Gerade wird die Resilienz des Bitcoins gepriesen. Obwohl sich die Krise in Nahost zwischen Israel und dem Iran verschärft hat, das Ende der «Zollferien» von Donald Trump naht und die Makroaussichten nicht rosig sind, hält sich die Ur-Kryptowährung solide über der 100’000-Dollar-Marke. Die Investoren preisen das «digitale Gold». Vergessen ist bereits der März, als der Bitcoin zusammen mit den Finanzmärkten als Reaktion auf den von den USA angezettelten globalen Handelskrieg auf Tauchstation ging und auf gegen 75'000 Dollar korrigierte.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Texas mit offizieller Bitcoin Reserve
• Afrika liegt bei der Blockchain vorn
Eine immer wichtigere Unterstützung kommt dabei aus den traditionellen Finanzmärkten. Dort werden Finanzprodukte (wie etwa ETP oder ETF) gehandelt, die den Kurs von Kryptowährungen eins-zu-eins abbilden – und über die entsprechenden Gegenwerte verfügen müssen. Doch noch mehr Popularität erhalten Unternehmen, die Bitcoin mit fremden Mitteln kaufen und auf die eigene Bilanz nehmen. Den Investoren ist dabei nicht klar, wie sich ihr Aktienengagement in Bitcoins übersetzt. Da mit Hebeln gearbeitet wird, bewegt sich der Aktienkurs noch stärker als die Krypto-Notierung. Für Anleger, die auf steigende Krypto-Notierungen setzen, erscheint das interessant – hohe Kursgewinne mit der vermeintlichen Stabilität des «traditionellen» Finanzmarktes.
Aufnahme in die passive Index-Welt
Der Vorreiter dieses Geschäftsmodells ist der US-Softwareanbieter MicroStrategy – der sich seit einigen Monaten nur noch Strategy nennt. Weil das traditionelle Geschäft mit Betriebssoftware kaum mehr Wachstum verspricht, setzt das von Michael Saylor gegründete Unternehmen alles auf die Karte Bitcoin. Mittlerweile führt das Unternehmen mehr als 592'000 Bitcoin in der Bilanz. Allein im laufenden Monat hat Strategy weitere 16'000 Coins hinzugekauft. Die Börse ist begeistert, der Aktienkurs hat seit vergangenem Oktober fast 160 Prozent zugelegt. Schon bald dürfte Strategy in den S&P-500-Index aufgenommen werden. Mit einem Schlag würden dann viele passive ETF-Anleger ohne ihr Wissen in den Bitcoin investieren. Mit dem Vorstoss von US-Präsident Donald Trump, eine strategische Bitcoin-Reserve auf nationaler Ebene zu etablieren, erhält die Strategie von Saylor ein staatliches Gütesiegel. Kein Wunder wollen zahlreiche Unternehmen auf der ganzen Welt diese Strategie kopieren.
In Japan ist es Metaplanet. Vor kurzem hat das Unternehmen über 1200 Coins erworben und dadurch den Bestand auf 12'345 Bitcoins erhöht. Damit überholen die Japaner Tesla, der Konzern von Elon Musk hält rund 11'500 Coins, und steigen zum siebtgrössten Bitcoin-Inhaber unter den Unternehmen auf. Metaplanet verfolgt eine aggressive Akquisitionsstrategie, die darauf abzielt, bis Ende 2027 über 201’000 Bitcoins anzuhäufen. Vor wenigen Tagen hat der Unternehmensvorstand einem Kapitaltransfer Höhe von fünf Milliarden Dollar an die eigene US-Tochtergesellschaft zugestimmt, um diese Mission zu unterstützen. In Europa möchte sich das französische Unternehmen The Blockchain Group zum Bitcoin-König aufschwingen. Das Unternehmen hat seinen Bestand bereits auf über 1‘700 Bitcoin aufgestockt.
Anstieg auf 330 Milliarden Dollar
Die Beschleunigung, mit der Unternehmen ihre Reserven in Bitcoin transferieren, signalisiert ein wachsendes Vertrauen in Kryptowährungen und eine zunehmende Verlagerung hin zu digitalen Vermögenswerten als Teil globaler Bilanzstrategien. Zahlreiche Unternehmen eifern Strategy und Metaplanet nach, etwa die japanische Nakamoto Holdings, Parataxis Holdings aus Südkorea oder K33 und Block Exchange aus Norwegen. Kürzlich hat SoftBank gemeinsam mit dem Stablecoin-Emittenten Tether und dem US-Broker Cantor Fitzgerald die Bitcoin-Investmentgesellschaft Twenty One Capital gegründet. Das anfängliche Investitionsvolumen, einschliesslich der Ausgabe von Wandelanleihen, beläuft sich auf 3,6 Milliarden Dollar.
Das Brokerhaus Bernstein prognostiziert, dass die kryptofreundlichen Vorschriften in den USA die Kauflaune von Corporate America anregen und dass das Volumen der Bitcoin-Käufe von Unternehmen bis Ende 2029 330 Milliarden US-Dollar erreichen könnte. Bernstein geht deshalb davon aus, dass wegen der zunehmenden Konkurrenz unter Unternehmen beim Horten von Bitcoin mit einem Angebotsdruck zu rechnen sei. Die Notierung der Kryptowährung könnte gemäss Broker bis Ende 2025 auf 200’000 Dollar steigen. Die Investmentbank Standard Chartered sieht den Bitcoin aus den gleichen Gründen bis Ende Jahr ebenfalls auf dieses Niveau klettern.
Entwicklung zum All-In-One-Dienstleister
Und die Idee des «Bitcoin-Unternehmens» wird weiterentwickelt. Der Bitcoin-Influencer Anthony «Pomp» Pompliano hat vor Kurzem die Gründung von ProCap Financial bekanntgegeben. Das Unternehmen will Bitcoin-Bilanzstrategien und institutionelle Krypto-Dienstleistungen verbinden. Durch den Kauf eines bereits kotierten Unternehmensmantels (Spac) entsteht ProCap Financial, die bis zu 1 Milliarde Dollar in der Bilanz halten soll. Dabei ist das neue Unternehmen solide finanziert, mit 500 Millionen Dollar Eigenkapital und 250 Millionen in Wandelanleihen. Unterstützt wird das Vorhaben von prominenten institutionellen Investoren wie Citadel, Susquehanna, Jane Street und Magnetar. ProCap Financial verfolgt einen breiten Geschäftsansatz: Ziel sei es, durch die Bitcoin-Bestände zusätzliche Einnahmen durch Kreditvergabe, Derivatgeschäfte und ähnliche Dienstleistungen zu generieren.
Doch ist das «Bitcoin-Horten» nur eine Gutwetterstrategie? Das Unternehmen gibt Aktien oder aktiengebundene Wertpapiere aus, um Bitcoin zu kaufen, wodurch der Preis von Bitcoin steigt, was wiederum die Bewertung des Unternehmens in die Höhe treibt. Dadurch kann es mehr Aktien ausgeben und den Zyklus wiederholen. Wenn dann noch der «Glaube» an den Unternehmensführer dazukommt, scheint es keine Grenzen zu geben. Michael Saylors Strategy wird zum doppelten Wert der zugrunde liegenden Bitcoin-Bestände gehandelt.
Die Gefahren zeigen sich
Bereits in der Korrekturphase Anfang Jahr haben sich die Gefahren der Strategie gezeigt. Mehrere Tage von Bitcoin-Rückschlägen in Folge führten zu einer noch deutlich höheren Einbusse im Unternehmenswert von Strategy. Noch funktioniert die Finanzierung von Wandelanleihen, mit einem hohen Wandelkurs, sowie Vorzugsaktien und das Unternehmen wird mit neuem Kapital versorgt. Wenn die Aktie mit einem Aufschlag zu den Bitcoin-Beständen gehandelt wird, lässt sich auch die Verzinsung der Wandelanleihen finanzieren. Aber dies setzt alles ein Umfeld von steigenden oder zumindest stabilen Bitcoin-Notierungen voraus.
Die kompromisslose Bitcoin-Strategie von Strategy und der hohe Bestand in den Händen eines einzelnen Unternehmens verschiebt die Machtverhältnisse nachhaltig. Die Finanzierung über Wandelanleihen und Vorzugsaktien und die damit verbundene Verwässerung bestehender Aktionärsanteile bergen erhebliche Risiken für Investoren, insbesondere weil zahlreiche Investoren Sammelklagen angestrengt haben und im ersten Quartal ein nicht realisierter Verlust von 5,9 Milliarden Dollar anfiel. Sollte der Bitcoin-Preis signifikant einbrechen oder die rechtlichen Probleme eskalieren, drohen gravierende Konsequenzen für das Unternehmen, seine Aktionäre und weitere Unternehmen mit Bitcoin-Bilanzen.
«Kein Modetrend»
«Immer mehr börsennotierte Unternehmen ersetzen Teile ihrer Cash-Reserven durch Bitcoin – nicht aus kurzfristiger Spekulation, sondern als strategischen Ersatz für Fiat-Vermögen», sagt Stefan Höchle, Head Investment Strategy bei Digital Asset Solutions. Das markiere keine Modeerscheinung, sondern eine neue Phase institutioneller Adoption. In diesen Fällen sei das Risiko einer direkten Aktienmarktkorrelation gering. «Kritischer wird es, wenn wie bei Strategy ein Leverage ins Spiel kommt: Dann entsteht eine doppelte Abhängigkeit – einerseits vom Bitcoin-Kurs, andererseits von der Fähigkeit, Schulden zu bedienen», fügt der Experte an.
In solchen Fällen liege das primäre Risiko nicht in der Aktie selbst, sondern in der Struktur und Tragfähigkeit der Finanzierung. Generell führe die zunehmende Integration in Treasury-Strategien dazu, dass Bitcoin eine breitere institutionelle Verankerung erfahre – und sich langfristig eher von Aktienmärkten entkoppeln dürfte, statt stärker mit ihnen zu korrelieren, glaubt Höchle.
Die US-Bank Charles Schwab wies in einer Analyse darauf hin, dass ein Unternehmen, das über bedeutende Krypto-Bestände verfügt, die plötzlich an Wert verlieren, in eine Liquiditätskrise geraten könnte. Standard Chartered schätzte, dass ein Rückgang des Bitcoin-Kurses unter 90’000 Dollar die Hälfte der Bitcoin-Bestände von Unternehmen unter Wasser setzen würde.
Das könnte die Unternehmen zwingen, Krypto-Bestände zu liquidieren. Je höher die Anzahl der Krypto-Treasury-Unternehmen, die ihre Bestände auf Pump finanziert haben, desto höher das Verkaufsvolumen bei Kursschwächen. Der Mechanismus, der zuvor den Bitcoin nach oben trieb, könnte zu einem Teufelskreis werden. Wie immer bei einer solchen ungesunden «Manie» wird es neben wenigen Profiteuren mit riesigen Gewinnen eine breite Masse an Verlierern geben. Das würde auch das Vertrauen in den Bitcoin erschüttern – obwohl das nichts mit dem Konzept der Kryptowährung zu tun hätte.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Texas mit offizieller Bitcoin Reserve
Viele Bundesstaaten sprechen davon, doch Texas macht ernst: Der Gouverneur Greg Abbott unterzeichnete das entsprechende Gesetz und machte den Lone-Star-State zum ersten US-Bundesstaat, der öffentliche Gelder für eine strategische Bitcoin-Reserve verwendet. Theoretisch sind auch Investments in andere Kryptowährungen vorgesehen. Doch das Gesetz schreibt eine Marktkapitalisierung von mindestens 500 Milliarden Dollar vor. Das erfüllt derzeit nur die Ur-Kryptowährung. Die Reserve soll als Inflationsschutz und finanzielles Diversifikationstool etabliert werden. Die Finanzierung erfolgt über einen speziellen Fonds, getrennt vom allgemeinen Haushalt. Gelder können aus Steuereinnahmen, Börsengewinnen, Spenden, Airdrops oder Forks stammen.
Afrika liegt bei der Blockchain vorn
Das Resultat des «African Blockchain Report 2024» des Zuger Blockchain-Investors CV VC mag überraschen. Der Bericht zeigt auf, dass auf dem Schwarzen Kontinent relativ mehr in die Blockchain investiert wird als in anderen Regionen. «Trotz des weltweiten Rückgangs von Investitionen konnte Afrika die Zahl der Blockchain-Transaktionen um 19 Prozent steigern, mehr als jede andere Region weltweit», heisst es im Report. In einer Mitteilung werden vier weitere zentrale Erkenntnisse der Erhebung angeführt: 7,4 Prozent des gesamten Risikokapital-Volumens in Afrika entfielen auf Blockchain-Projekte, mehr als doppelt so viel wie der weltweite Durchschnitt (3.2 Prozent); eine durchschnittliche Blockchain-Investition lag bei 2,6 Millionen Dollar, fast doppelt so hoch wie der Median über alle Sektoren hinweg; Finanzierungsrunden in der Frühphase machten 34 Prozent aller Blockchain-Investitionen in Afrika aus, was ein Indiz für aktives Gründertum ist; 28,3 Prozent der Mittel flossen in länderübergreifende Plattformen, vor allem in Infrastrukturen für digitale Finanz- und Logistiklösungen. Der Studienautor CV VC ist als Investor in mehreren afrikanischen Startups engagiert, betreibt Programme vor Ort und arbeitet mit öffentlichen wie privaten Partnern zusammen, insbesondere in Südafrika. Das globale Risikokapital beteilige sich aber noch zu wenig an Blockchain-Projekten in Afrika. Mit Blick auf Bevölkerung, Rohstoffe und Innovationskraft sei das ein Versäumnis, wird Mathias Ruch, CEO von CV VC, zitiert.