Ausschüttungspolitik
Zum zweiten Mal in Folge gibt es kein Geld aus der SNB-Kasse für die Kantone. Das wollen diese nicht auf sich sitzen lassen. Der SNB-Präsident begab sich in die Höhle des Löwen.
24. Januar 2024 • Beat Schmid

Am Dienstag reiste Thomas Jordan ins Wallis. Im Rahmen eines Raiffeisen-Finanzapéros in der Briger Simplonhalle stellte er sich der Kritik, den Kantonen kein Geld auszuschütten. Das Wallis erhielt in den Jahren 2020 und 2021 rund 160 Millionen Franken. Dass es dieses Jahr zum zweiten Mal kein Geld gibt, dagegen will man sich wehren. «Das Geld der SNB gehört dem Bund und den Kantonen», sagte Finanzdirektor Roberto Schmidt gegenüber dem «Walliser Boten».

Jordan entgegnete, es sei nicht Aufgabe der SNB, «Gewinne zu erwirtschaften». Gegenüber der Zeitung nahm er erstmals auch Stellung zur beissenden Kritik der Ökonomen des sogenannten «SNB Observatory». Diese hatten kürzlich in einem Kommentar geschrieben, dass sich die SNB mit einer Rückstellung für Währungsreserven von 113 Milliarden Franken Ausschüttungen problemlos leisten könne.

Jordan sagte dazu in einem schriftlich geführten Interview: «Ich gehe hier von einem fundamentalen Missverständnis über die finanzielle Situation der SNB und den Ausschüttungsmechanismus aus. Die Rückstellungen entsprechen dem angestrebten Eigenkapital am Ende eines bestimmten Jahres. Das effektive Eigenkapital der SNB beträgt heute aber nur rund 63 Milliarden Franken, bei einer Bilanzsumme von knapp 800 Milliarden Franken. Solange das effektive Eigenkapital kleiner ist als das angestrebte, bzw. solange wir eine negative Ausschüttungsreserve haben, darf die SNB keine Ausschüttungen vornehmen. Mit dem heutigen Eigenkapital wäre ein Verlust, wie wir ihn im Jahr 2022 erlebt haben, bei Weitem nicht mehr zu decken. Deshalb ist es in dieser Konstellation wichtig, dass die Nationalbank ihre Eigenkapitalbasis nicht durch Ausschüttungen schwächt.

Der Nationalbankpräsident wies auch die Kritik der renommierten Ökonomen zurück, die Rückstellungen würden willkürlich und ohne Begründung jedes Jahr um 10 Prozent erhöht.

«Auch hier besteht ein Missverständnis. Die Rückstellungspolitik ist in unserem Rechenschaftsbericht und in vielen Reden ausführlich und transparent erklärt. Die SNB bildet jährlich aufgrund der gesetzlichen Vorgaben Rückstellungen, zurzeit erhöhen wir die Rückstellungen jeweils um 10 Prozent. In den letzten 15 Jahren ist die Bilanz wegen der Devisenmarktinterventionen sehr stark gestiegen. Wir äufnen die Rückstellungen aber nur in kleinen Schritten und nicht im Ausmass der Bilanzausweitung. Die Höhe der Rückstellungen beträgt zurzeit rund 15 Prozent unserer Bilanz. Dies ist weder exzessiv noch willkürlich. Vielmehr ist diese Quote vor dem Hintergrund der hohen Risiken der Bilanz tief und sollte über die nächsten Jahre weiter erhöht werden. Gleichzeitig garantiert die Äufnung von Rückstellungen noch keine Erhöhung des Eigenkapitals. Dafür braucht es auch entsprechende Gewinne.»

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