Nick Hayek zum CS-Kollaps
Namhafte Schweizer Industrielle haben wohl eine Beteiligung an der Credit Suisse erwogen. Mit dabei AMAG, Schindler, EMS, Stadler, Lindt & Sprüngli und Swatch Group. +++ Dazu äussert sich Uhrenpatron Hayek zum 9-Milliarden-Umsatzziel, zur «Scuba Fifty Fathoms», zum Ukraine-Krieg und der Rolle des Westens.
25. September 2023 • Beat Schmid

Der Chef der Swatch Group findet es zwar «die beste Lösung, dass die UBS die CS schlussendlich übernommen hat». Da sie mit dieser «schwachen Führung den Spekulanten zum Opfer gefallen» wäre. Trotzdem hätte er es gerne gesehen, wenn «man die Schweizer Credit Suisse an die Börse gebracht hätte».

Wie Nick Hayek im Interview mit dem SonntagsBlick andeutet, hätte die UBS «30, 40 Prozent behalten können, Schweizer Industrielle wie AMAG, Schindler, EMS, Stadler, Lindt & Sprüngli und Swatch Group hätten sich vielleicht auch daran beteiligt im Sinn von: “Okay, wir nehmen eine Tranche von fünf, sechs, sieben Prozent. Alle gemeinsam”».

Laut Hayek hätte das «viel Vertrauen und Sympathien» geschaffen gegenüber dem Schweizer Publikum – und die UBS «hätte mit dem IPO Geld verdient, aber weiterhin eine ungefährliche Bank gehabt, die sie hätte kontrollieren können». Der Swatch-CEO ging nicht darauf ein, warum es nicht dazu gekommen ist oder wie die Gespräche verlaufen sind.

Offene Türen für Player aus dem Ausland

Dass die UBS die CS nun vollständig einverleibt, hat Folgen für den grössten Uhrenkonzern der Schweiz. Hayek befürchtet, dass der Entscheid, den Brand Credit Suisse aufzugeben, die Türen öffnet für Player aus dem Ausland. «Wir brauchen mindestens zwei Banken», sagte er. Nach dem CS-Ende habe sein Unternehmen die Zusammenarbeit mit den Kantonalbanken ausgebaut, insbesondere mit der ZKB. «Jetzt werden wir sehr genau schauen, wie sich das entwickelt.»

Eine UBS, eine CS und eine Zürcher Kantonalbank wäre eine attraktivere Lösung gewesen, sagte Hayek. Ob das überhaupt machbar gewesen wäre, das wisse er nicht, räumte er ein. «Wenn sich die Situation mit der ‘neuen’ UBS positiv entwickelt, dann bleibt es für uns bei zwei Banken. Sonst müssen wir überlegen, ob wir eine zusätzliche Bank brauchen – womöglich aus dem Ausland.»

Eine ZKB könnte fast alles, was die CS gemacht habe. Genauso eine HSBC oder eine BNP Paribas. «Wir finden immer eine Bank. Aber wenn die UBS die CS in der Schweiz hätte bestehen lassen, wäre es für die ausländischen Banken wahrscheinlich schwieriger, hier Fuss zu fassen.»


Worüber sich Nick Hayek im Interview weiter äusserte. Hier die wichtigsten Punkte:

Zur Kooperation von Swatch mit Omega und Blancpain

«Überwältigend. Der riesige Erfolg weltweit, den wir seit März 2022 mit der Moonswatch haben, setzt sich auch mit der Scuba Fifty Fathoms fort. Ob in Japan, Amerika, Australien, China oder in der Schweiz – überall ist die Nachfrage riesig. Ein nicht limitiertes Produkt, das über 1,5 Jahre im Mittelpunkt des Interesses von so vielen Menschen steht, ist einmalig. Die ganze Schweiz kann auf diesen Erfolg stolz sein, denn vergessen wir nicht, die Swatch wird hier bei uns im Land hergestellt.»

Zur Kritik, die Swatch-Gruppe habe die Fokussierung auf das Luxussegment verschlafen

«Im Gegenteil. Die anderen Hersteller haben verschlafen, dass es neben dem Luxussegment noch andere Segmente gibt. Schauen Sie sich nur den phänomenalen Erfolg der Moonswatch und der Scuba Fifty Fathoms an. Die Schweizer Uhrenindustrie hat schon mal in den 70er-Jahren den Fehler gemacht, sich nur auf die teureren, hochpreisigen Segmente zu fokussieren – und ist in eine grosse Krise geraten. Die Swatch hat damals die Wende für die gesamte Industrie gebracht. Einige wenige Luxusmarken, so gross sie auch sein mögen, machen noch keine Schweizer Uhrenindustrie. Wir sollten nicht nur für eine Elite Produkte herstellen, sondern für alle.»

Zu Rolex, die Omega als Brand überholt hat

«Ja, das ist korrekt. Das war aber vor der grossen Uhrenkrise in den 70er-Jahren. Danach musste mein Vater Omega von nicht einmal 250 Millionen Franken Umsatz wieder zu dem machen, was sie heute ist: eine der innovativsten und bekanntesten Marken der Schweizer Uhrenindustrie. Omega macht heute ungefähr 2,5 Milliarden Franken Umsatz. Ja, Rolex macht sicherlich mehr, aber Grösse allein ist nicht ein Wert für sich. Die Schweiz ist ja auch nicht das grösste Land der Welt, und trotzdem ist sie sehr erfolgreich.»

Zum Umsatzziel von 9 Milliarden Franken für 2023

«Das hängt von der Entwicklung des Schweizer Frankens ab. In Lokalwährungen könnten wir den Rekordumsatz erreichen. Schauen Sie sich unser Halbjahresresultat an. Dort haben wir einen Rekordumsatz von 4,019 Milliarden Franken erzielt. Das ist 11,3 Prozent mehr als im Vorjahr, aber zu konstanten Wechselkursen sind wir um 18 Prozent gewachsen. Nehmen wir den Monatsumsatz von August: Bei etwas mehr als 700 Millionen Franken beträgt der Währungseinfluss rund 70 Millionen Franken. Ohne den negativen Währungseffekt wäre der Umsatz also über 770 Millionen Franken gewesen. Die negative Währungssituation ändert aber nichts am riesigen Potenzial, das wir mit unseren Marken auf der Welt haben.»

Zu den grössten Herausforderung der Schweiz

«Wichtig ist, dass die Schweiz ihre industrielle Stärke behält. Die Industrie, die grossen, mittleren oder kleinen Unternehmen garantieren zu einem grossen Teil den sozialen Frieden in diesem Land. Nicht Zürich oder Zug, wo die Banken und internationalen Konzerne sitzen. Produkte «Made in Switzerland» schaffen Identität. Wenn wir diese Produkte im Lauf der Jahre verschwinden lassen – auch wegen der Gier der Börse nach immer mehr Profit –, dann ist das nicht gut. Die Industriellen der Schweiz waren immer pragmatisch. Die Gewerkschaften auch. Wir konnten immer miteinander reden, weil wir weniger ideologisch sind und waren als die Franzosen und Deutschen, zum Beispiel. Wir müssen uns bewusst sein, wie wertvoll das ist.»

Zum Krieg in der Ukraine

«Die ganze Welt scheint nur noch ideologisch zu agieren. Nehmen wir den Krieg in der Ukraine. Wir alle wollen, dass dieser Konflikt aufhört. Jeden Tag sterben Menschen – egal auf welcher Seite. Früher hat man hinter den Kulissen mit Diplomatie versucht, eine Lösung zu finden. Heute kann man das nicht mehr, weil man sonst beschuldigt wird, Freiheit und Demokratie zu verraten. Überall wird der moralische Zeigefinger erhoben. In der Politik, in der Gesellschaft, überall. Das macht uns unfreier. Fortschritt verlangt nach pragmatischen Lösungen. Glauben Sie, dass es irgendjemandem weiterhilft, wenn die deutsche Aussenministerin sagt, Xi Jinping sei ein Diktator?»

Zur Rolle des Westens. Ist er überheblich?

«Und heuchlerisch, wie man bei den Sanktionen gegen Russland sieht. Man verhängt sie und macht hinter den Kulissen weiter Geschäfte. Die Amerikaner wiederum profitieren, weil sie jetzt Gas nach Europa liefern können. Saudi-Arabien ist auf einmal wohlgelittener Energielieferant. Man kann Sanktionen einführen, kein Problem. Aber es nützt nur etwas, wenn sich tatsächlich alle daran beteiligen, sonst sind es nur Lippenbekenntnisse.»

Das Interview mit Nick Hayek fand am Dienstag am Hauptsitz der Swatch Group in Biel statt. Das Gespräch, das der Autor mit einem Kollegen des SonntagsBlick führte, dauerte drei Stunden. Das gesamte Interview gibt es hier (Paywall).

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