Digital Assets Briefing
Im allgemeinen politischen Radau ist untergegangen, dass der US-Regulator seine Einstellung zu Blockchain und DeFi um 180 Grad geändert hat. +++ Dazu: IPO des Stablecoin-Emittenten als Initialzündung? +++ Bitget ist Hauptsponsor des Crypto Jazz Festivals in Montreux.
13. Juni 2025 • Werner Grundlehner

Das Loblied, das Paul S. Atkins vor wenigen Tagen an einem Roundtable zum Thema «DeFi und der amerikanische Geist» auf die Blockchain-Industrie und DeFi-Anwendungen (decentralised finance) anstimmte, hätte vor einigen Monaten bei den Marktteilnehmern für schiere Ungläubigkeit gesorgt. Atkins wurde am 24. April als neuer SEC-Vorsitzender eingesetzt. Unter seinem Vorgänger Gary Gensler galt die Wertpapier- und Börsenaufsicht der USA (Securities and Exchange Commission) als krypto-feindlich.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• IPO des Stablecoin-Emittenten als Initialzündung?
• Bitget ist Hauptsponsor des Crypto Jazz Festivals in Montreux



Gensler argumentierte stets, dass «so gut wie alle Kryptowährungen als Wertpapiere eingestuft werden müssen». Ohne dass diese Einschätzung definitiv bestätigt wurde – die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) klassifizierte digitale Währungen meist als Rohstoffe – strengte Gensler zahlreiche Klagen gegen Kryptobörsen und -dienstleister an, wegen Wertschriftenhandel ohne entsprechende Zulassung. Diese Klagen wurden mittlerweile grösstenteils sistiert.

«Amerikanische Werte in DeFi verankert»

Unter Atkins geht es um mehr als nur um eingestellte Klagen. Es eröffnen sich für die Industrie ganz neue Perspektiven. Am eingangs erwähnten Roundtable argumentiert der neue SEC-Chairman, die amerikanischen Werte der wirtschaftlichen Freiheit, der privaten Eigentumsrechte und der Innovation seien in der DNA der DeFi-Bewegung verankert. Blockchains seien eine kreative und potenziell revolutionäre Innovation, die die SEC veranlasse, den Nachweis von Eigentumsrechten und die Übertragung von geistigem und wirtschaftlichem Eigentum zu überdenken.

«Die vorherige US-Regierung hat die Amerikaner davon abgehalten, an diesen marktbasierten Systemen teilzunehmen, indem sie durch Klagen, Reden, Vorschriften und drohende Regulierungsmassnahmen geltend machte, dass Teilnehmer und Staking-as-a-Service-Anbieter möglicherweise Wertpapiertransaktionen tätigen», so Atkins weiter.

Nicht im Geltungsbereich der SEC

Er sei den Mitarbeitenden der Abteilung für Unternehmensfinanzierung dankbar, dass sie klargestellt hätten, dass die freiwillige Teilnahme an einem Proof-of-Work- oder Proof-of-Stake-Netzwerk als Miner, Validator oder Staking-as-a-Service-Anbieter nicht in den Geltungsbereich der Bundeswertpapiergesetze falle, hielt Atkins fest. Der SEC-Chairman stellte aber klar, dass es sich dabei nicht um eine ordnungsgemäss verkündete Vorschrift mit Gesetzeskraft handle. Die SEC müsse nun eine Verordnung auf der Grundlage der ihr vom Kongress übertragenen Befugnisse erlassen.

Fast mehr überrascht als von den Statements des als «Krypto-Freund» bekannten Atkins waren Marktbeobachter vom milden Ton von Caroline A. Crenshaw, einer bisher vehementen Krypto-Kritikerin und letzten Vertreterin der demokratischen Partei in der Behörde. Zwar hob sie mehrmals den Warnfinger, aber es ist keine fundamentale Ablehnung mehr. «Bei so komplexen Themen und so hohen Einsätzen ist es besser, es richtig zu machen als schnell. Wir müssen uns mit den schwierigen Fragen im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Prozesses der formellen Regelsetzung auseinandersetzen», mahnt Crenshaw an.

Der Chairman zeigt seine Kenntnisse

«Selten äussern sich Leiter von Regulierungsbehörden so deutlich gegenüber einer neuen Technologie. Der neue Vorsitzende der SEC kann die erheblichen Effizienzgewinne dezentralisierter Applikationen eindrücklich aufzählen und unterstreicht damit seine fundamentale Kenntnis der Blockchain. Das dürfte der Agentur helfen, innovationsfreundliche und technologiegerechte Leitlinien festzulegen», sagt dazu Leon Curti, Leiter Research bei Digital Asset Solution.

Der Fokus auf das Potenzial dieser Technologie statt endlosen Philosophierens über die Risiken ist gemäss Curti «sehr amerikanisch». Durch ihr Motto «move fast and break things» festigten die Vereinigten Staaten historisch ihre Position als führende Nation in diversen Branchen – insbesondere in Bezug auf Internettechnologie. «Bald haben sie auch bei digitalen Assets die Nase vorn», sagt Curti.

Ein neues Gesetz für «Klarheit»

Der Stimmungsumschwung bei der SEC ist aber nicht der einzige Grund, dass sich Krypto-Enthusiasten jüngst ihrem Ziel eines Finanzwesens ohne Intermediäre ein Stück näher sehen. Die viel gepriesene Dezentralisierung steht auch im Mittelpunkt eines 236-seitigen Gesetzentwurfs, des «Digital Asset Market Clarity Act, 2025», der in der vergangenen Woche von Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses eingebracht wurde. Damit soll das erste Regulierungssystem für Kryptowährungen in den USA geschaffen werden. Der Entwurf sieht weniger strenge Vorschriften für Blockchains und Blockchain-basierte Anwendungen vor, die der vorgeschlagenen Definition von Dezentralisierung entsprechen. Zudem werden sogenannte DeFi-Protokolle weitgehend von diesen Vorschriften ausgenommen.

Als sogenannter Marktstruktur-Gesetzentwurf befasst sich der Clarity Act mit einem langjährigen Kompetenzstreit zwischen der SEC und der CFTC. Beide Finanzaufsichtsbehörden haben versucht, die Zuständigkeit für die Kryptomärkte zu beanspruchen, indem sie Unternehmen verklagt haben, die angeblich gegen die Gesetze zur Regulierung von Finanzanlagen verstossen hatten. Dieser Kompetenzstreit hat viele US-Krypto-Akteure ins Ausland getrieben, wo die Regeln klarer und die Gefahr staatlicher Durchsetzungsmassnahmen geringer sind.

Rohstoffe, nicht Wertschriften

Mit der Kontrolle über den Kongress und das Weisse Haus drängen die Republikaner seit dem Amtsantritt von Donald Trump auf ein aktualisiertes Marktstrukturgesetz, das den Kryptowährungen besser entspricht. Digitale Vermögenswerte, die mit dem Betrieb von Blockchains und Blockchain-basierten Anwendungen «untrennbar verbunden» sind, gelten laut Clarity Act als digitale Rohstoffe.

Gemäss neuem Gesetzesentwurf würde die SEC den Erstverkauf von digitalen Rohstoffen, die als «Investmentverträge» verkauft werden, beaufsichtigen. Die CFTC würde den Sekundärverkauf digitaler Rohstoffe überwachen. Zentralisierte Emittenten digitaler Rohstoffe müssten der SEC und der Öffentlichkeit eine Vielzahl von Informationen über ihr Geschäft zur Verfügung stellen, darunter ihre Finanzen, Tokenomics, den geplanten Weg des Projekts zur Dezentralisierung und die wahrgenommenen Risiken. Die neue Regulation würde es Banken auch erleichtern, Kryptowährungen zu halten, und schafft neue Regeln für die Aufbewahrung dieser Währungen für Kundinnen und Kunden. Ausserdem schafft sie ein Recht auf Selbstverwahrung von Kryptowährungen.

Wenn traditionelle Wertpapiere abwandern…

Es sieht so aus, als ob die Dynamik in den US-Kryptomarkt zurückkäme. Der traditionelle Finanzmarkt zeigt, was es heisst, wenn eine Branche in den Vereinigten Staaten an Fahrt gewinnt und zum Investitionstrend wird. Durch die neuen Rahmenbedingungen könnte sich auch die Art und Weise, wie Investoren in Krypto investieren, verändern. Zukünftig stehen vielleicht nicht mehr traditionelle Finanzprodukte, die indirekt den Kursverlauf von Kryptowährungen abbilden, im Zentrum, sondern Direktanlagen in DeFi-Projekte und Blockchain-Unternehmen.

Doch es gibt zahlreiche Kritiken am «Clarity Act». Ein Kritikpunkt: Die Ausnahmeregelung für DeFi-Protokolle könnte den Handel mit traditionellen Wertpapieren über die Blockchain ohne Aufsicht durch die SEC ermöglichen. Zudem sei die Prüfung der «echten Dezentralisierung» zu vage – Unternehmen, die vor 2020 gegründet wurden, müssten weniger strenge Auflagen erfüllen. Viele ungenau definierte Punkte würden zudem zu anhaltenden Rechtsstreitigkeiten führen, was gemäss Kritikern die grossen Akteure, etwa Grossbanken, auf Kosten von Krypto-Startups ausnutzen würden.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


IPO des Stablecoin-Emittenten als Initialzündung?

Der Börsengang von Circle (CRCL) war ein voller Erfolg. Der Aktienwert des Emittenten des USD-Coins hat sich in wenigen Tagen mehr als verdoppelt. Der IPO-Kurs wurde auf 31 Dollar festgelegt. Am ersten Börsentag eröffneten die Aktien auf 69 und klettern teilweise auf über 100 Dollar und schlossen dann auf 69. Am Donnerstag notierte die Circle-Aktie über 112 Dollar und erreichte damit einen Börsenwert von rund 25 Milliarden Dollar. Die Stablecoins von Circle weisen gemäss coinmarketcap.com einen Wert von 61 Milliarden Dollar auf. Damit ist der USDC die Nummer zwei hinter Tether (155 Mrd. $).

Angeblich haben bekannte Investoren wie Ark Investment von Cathie Wood und BlackRock grosse Teile des IPO-Volumens übernommen. Circle-Mitgründer und CEO Jeremy Allaire sieht den Erfolg an der Aktienbörse als Vertrauensbeweis für seinen Stablecoin. Gegenüber Bloomberg erklärt er, die Welt habe bereits erkannt, dass Stablecoins gekommen seien, um zu bleiben. Viele Marktbeobachter sehen den Circle-Börsenerfolg als Initialzündung für eine IPO-Welle von Krypto-Unternehmen. «Nebst Circle sehen wir aktuell bei Krypto-Börsen das Interesse an einem Börsengang. In den vergangenen Tagen wurde insbesondere über Gemini und Bullish berichtet, die ebenfalls diesen Weg einschlagen wollen», sagt Gregor von Bergen, Head of Payments, Cards & Digital Assets, bei Capco. Es sei anzunehmen, dass dieser Trend sich mit der verbesserten regulatorischen Situation in Amerika noch fortsetzen werde, zumal die Euphorie um Circle gewaltig sei.

Neben der Kapitalbeschaffung für Wachstumsambitionen sorge ein Börsengang auch zu einem erhöhten Bekanntheitsgrad, was für die Krypto-Community langfristig wertvolle Effekte entfalten könne. Ein Börsengang in der traditionellen Welt hilft auch dem zugrundeliegenden Stablecoin. Mit dem neuen Mitteln können neue Anwendungsfälle für Stablecoins in Angriff genommen werden. Von Bergen führt hier den Zahlungsverkehr an. «Langfristig wirkt sich das vergrösserte Netzwerk positiv auf den Wert des Stablecoins aus.» Von den grossen Stablecoins komme momentan wahrscheinlich nur Tether für ein IPO in Frage, glaubt von Bergen. Aber: «Man bedenke den Gewinn von 4,5 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr. Es dürfte also bei Tether genug Liquidität vorhanden sein, um das Wachstum voranzutreiben». Circle dürfte damit vorerst das einzig kotierte Stablecoin-Unternehmen sein.

Vielleicht braucht es etwas mehr Zeit, um die «Börsengeschichte» von Circle einzuordnen. Manch einer mag sich bei diesem Börsendebüt an Coinbase erinnert fühlen. Auch die US-Krypto-Börse startete erfolgreich an der Wallstreet. Der Kurs kletterte rasch auf 430 Dollar, notiert aktuell jedoch auf rund 245 Dollar. Da muss nichts bedeuten, Coinbase ist nicht Circle. Aber die beiden Unternehmen verbindet eine enge Partnerschaft. Aus den Börsenunterlagen geht hervor, dass Coinbase rund 50 Prozent der Einnahmen von Circle für die Reserveverwaltung erhält.


Bitget ist Hauptsponsor des Crypto Jazz Festivals in Montreux

Der Kryptohandelsplatz und -dienstleister Bitget wird Hauptpartner des ersten Crypto Jazz Festivals, das vom 9. bis 12. Juli 2025 stattfinden wird. Diese neue Veranstaltung ist ein fester Bestandteil des renommierten Montreux Jazz Festivals, dem zweitgrössten Jazzfestival der Welt. Dabei geht es aber nicht, wie der Name vermuten lassen würde, um digitale Musik auf der Blockchain, vielmehr sollen sich bei diesem Festival «Krypto-Enthusiasten an Panels und Sonderveranstaltungen treffen, die bahnbrechende Technologie mit dem pulsierenden Puls der Live-Musik vereinen», wie es in der Pressemitteilung heisst. Während das grosse Jazzfestival jährlich rund 250'000 Besucher anzieht, soll das neue Krypto Jazz Festival 25'000 Krypto-Fans locken – bei freiem Eintritt.

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