Seit einer Woche sind mögliche Akquisitionsziele der UBS in aller Munde. Das Trump-nahe Boulevardblatt «New York Post», das nicht für Recherchen aus der Welt der Wall-Street-Banken bekannt ist, nannte zwei mögliche Übernahmekandidaten, mit denen die UBS im Gespräch sein soll: die Bank of New York und PNC Financial Services. Sie sind aktuell an der Börse mit 76,6 Milliarden und 80,9 Milliarden Dollar bewertet. Das ist enorm, angesichts der Kapitalisierung der UBS, die an der Börse mit 135 Milliarden Dollar bewertet ist.
Stefan Stalmann, Finanzanalyst von Autonomous, hält denn auch einen Kauf eines Konkurrenten in dieser Gewichtsklasse für sehr unwahrscheinlich, da diese Banken die Finanzkraft der UBS «einfach überstrapazieren» würden, wie er in einem Bericht letzte Woche schrieb. Hinzu kämen mangelnde strategische Überlappungen, etwa im Fall der im Retail- und Kommerzgeschäft aktiven PNC Financial Services.
Eine realistischere Option wäre ein Finanzunternehmen wie Raymond James, das aktuell mit 34,7 Milliarden Dollar bewertet ist. Allerdings ist er auch hier vorsichtig: «Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass selbst diese kleineren und strategisch attraktiveren Möglichkeiten für die UBS eine Herausforderung darstellen würden», schreibt Stalmann.
Ameriprise Financial
Derzeit zirkuliert ein weiterer Name in Finanzkreisen: Ameriprise Financial mit Sitz in Minneapolis. Mit einer Börsenbewertung von 46 Milliarden Dollar wäre das Unternehmen, das bis 2005 ein Geschäftsbereich von American Express war, teurer als Raymond James. Strategisch würde Ameriprise besser zur UBS passen, da es ebenfalls schwergewichtig in der Vermögensverwaltung aktiv ist.
Ähnlich wie die UBS in den USA arbeitet Ameriprise mit unabhängigen Brokern zusammen, hat aber auch festangestellte Kundenberater. Die Cost-Income-Ratio ist attraktiver als die der UBS, die praktisch ausschliesslich auf externe Berater setzt, was entsprechend teuer ist. Gerade letzte Woche wurde bekannt, dass die Einheit das Provisionsmodell nach oben anpassen musste, nachdem etliche Berater sich von der Bank abgewandt hatten.
Ameriprise betreibt darüber hinaus auch eine Bank, die First State Bank (FSB), die die üblichen Bankdienstleistungen anbietet. Bekannter ist der Asset-Management-Arm: Seit 2015 firmiert dieser Bereich unter der Marke Columbia Threadneedle. Der Manager verwaltet Vermögen in der Höhe von 608 Milliarden Dollar. Die gesamte Ameriprise-Gruppe verwaltet und administriert Kundenvermögen in der Höhe von 1,17 Billionen Dollar. 2024 wies der Konzern Erträge von 17 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 3,4 Milliarden Dollar aus. Die Bank nahm zu den Gerüchten keine Stellung.
Plan B oder Plan C
Derweil hält die Bank Wegzugsszenarien am Köcheln. Die UBS hat sich bis heute nicht klar dazu bekannt, am Schweizer Standort festhalten zu wollen. Sergio Ermotti sagte letzte Woche in einem Bloomberg-TV-Interview: «Wir wollen weiterhin als erfolgreiche globale Bank mit Sitz in der Schweiz tätig sein.» Es sei aber definitiv zu früh, um zu möglichen Szenarien und zu Reaktionen Stellung zu nehmen. Mit ihrer doppeldeutigen Kommunikation bezweckt die Bank, den Druck auf die Politik weiterhin hoch zu halten. Ob sie damit allerdings etwas erreicht, ist fraglich.
Denn eine Sitzverlegung in die USA ist und bleibt extrem unwahrscheinlich. Das sieht auch Analyst Stefan Stalmann von Autonomous so. Auf eine Zeile zusammengefasst lautet Stalmanns Urteil über das Wegzugszenario: «Not buying it» – das glauben wir nicht. «Die UBS könnte durchaus Optionen für einen Umzug in die USA prüfen, (...) aber wir glauben, dass dies ein Plan B oder C als Reaktion auf die sich ändernden Schweizer Kapitalanforderungen wäre», schreibt der Analyst. «Wir halten auch an unserer Ansicht fest, dass ein Umzug riskant und komplex wäre.»
Gemäss Autonomous würde ein Umzug in die USA viele neue Probleme schaffen. Stalmann geht in seiner Darstellung auf komplexe technische Finessen ein, die eine Standortverlagerung nicht sehr attraktiv erscheinen lassen. So könne die UBS nicht einfach ihren Holdingsitz nach New York verlegen. Sie müsste eine umfassende Umstrukturierung vornehmen und sogar Teile ihres Stammhauses sowie ihrer Tochtergesellschaften und Niederlassungen in die USA verlagern. Am Schluss wäre nichts gewonnen: «Leider könnte dies zu Kapitalfolgen führen, die den in der Schweiz vorgesehenen Massnahmen ähneln – nämlich den vollständigen Abzug ausländischer Tochtergesellschaften im Stammhaus.»
Neue Vorschriften akzeptieren
Analyst Stalmann ist der Ansicht, dass es für die Aktionäre besser wäre, wenn die UBS die vorgeschlagenen Vorschriften «akzeptiert und konsequent in den Modus der Risikobegrenzung übergeht» – anstatt die bislang verfolgte Strategie des «Ablehnens und Hinauszögerns» fortzuführen. Dies gelte umso mehr, wenn man die Risiken und Nebenwirkungen einer Verlagerung des Hauptsitzes oder teurer und strategisch fragwürdiger Übernahmetransaktionen hinzurechne.
Stefan Stalmann ist ein ebenso bekannter wie gefürchteter Finanzanalyst. Er war es, der als einer der Ersten auf das zu geringe Eigenkapital der Credit Suisse hingewiesen hatte. Dieses Loch war verantwortlich dafür, dass die CS ihre Tochtergesellschaften in den USA nicht abstossen konnte, weil im Stammhaus zu wenig Kapital zur Verfügung stand. Dieser Mangel wurde zu einem Hauptgrund für die Pleite der Bank.