Schwieriger Alleingang
Die Grossbank ist zu einem Preis zu haben, der attraktiv für eine grosse ausländische Bank ist. Doch ein Käufer muss sich beeilen.
30. November 2022 • Beat Schmid

Die Bank ist in einer Negativspirale gefangen, aus der sie mit eigener Kraft kaum mehr herausfinden kann. Die grosse Unsicherheit zeigt sich am Börsenkurs und den stark gestiegenen Ausfallprämien – der sogenannte CDS-Spread kletterte gestern erstmals über die Marke von 400 Punkten. Dieser Wert zeigt an, dass Anleihegläubiger inzwischen Rekordprämien zahlen müssen, um sich gegen einen Ausfall der Bank abzusichern.

Zudem herrscht Unklarheit darüber, wie die Credit Suisse in Zukunft Gewinne erwirtschaften soll. Gerade in der neuen Kerndisziplin, der internationalen Vermögensverwaltung, trüben sich die Perspektiven ein. Die Gefahr besteht, dass die Credit Suisse die Abflüsse nicht stoppen kann und dadurch die Privat-Banking-Abteilung massiv und nachhaltig Schaden nehmen könnte.

Mit jeder Milliarde, die die Kunden abziehen, verliert die Credit Suisse Erträge zwischen 5 und 8 Millionen Franken. In den sechs Wochen zwischen dem 1. Oktober und dem 11. November verlor die Bank 84 Milliarden Franken, wie sie letzte Woche bekanntgab. Das ergibt Ertragsausfälle von 400 bis 700 Millionen Franken pro Jahr.

Die Abflüsse sind das Ergebnis fehlenden Vertrauens

Die Abflüsse sind das Ergebnis fehlenden Vertrauens. Als die UBS 2008 in eine tiefe Vertrauenskrise geriet und wegen der Abflüsse Liquiditätsprobleme bekam, sprang die Eidgenossenschaft ein, um die Bank zu stabilisieren. Ein solcher Schritt scheint derzeit kein Thema zu sein, zumal mit der Too-Big-to-Fail-Regelung ein Instrument geschaffen wurde, um genau das zu verhindern.

Die nötige Stabilität könnte heute aber genauso gut eine grosse internationale Bank bieten. Würde eine Grossbank mit einer starken Bilanz aus den USA oder Europa auf den Plan treten, wäre die Blutung schnell gestoppt.

Beim aktuellen Aktienkurs winkt zudem die Aussicht auf ein gutes Geschäft. Aktuell ist die CS an der Börse mit 11,61 Milliarden Franken bewertet. Darin enthalten ist aber bereits die Kapitalerhöhung von vier Milliarden. Zum beschleunigten Kurssturz in den letzten Tagen sorgten unter anderem die neu herausgegebenen Bezugsrechte, welche die Aktionäre erhielten. Aber sofort wieder abgestossen haben.

Das zeigt: Viele Aktionäre wollen keine neuen Aktien der CS erwerben. Sie könnten somit bereit sein, ihre bestehenden Pakete einem Interessenten ohne hohen Aufpreis zu verkaufen. Kommt also ein weisser Ritter unter die Ecke gebogen, müsste dieser vielleicht ein Uptick von 10 Prozent auf den Tisch legen, um die Kontrolle zu übernehmen, sagt ein Kenner.

Ein Schnäppchen für 13 Milliarden

Damit würde ein Käufer für weniger als 13 Milliarden Franken eine Bank erhalten, die in den Büchern über 40 Milliarden Franken Vermögen hat. Das sogenannte Price-to-Book-Verhältnis ist diese Woche erstmals unter 20 Prozent gefallen. Der Aktienkurs im Verhältnis zum Buchwert war somit noch nie so tief wie jetzt. Man kann auch sagen: So krass unterbewertet war die CS noch nie.

Vor fünf Jahren lag dieser Wert bei 1,1. Das zeigt: Wer Geduld hat und einen Plan, könnte mit der CS mittelfristig eine gute Rendite erzielen. Wie viel Wert in der Bank steckt, zeigt sich im Schweizer Geschäft, das pro Jahr einen Vorsteuergewinn von etwa 2 Milliarden Franken erwirtschaftet. Bei einem Bewertungsfaktor von 10 kommt allein die Swiss Bank auf einen Wert von 20 Milliarden Franken.

Auf eine noch höhere Bewertung würde das Wealth Management kommen. Die CS ist hinter der UBS immer noch der zweitgrösste Vermögensverwalter der Welt. Doch die Zeit drängt, denn solange die Kunden Gelder abziehen, verliert diese Abteilung jeden Tag an Wert. Ein Käufer müsste also schnell reagieren, um die Werthaltigkeit der Franchise zu retten.

Ein weiteres Kaufargument: Die Schrumpfung der Investmentbank (IB) ist bereits eingeleitet. Die Verluste, die aus der Abwicklung entstehen, lassen sich jetzt besser abschätzen als noch vor einem halben Jahr. Die IB ist nicht mehr die riesige Black-Box, die sie lange war. Somit ist ein weiteres Hindernis für einen künftigen Käufer zumindest ein Stück weit aus dem Weg geräumt.

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