Norwegen hat die Ethikrichtlinien seines Staatsfonds vorübergehend ausser Kraft gesetzt, um zu verhindern, dass der mit 2,1 Billionen Dollar schwere Staatsfonds gezwungen wird, seine Beteiligungen an Amazon, Microsoft und Alphabet zu veräussern.
Jens Stoltenberg, der frühere Nato-Generalsekretär und heute Finanzminister Norwegens, hat sich für die Sistierung eingesetzt, wie er gegenüber Financial Times betonte. Die US-Regierung von Donald Trump habe laut Stoltenberg Bedenken geäussert, nachdem der Fonds seine Anteile am Baumaschinenhersteller Caterpillar abgestossen hatte – dessen Bulldozer wurden in den palästinensischen Gebieten eingesetzt.
Die Mitte-links-Regierung in Oslo brachte am Dienstag im Schnellverfahren einen Beschluss durchs Parlament, mit dem die Arbeit des unabhängigen Ethikrats vorerst ausgesetzt wird. Der Ethikrat hatte geplant, in Kürze Technologieunternehmen wie Amazon, Microsoft und Google-Mutter Alphabet auf die Ausschlussliste zu nehmen, sowie weitere Firmen, die im Juli auf einer Blacklist der Vereinten Nationen aufgeführt wurden.
In dem Bericht der Uno-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese heisst es, die drei Tech-Konzerne gewährten Israel «praktisch regierungsweiten Zugang» zu ihren Cloud- und KI-Technologien – und stärkten damit die Datenverarbeitung, Entscheidungsfindung sowie Überwachungs- und Analysekapazitäten.
Laut Stoltenberg könnte das bestehende Regelwerk dazu führen, dass ein unabhängiges Gremium ein Divestment aus einigen der grössten Unternehmen der Welt empfiehlt. «Das würde den Zweck des Fonds untergraben – nämlich ein breit diversifiziertes globales Investmentportfolio zu sichern», sagte Stoltenberg.
Caterpillar machte den Anfang
Der Ölfonds stand in den vergangenen Monaten wegen seiner Engagements in Israel stark unter Druck. Unter politischem und öffentlichem Druck verkaufte er rund die Hälfte seiner israelischen Beteiligungen sowie seine Anteile an Caterpillar – vor dem Hintergrund des Kriegs im Gazastreifen.
Bisher empfahl der Ethikrat der Managementgesellschaft des Staatsfonds bei ethischen Bedenken, sich von Beteiligungen zu trennen. Die Zentralbank traf schliesslich die Entscheidung über einen möglichen Ausstieg.
Stoltenberg äusserte sich besorgt, dass der Rückzug aus einem der grossen US-Techkonzerne – die sieben grössten machen über 15 Prozent der Aktienanlagen des Fonds aus – den Indexcharakter des Fonds gefährden und damit die norwegische Wohlfahrt unterminieren könnte. Der Fonds finanziert rund ein Viertel des Staatsbudgets.
Investments in Atomwaffenhersteller
Der Vorschlag wurde nur dank der Unterstützung der beiden grössten rechten Oppositionsparteien angenommen. Politiker der Linken reagierten mit scharfer Kritik. «Das bedeutet, dass man als genügend grosses Unternehmen tun und lassen kann, was man will», sagte Arild Hermstad, Co-Präsident der Grünen, zur FT.
Andere Linkspolitiker fordern einen härteren Kurs. Norwegens Politik solle sich nicht von Donald Trump einschüchtern lassen. Ein Politiker sagte, die Regierung komme mit diesem Entscheid Trump und seinen Tech-Oligarchen entgegen – statt den eigenen Bürgerinnen und Bürgern und ihren Überzeigungen, nicht «in Völkermord zu investieren».
Der frühere Nato-Generalsekretär will die Ethikregeln neu schreiben. Er kündigte an, dass die bevorstehende Überprüfung der Ethikrichtlinien auch die Frage einbeziehen werde, ob der Fonds künftig in mehr Rüstungsunternehmen investieren dürfe. Bisher waren Konzerne wie Boeing, Airbus, BAE Systems und Lockheed Martin ausgeschlossen, da sie Komponenten für Atomwaffen herstellen.

