Banken sollen weniger melden
Im Kampf gegen die Flut von zweitklassigen Verdachtsmeldungen geht die Geldwäscherei-Meldestelle des Bundes neue Wege. Sie gibt den Banken Tipps, wann keine Anzeigen gemacht werden sollen. Das stösst auf Kritik.
25. September 2025 • Balz Bruppacher

«Negativtypologien» nennt sich die jüngste Publikation der Meldestelle des Bundes für Geldwäscherei (MROS). Auf 14 Seiten will die im Bundesamt für Polizei (Fedpol) angesiedelte Behörde die Finanzmarktateure anhand von Beispielen sensibilisieren, die Qualität ihrer Meldungen über Geldwäschereiverdacht zu verbessern und damit für mehr Effizienz in der Meldestelle zu sorgen. Das geht von Meldungen zu versuchten Kontoeröffnungen über die pauschale Nennung eines Twint-Kontos im Rahmen polizeilicher Abklärungen und die Nutzung von Kryptobörsen («Die Nutzung von Kryprowährungen ist per se nicht verdächtig») bis zur Meldung über «schwarze Kassen» und Börsendelikte ohne in der Schweiz kotierte Titel.

In all diesen Fällen rät die MROS ohne zusätzliche Abklärungen der Finanzintermediäre von Verdachtsmeldungen ab. Bei den «schwarzen Kassen» mit Blick auf Schmiergeldzahlungen heisst es zum Beispiel: «Erst wenn die Bestechungshandlung tatsächlich stattgefunden hat – insbesondere, wenn ein Zahlungseingang auf dem Konto des mutmasslich bestochenen Amtsträgers oder Funktionsträgers erfolgt – kann der Tatbestand einer Vortat erfüllt sein. In solchen Fällen kann beim kontoführenden Finanzintermediär ein begründeter Verdacht entstehen, dass Vermögenswerte deliktischer Herkunft vorliegen, wodurch die Meldepflicht ausgelöst wird.»

Hintergrund ist die massiv gestiegene Arbeitslast der MROS, auf die kürzlich auch die Eidgenössische Finanzkontrolle aufmerksam machte. Die Verdachtsmeldungen haben sich in den letzten fünf Jahren verdreifacht, auf 15‘141 Meldungen im Jahr 2024. Weil die nötige Aufstockung des Personals zur Bewältigung dieser Flut unrealistisch ist, wird nun die Einführung eines Gebührenmodells analog zur Finanzmarktaufsicht Finma geprüft. Mit der Veröffentlichung der Negativtypologien setzt die MROS parallel dazu bei der Qualität der Meldungen an.

Schuss ins Knie?

Schiesst sich die Meldestelle damit nicht ins Knie, indem sie der Branche Vorwände für die Unterlassung von Verdachtsmeldungen liefert? Bei der Meldestelle winkt man ab. Anton Brönnimann, Leiter der MROS, betont auf Anfrage es gehe in keiner Art und Weise darum, die Zahl der Verdachtsmeldungen zu senken. Ziel sei es vielmehr, die Qualität der Meldungen zu verbessern. «Es geht darum, dass die Finanzintermediäre wieder ihren Job machen», sagte Brönnimann. Die Negativtypologien seien auch kein Schutzschild, hinter dem sich die Branche verstecken könne. Der MROS-Chef weist ausserdem darauf hin, dass die Publikation in Absprache mit der Finanzmarktaufsicht Finma erfolge. Ähnliche Bestrebungen zur Verbesserung der Meldungsqualität gebe es auch auf internationaler Ebene.

In der Genfer Tageszeitung «Le Temps», die als erste über die Negativtypologie berichtete, äusserten sich Branchenvertreter allerdings kritisch. Das sei ein Desaster, denn nun wisse man nicht mehr, auf welchem Fuss man tanzen müsse, wird der Geldwäschereiexperte einer Westschweizer Bank zitiert. Das Finanzdepartement verfolge jene, die nicht oder zu spät meldeten. Die MROS sage, dass man gar nicht melden solle.

Die Finanzmarktaufsicht Finma wollte sich nicht zur Publikation der Negativtypologie äussern und verwies auf die MROS. Die Bundesanwaltschaft (BA) gab ebenfalls keinen Kommentar ab, betonte aber die sehr gute Zusammenarbeit mit der MROS. Die Zahl der von der Meldestelle an die BA weitergeleiteten Verdachtsmeldungen sei stabil. Der Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität und die Geldwäscherei sei weiterhin eine strategische Priorität der Bundesanwaltschaft.

Zuerst zu wenig, dann zu viel

Die Zahl und die Qualität der Meldungen ist in den vergangenen beiden Jahrzehnten kontrovers diskutiert worden. In den Nullerjahren gab es Kritik am zurückhaltenden Meldeverhalten. Die MROS verwies auf die hohe Qualität der Anzeigen und den hohen Anteil der Meldungen, die an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet wurden. Internationale Kritik an der geringen Zahl von Meldungen und eine deutliche Mahnung der Finma leiteten seit 2016 eine Wende ein. Inzwischen wird insofern ein geändertes Meldeverhalten der Finanzbranche beobachtet, als die Compliance-Verantwortlichen getreu dem Prinzip «cover your ass» zum Selbstschutz routinemässige Verdachtsmeldungen absetzen. In einem Drittel der Fälle fehlt zum Beispiel der Hinweis auf die Vortat zur Geldwäscherei.

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