Regulierungsdebatte
UBS-Chef Sergio Ermotti schlägt vor, dass die Finanzmarktaufsicht bei einer Grossbank bereits im Frühstadium einer Krise eingreifen soll. Doch verlangt er damit nicht ein wenig viel von der Berner Behörde?
7. Dezember 2023 • Beat Schmid

Der Fall der Credit Suisse sei ein einmaliges Ereignis gewesen, ein so genannter «idiosynkratischer Bankenzusammenbruch», der sich über längere Zeit abgezeichnet habe. Dies sagte UBS-Chef Sergio Ermotti vor einer Woche in einem Vortrag vor den Mitgliedern der Swiss Risk Association. In seinem Referat präsentierte er Ideen, wie die Schweiz künftig in einem vergleichbaren Fall reagieren sollte.

Er sagte es nicht, aber er meinte natürlich die UBS selbst, die inzwischen einzige global systemrelevante Bank in der Schweiz (G-SIF). Der UBS-Chef ist überzeugt, dass es keine «fundamentalen» Änderungen am Regelwerk braucht. Damit meint er: keine neuen, verschärften Eigenmittelvorschriften, keine erzwungene Reduktion der Bilanzsumme auf 400 Milliarden Franken, keine Aufspaltung der Bank, kein Verbot von Boni bei anhaltenden Verlusten und auch keine Abgeltung der Staatsgarantie.

In Ermottis Werkzeugkasten finden sich zum Teil bekannte Instrumente wie die Stärkung der Liquidität im Krisenfall. «Es ist frustrierend, dass wir im März auf Notrecht zurückgreifen mussten für etwas, das das Financial Stability Board 2016 empfohlen hat und das es in allen anderen internationalen Finanzzentren bereits gibt», sagte Ermotti. Er griff damit Ex-Finanzminister Ueli Maurer an, der den Public Liquidity Backstop viel früher hätte vorantreiben sollen.

Ermotti: «Instrumente für ein frühzeitiges Eingreifen»

Bekannt ist auch, dass die UBS die Einführung eines sogenannten Seniormanager-Regimes begrüssen würde. Damit sollen die Verantwortlichkeiten geklärt und die Rechenschaftspflicht von Management und Verwaltungsrat gestärkt werden. «Insbesondere sollte die Schweiz eine explizitere Definition der Verantwortlichkeiten der obersten Führungsebene in Betracht ziehen, ähnlich wie in Grossbritannien», sagte Ermotti. Es müsse für die Bank oder die Aufsichtsbehörde einfacher werden, gegen Personen vorzugehen, die ihre Pflichten grob vernachlässigt haben.

Neu und überraschend ist hingegen Ermottis Vorschlag, die Kompetenzen der Finanzmarktaufsicht im Krisenfall deutlich zu stärken. So sagte er in seinem Referat, dass als erste Massnahme überhaupt «die Instrumente für ein frühzeitiges Eingreifen» der Aufsichtsbehörden gestärkt werden sollten. Damit meint der UBS-Chef, dass die Finma aufgrund definierter Indikatoren bei einer Bank frühzeitig intervenieren soll. Dies mit dem Ziel, einen Zusammenbruch zu verhindern.

Wann und wie ein solches frühzeitiges Eingreifen erfolgen soll, müsste im Schweizer Bankengesetz definiert werden. Aus Gesprächen mit Experten geht hervor, dass dies im konkreten Fall der Credit Suisse wohl bedeutet hätte, dass die Finma spätestens im Herbst 2022 eingegriffen und die Bank quasi übernommen hätte. Also zu einem Zeitpunkt, als die Mittelabflüsse bereits dramatisch zugenommen hatten und sich abzeichnete, dass die neue Strategie von CEO Ueli Körner bei den Investoren durchfiel.

Finma wird zum Headhunter

Die Finma hätte also den beiden unglücklichen Topmanagern erklären müssen, dass für sie und weitere Personen aus Geschäftsleitung und Verwaltungsrat die Party vorbei sei. Da die Finma selbst keine Bank führen kann, wäre es nach den Vorstellungen der UBS Aufgabe der Berner Behörde gewesen, neue Spitzenkräfte für die Credit Suisse zu nominieren.

Vielleicht hätte es tatsächlich funktioniert, wenn zu diesem Zeitpunkt – oder besser noch früher – neues und glaubwürdiges Personal in die Bank gekommen wäre. Stattdessen liessen die Behörden Körner und Lehmann weiter am Ruder – mit dem bekannten Ausgang.

Aber ist ein von der UBS skizziertes frühzeitiges Eingreifen wirklich die Aufgabe einer Aufsichtsbehörde? Kann sie das überhaupt? Ist es nicht etwas viel verlangt, wenn die Finma eine Shortlist von Bank-Cracks führen müsste, auf die sie im Krisenfall zurückgreifen kann? Würde sie damit nicht eine Kernaufgabe übernehmen, die eigentlich den Aktionären zufällt?

Oder anders gefragt: Machen es sich hochbezahlte Bankmanager nicht zu einfach, wenn sie im Krisenfall wichtige strategische Entscheide einfach an die Behörden auslagern? Was bedeutet das, wenn man die Verantwortung über Sein oder Nichtsein einer systemrelevanten Bank damit zu einem grossen Teil der Finma überbürdet?

Die UBS versteht ihre Ideen als Diskussionsbeitrag zur anlaufenden Regulierungsdebatte. Bereits am kommenden Donnerstag kommt es zu einem ersten Kräftemessen. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates berät dann über die «Stärkung der Aufsicht über systemrelevante Banken durch Erweiterung des Aufsichts- und Sanktionsinstrumentariums der Finma».

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