle und der geprüften Gesellschaft anwendbar ist. Demnach ist der Beauftragte schuldig, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grunde zugekommen ist, zu erstatten. EY Schweiz unterlag auch mit der mit einem Privatgutachten untermauerten Auffassung, wonach eine weitere Bestimmung des Obligationenrechts keine Grundlage für eine über die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht hinausgehende Rechenschafts- und Herausgabepflicht bilde.

EY Schweiz wurden die Gerichtskosten von 25'000 Franken auferlegt. Zudem muss der Wirtschaftsprüfer die erfolgreiche Klägerin mit 30'000 Franken für das bundesgerichtliche Verfahren entschädigen. Auf Anfrage erklärte EY Schweiz, man habe den Entscheid des Bundesgerichts zur Kenntnis genommen, der sich auf die Herausgabe von Arbeitspapieren beziehe. «Wir werden uns an dieses Urteil halten», erklärte ein Sprecher. Die Frage nach Rückstellungen für den Rechtsstreit beantwortete er nicht. Für die siegreiche Klägerin, die unter anderem von der Anwaltskanzlei Quinn Emanuel mit dem früheren Novartis-Chefjuristen und HSG-Professor Thomas Werlen vertreten wird, geht es nun darum, die Unterlagen der Zeromax mit Blick auf eine Schadenersatzklage auszuwerten.

Ein grosser Player im usbekischen Aussenhandel

Bei der Zeromax handelt es sich um ein ursprünglich im US-Teilstaat Delaware gegründetes Unternehmen, das seinen Sitz im Jahr 2005 nach Baar im Kanton Zug verlegte. Die unscheinbare, mit 20'000 Franken Minimalkapital ausgestattete GmbH spielte eine zentrale Rolle im Aussenhandel Usbekistans, namentlich im Geschäft mit Erdöl und Erdgas. Die Zeromax hatte Niederlassungen in Usbekistan, Russland, Kasachstan und der Ukraine. Am 12. August 2010 reichte die Zeromax beim Kantonsgericht Zug eine Überschuldungsanzeige ein. Die deponierte Bilanz wies Aktiven von rund 2,56 Milliarden Dollar und Verbindlichkeiten von 4,12 Milliarden Dollar auf. Das Kantonsgericht Zug eröffnete am 13. August 2010 den Konkurs über die Zeromax und fand nur noch Aktiven im konkursamtlichen Schätzwert von 6,6 Millionen Franken vor.

Brasiliens Starfussballer Rivaldo unter den Gläubigern

191 Gläubiger meldeten Forderungen von 5,6 Milliarden Franken an – eine Summe, die in der Schweiz bisher nur im Nachlassverfahren der Swissair übertroffen wurde. Das Gläubigerverzeichnis reicht von der Putzfirma in Steinhausen (ZG) über deutsche KMU, die an der Innenausstattung des 2009 eröffneten Kongresspalasts in Taschkent beteiligt waren, bis zu Firmen der usbekischen Öl- und Gasindustrie und einem russischen Pipeline-Konsortium. Mit 22,7 Millionen Franken figuriert auch der brasilianische Fussballstar Rivaldo auf der Liste. Er war 2008 vom Fussballclub Bunyodkor Taschkent engagiert worden und war auf der Zeromax-Payroll. Mit 6‘692,70 Franken einen vergleichsweise bescheidenen Betrag meldete die Prüfgesellschaft EY an, und zwar für die Periode vom 15. Juni bis zum 30. August 2010, also unmittelbar vor der Konkurseröffnung. Am 10. Januar 2020 trat die ausseramtliche Konkursverwaltung die Forderung gegenüber EY für zwei Millionen Franken an die Piodina AG ab.

Welche Rolle spielte Gulnara Karimowa bei Zeromax?

Die Zeromax-Konkursmasse hatte versucht, an Gelder heranzukommen, die im Strafverfahrens gegen Gulnara Karimowa in der Schweiz gesperrt sind. Zentraler Streitpunkt war hier die Frage, welche Rolle die Usbekin bei der Zeromax spielte. Karimowa sei die faktische Geschäftsführerin gewesen, argumentiere die Konkursmasse und berief sich unter anderem auf Aussagen eines früheren Assistenten der Usbekin vor einem US-Gericht. Trotz prominenter Vertretung durch den Zürcher Strafrechtsprofessor und SP-Ständerat Daniel Jositsch blitzte die Konkursmasse aber bei der Bundesanwaltschaft und beim Bundesstrafgericht ab. Im März 2000 scheiterte vor dem Bundesstrafgericht auch der Versuch der Konkursmasse, im Strafverfahren gegen Karimowa wieder als Privatklägerin zugelassen zu werden. Noch hängig ist zurzeit die Staatshaftungsklage einer Gläubigergruppe gegen die Eidgenossenschaft.

Karimowa selber bestritt stets, bei Zeromax eine Rolle gespielt zu haben. Zeromax-Zahlungen für wertvollen Schmuck, der in Karimowas Schrankfach bei der Genfer Bank Lombard Odier beschlagnahmt wurde, sowie Überweisungen an Off-Shore-Firmen, die nach Erkenntnis der Strafverfolgungsbehörden als Vehikel für das Waschen von Korruptionsgeldern dienten, wecken allerdings Zweifel, ob die Usbekin blosse Geschäftspartnerin von Zeromax gewesen war. Die 53-jährige ehemalige UNO-Diplomatin sitzt zurzeit eine langjährige Freiheitsstrafe in Usbekistan ab.

Einst als designierte Nachfolgerin ihres Vaters und als «Prinzessin» bezeichnet, fiel sie 2014 bei ihrer Familie in Ungnade und wurde inhaftiert – unter willkürlichen Bedingungen, wie ein UNO-Gremium kürzlich feststellte. Die Bundesanwaltschaft hat Karimowa im Herbst 2023 wegen schwerer Geldwäscherei und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation angeklagt. Noch hat das Bundesstrafgericht aber keinen Prozesstermin festgelegt, sondern nach einer ungewöhnlichen Auslandsmission mit einer Befragung in Usbekistan beschlossen, das Verfahren gegen die Usbekin mit dem Fall gegen die Genfer Privatbank Lombard Odier zusammenzulegen.

Verfahren um Zahlungen von Rieter seit bald drei Jahren blockiert

Um einen Beifang des Karimowa-Verfahrens geht es schliesslich bei mutmasslichen Schmiergeldzahlungen des Winterthurer Textilmaschinenkonzerns Rieter in Usbekistan. Und zwar stiess die Bundesanwaltschaft auf eine Zahlung von Rieter, bei der kein wirtschaftlicher Sinn erkennbar war, an eine Firma, an der Karimowa berechtigt war. Das 2018 eröffnete Strafverfahren der Bundesanwaltschaft gegen Unbekannt ist nach wie vor blockiert, weil das Zwangsmassnahmengericht Bern seit Ende 2022 auf Geheiss des Bundesgerichts einen neuen Entscheid über die Entsiegelung der bei Rieter beschlagnahmen Unterlagen fällen muss.

(Urteil 4A_477/2024 des Bundesgerichts vom 14.7.25)

MEHR ZUM THEMA


Im spekatkulären Fall Gulnara Karimowa ist auch Lombard Odier ins Visier der Strafermittler geraten

Die Bundesanwaltschaft erhebt nach 10 Jahren Anklage gegen die Tochter des usbekischen Ex-Präsidenten. Sie soll eine kriminelle Organisation aufgebaut haben.
29. September 2023