Amazon, Walmart, PayPal und Donald Trumps World Liberty Financial haben schon einen emittiert. Nun hat auch der Finanzdienstleister Klarna die Ausgabe eines eigenen Stablecoins angekündigt. Mittlerweile haben schon zahlreiche globale Unternehmen ihre «individuelle» Währung im Umlauf. Das vorrangige Ziel dieser Anbieter ist es, die geschätzten Transaktionsgebühren in Höhe von 120 Milliarden Dollar zu senken, die jährlich durch grenzüberschreitende Zahlungen anfallen. Das soll insbesondere dadurch geschehen, dass Intermediäre und das Netzwerk der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications (SWIFT) umgangen werden.
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Der schwedische Fintech-Konzern ist aber die erste Bank, die einen Stablecoin emittieren wird. Die Coin soll 2026 auf den Markt kommen. Mit 114 Millionen Kunden und einem jährlichen umgesetzten Bruttowarenwert von 112 Milliarden Dollar verfügt Klarna über die Grösse, um im globalen Zahlungsverkehr eine Veränderung einzuleiten. Erstaunlicherweise gab sich der CEO und Mitgründer von Klarna, Sebastian Siemiatkowski, lange als vehementer Gegner von Kryptowährungen. Die Vorteile liegen aber auf der Hand: Im Gegensatz zum traditionellen Bankwesen, das durch Geschäftszeiten und hohe Vermittlungsgebühren verlangsamt wird, ermöglichen Stablecoins nahezu sofortige, kostengünstige grenzüberschreitende Zahlungen, die bis zu 99 Prozent schneller und 90 Prozent günstiger sind.
Schweden emittieren Dollar
Der Klarna-Stablecoin, der auf Dollar lautet, basiert auf Open Issuance von Bridge, einer Stablecoin-Plattform, die vor einem Jahr von Stripe für 1,1 Milliarden Dollar übernommen wurde. Das Ganze läuft über die Venture-Blockchain Tempo von Stripe und Paradigma, die erst im September eingeführt wurde. Diese Blockchain wurde unter Mitwirkung von Unternehmen wie Anthropic, OpenAI, Revolut, Visa und Standard Chartered entwickelt, um die bestehende Kryptoinfrastruktur zu ergänzen.
«Die Ankündigung ist strategisch hochinteressant. Klarna ist primär ein Payment-Anbieter mit Banklizenz, kein Händler wie Amazon oder Walmart», sagt Markus Fehn, Leiter der Strategie- und Innovationsabteilung bei Chartered Investment. Bemerkenswert sei, dass Klarna in Schweden beheimatet sei, zunächst aber einen Dollar-Stablecoin in Kooperation mit den US-Unternehmen Stripe und Bridge plane. «Das unterstreicht den internationalen Fokus und die Ausrichtung auf grosse Zahlungsströme», so Fehn.
Was Bridge bisher erfolgreich gemacht habe, könnte nun auch Klarna nutzen: Zahlungen über eine Stablecoin-Brücke – von Fiat-Währung A in Klarna-Dollar und dann in Fiat-Währung B. «Für den Kunden bleibt dabei alles wie bisher – keine Interaktion mit dem Stablecoin. Die Transformation passiere im Hintergrund: Klarna könnte intern alle Transaktionen in KlarnaUSD buchen und nur die benötigten Mengen Fiat für den jeweiligen Markt zurücktauschen», erklärt der Chartered-Investment-Experte. Das bringe grosse Einsparungen bei Währungsabsicherung und Gebühren und ermögliche schnellere grenzüberschreitende Zahlungen.
Tether und Circle dominieren noch
Dabei ist Klarna aber keineswegs ein Vorreiter, sondern eher der verspätete Gast auf der Party. Mittlerweile sind mehrere Hundert Stablecoins im Umlauf. Dominiert wird der Bereich von den «unabhängigen» Coins von Tether und Circle. Paypal, Stripe, Amazon, Walmart und viele andere haben jedoch bereits seit längerem Stablecoins im Einsatz. Auch Web-Konzerne wie Meta arbeiten mit digitalen Währungen. Die ehemalige Facebook prüft den Einsatz von Stablecoins, um Content-Ersteller schneller und effizienter zu bezahlen.
Mastercard ist eine Partnerschaft mit MoonPay eingegangen, um Nutzern die Möglichkeit zu geben, Stablecoins über Mastercard-Karten bei über 150 Millionen Händlern auszugeben, wobei Kryptowährungen in Echtzeit in Fiat-Währungen umgewandelt werden. Unterdessen testet Visa Stablecoin-Abrechnungen auf Solana. Auch die traditionellen Banken verschliessen sich dem Trend nicht: ING und Bank of America erproben Stablecoins. Denn es ist offensichtlich, dass gerade im Internet-Handel der Stablecoin grosse Bedeutung gewinnen wird.
Wo ist der Nutzen?
Ist diese Flut von Stablecoins für die Anwender sinnvoll? «Aus Kundensicht wäre ein einziger digitaler Schweizer Franken oder Dollar wünschenswert. Man stelle sich vor – man steht an der Kasse und muss sich zuerst überlegen, mit welcher digitalen Währung gezahlt werden kann und ob man noch genug davon in seiner digitalen Wallet hat», sagt Gregor von Bergen, Head of Payments, Cards & Digital Assets, beim Beratungsunternehmen Capco. Das wäre umständlich für den Kunden und würde die Kaufabwicklung verlangsamen.
Aus Sicht der Nutzer bringt eine weitere Fragmentierung – also zusätzliche Unternehmenswährungen – gemäss Markus Fehn zunächst keinen echten Mehrwert. «Auch bei festem Wechselkurs entstehen technische Hürden und zusätzliche Komplexität. Was für Unternehmen ein Vorteil ist, etwa stärkere Kundenbindung, kann für Nutzer schnell lästig werden», fügt er an. Akzeptanz werde es nur geben, wenn Unternehmen echte Anreize bieten.
Aus Sicht der Unternehmen kann die Einführung eigener Unternehmens-Stablecoins gemäss Fehn strategisch sinnvoll sein, um die Kundenbindung zu stärken, Zahlungsprozesse zu optimieren und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. «Unternehmen könnten Loyalty-Programme mit programmierbarem Geld verknüpfen und Transaktionskosten senken. In Teilen könnten diese Vorteile auch beim Kunden ankommen», ergänzt der Experte.
Liquidität unmittelbar vorhanden
Aus Händlersicht sind derartige Coins gemäss von Bergen eine interessante Option. Die Tokenisierung einer eigenen Digitalwährung sei heute mit geringen Mitteln machbar - Integration in Kassensysteme stehe in den Startlöchern und sei im Distanzgeschäft schon länger nutzbar. Schnelle Erfolge seien bei multinationalen Konzernen ausserdem in Cross-border- Transaktionen respektive im eigenen Treasury zu erzielen. «Ferner wirkt sich eine Kostenreduktion im Zahlungsprozess des Detailhandels, in dem die Margen zwischen 2 bis 3 Prozent betragen, schnell deutlich auf das Endergebnis aus», sagt von Bergen.
Doch Stablecoin-Zahlungen stecken noch in den Kinderschuhen. «In einem ersten Schritt wird man mit dem Projekt die Kosten für die Finanzströme innerhalb der Organisation senken», sagt von Bergen. Grösster und wichtigster Vorteil wäre sicherlich die Kostenreduktion bei Transaktionen im Acquiring von heutigen Zahlungsarten. Eine Zahlung mit digitalen Währungen sei deutlich günstiger als heutige Kartengebühren. Hinzu kommt die 24/7-Abwicklung, die erst heute mit Instant Payments in der Schweiz funktioniert.
Das gilt gemäss dem Capco-Experte auch bei Twint. Bei Digitalwährungen ist dies anders. Der Betrag wird sofort abgewickelt und die Liquidität steht dem Unternehmen zur Verfügung. Ein weiterer Vorteil für den Händler ist es laut von Bergen auch, dass es zurzeit noch keine Widersprüche gibt: Wenn der Käufer also sein Geld zurückfordert, muss er direkt mit dem Händler in Kontakt treten und kann die Zahlung nicht über seine Bank beanstanden.
Gewöhnung und Tücken
Doch der Handel ist auf Banken- wie auf Händler-Seite noch kaum verbreitet. Es gibt erste Piloten wie in den Spar-Supermärkten. «An den Umgang mit Digitalwährungen müssen sich sowohl Konsumenten als auch Unternehmen erst gewöhnen», sagt von Bergen. Warnschüsse hinsichtlich möglicher Tücken gab es bereits – so wurden 300 Billionen Dollar in PayPal-Dollar digital fehlerhaft erstellt. Sicherlich gebe es heute auch noch zu wenige Fachexperten, die solche Systeme entwickeln, einführen und langfristig unterstützen können, fügt von Bergen an.
Die Flut von neuen Coins bringt aber auch ein weiteres Problem. Wie kompatibel sind diese Stablecoins, wo kann man sie tauschen oder werden sie einfach ein Franken oder ein Dollar sein und überall einsetzbar werden? «Die Kompatibilität der Stablecoins untereinander ist eines der grossen Themen, welches aktuell diskutiert wird», sagt von Bergen. Im Normalfall erfolgt der Wechsel momentan über eine Börse, und der Kunde macht einen Verlust, wenn er von einer zur anderen Digitalwährung wechselt. Aus diesem Grund gibt es gemäss Capco-Experte eine stark eingeschränkte Effizienz. Allerdings gibt es schon erste Unternehmen, die diesem Problem bewusst entgegenwirken. So zum Beispiel Revolut, die eine 1:1-Konversion zwischen Dollar und den Digitalwährungen von Tether (USDT) und Circle (USDC) garantiert.
Um die Effizienz zu steigern, brauche es im Markt Lösungen, die beispielsweise den Bezahlvorgang bei Walmart mit einem Amazon-Dollar direkt 1:1 im Bezahlprozess konvertieren, ohne dass der Kunde aktiv einen Währungswechsel macht. «Diese Möglichkeit gibt es heute allerdings noch nicht in der gewünschten Funktionalität», wendet von Bergen ein.
Die EZB tickt anders
Natürlich blicken nicht alle mit Freude auf die neuen Zahlungsmittel. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht ein zunehmendes Risiko durch Stablecoins für die Banken der Euro-Zone. Ein deutliches Wachstum dieser an eine Währung wie den Dollar gekoppelten Digital-Anlagen könnte wertvolle Einlagen von Privatkunden bei den Banken abziehen, warnt die Notenbank in einem Bericht zur Finanzstabilität. Dadurch würde eine wichtige Finanzierungsquelle für Banken schwinden und ihre Finanzierung insgesamt schwankungsanfälliger werden, heisst es von der EZB. Die EU hat zuletzt die Vorarbeiten für einen Central Bank Digital Currency (CBDC), einen digitalen Euro vorangetrieben.
«In keinem Markt der Welt existiert ein Umfeld, wo sowohl private Stablecoins als auch CBDC existieren», sagt Fehn. Daher könne die Frage, ob Unternehmens-Coins und digitales Notenbankgeld nebeneinander existieren und sich konkurrenzieren würden, nur theoretisch beantwortet werden. Zu beachten sei auch, dass die USA die Ausgabe von CBDC gesetzlich verboten hätten und vollständig auf private Stabelcoins setzen würden. Die EZB und der EU-Raum sind bislang der einzig grosse Wirtschaftsraum, der aktiv CBDC verfolgt und gleichzeitig bereits eine Gesetzgebung für private Stablecoins (MiCAR) besitzt.
Im Falle, dass die EZB den digitalen Euro einführt und unter der Annahme, dass weiterhin E-Geld in Euro existieren wird, würden diese gemäss Fehn parallel existieren. In diesem Fall hält er diese zwei Szenarien für wahrscheinlich: Erstens: ein privater Stablecoin würde einen Konkurrenztest gegen eine von der Zentralbank ausgegebene digitale Währung nicht bestehen. Zweitens: der aktuelle Umfang des digitalen Euros limitiert digitales Geld für Endkunden auf maximal 3000 Euro. Die Welt sei allerdings grösser – diese Lücke werden private Stablecoins füllen. «Das ist ein klares Indiz für das Argument, dass es sich um komplementäre Instrumente handelt», ergänzt Fehn.
Die Schweiz in der Vernehmlassung
Anders als die EU hat sich die Schweiz dafür entschieden, keinen Retail CBDC auszugeben als Konkurrent für einen Schweizer Stablecoin oder Buchgeld-Token. «Insofern kann man in den nächsten Monaten beobachten, welcher digitale Franken die Gunst der Konsumenten in welchem Bereich erhält», sagt von Bergen. Ist es der Versuch einer Bank, wie der Pilot der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) oder wird es ein zentraler (Swiss Stablecoin AG) oder dezentraler Stablecoin (Frankencoin) sein?
In der Schweiz hat die Finanzmarktaufsicht (Finma) schon über die vergangenen Jahre mit ihren Zirkularen die Anforderungen an Digitalwährungen konkretisiert. Neu wird der Bereich durch den Bundesrat seit dem 22. Oktober mit der Revision des Bundesgesetzes für Finanzinstitute (Finig) in Angriff genommen. «Es kann also erwartet werden, dass sich der rechtliche Rahmen für Stablecoins noch einmal schärft und eine grössere Rechtssicherheit auch für Händler und Banken geschaffen wird, die ein Stablecoin-Projekt angehen möchten», sagt von Bergen. Die Vernehmlassung dauert bis ins erste Quartal des nächsten Jahres. Dann sollten sich gemäss Capco-Experte erste Tendenzen abzeichnen, wohin der Weg bei dem Thema gehe und ob es zukünftig einen Coop oder Migros Schweizer Franken geben werde.
«Absehbar ist, dass in Zukunft nur jene Stablecoins von Relevanz sein werden, die regulatorisch auch als E-Geld eingestuft werden», fasst Fehn zusammen. Den gesetzlichen Rahmen geben entweder MiCAR (EU) oder der Genius Act (USA) vor. Beide verlangen vollständige Reservedeckung, externe Audits und strengen Schutz vor Geldwäscherei und ebensolche Kundenidentifizierungs-Prozesse. Diese Anforderungen auf Dauer zuverlässig zufriedenzustellen, sei ohnehin nur für wenige Global Player realistisch.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Neue Anlageprodukte treiben Ripple
Der Transaktionstoken Ripple (XRP) legte am Montag 9 Prozent zu. Dies war die Reaktion auf den Start des Grayscale und des Franklin Templeton Spot-ETF. Die beiden Asset Manager schlossen sich damit Canary Capital und Bitwise an, die gleichartige Produkte bereits eine Woche zuvor lanciert. Bitwise berichtete von anfänglichen Zuflüssen in Höhe von 100 Millionen Dollar. Diese Welle von Ripple-ETF markiert einen Wendepunkt. Mit der Einigung zwischen Ripple und der Börsenaufsicht SEC Anfang 2025 verschwand der rechtliche Unsicherheitsfaktor. Insbesondere das Engagement von Franklin Templeton mit verwalteten Vermögen von 1,69 Billionen Dollar dürfte das Standing von XRP bei institutionellen Anlegern markant verbessern. XRP läuft auf dem dezentralen XRP-Ledger, der für eine schnelle Zahlungsabwicklung konzipiert ist. Das Konsenssystem gilt als energieeffizient und wickelt Transaktionen in drei bis fünf Sekunden zu tiefsten Gebühren ab. Diese Eigenschaften ziehen Institutionen an, die nach Alternativen zu Swift und traditionellen, grenzüberschreitenden Zahlungssystemen suchen.
Was machen die Wale?
In der jüngsten Kursschwäche des Bitcoins tauchte eine Begründung immer wieder auf: «Die Wale verkaufen grosse Teile ihrer Bestände.» Als Whales werden Wallets mit Beständen zwischen 1000 und 10'000 Bitcoin bezeichnet. Hier geht es zum Artikel.

