Ginge es nach Sergio Ermotti, bräuchte der Bankenplatz gar keine Regulierung. Diesen Eindruck bekommt man, wenn man ihm zuhört. Wie gestern Abend bei seinem Auftritt am Wirtschaftstag der Zuger Handelskammer. Die UBS fahre ein risikoarmes Geschäftsmodell, die Bilanz sei gar nicht so gross und die UBS stehe in der Schweiz nur an dritter Stelle, hinter den Kantonalbanken und den Raiffeisenbanken.
Mit diesem schiefen Bankenvergleich wartet Ermotti seit Monaten auf und sorgt regelmässig für Kopfschütteln. So auch gestern. Man könne die UBS doch nicht mit 24 unabhängigen Kantonalbanken gleichsetzen, wurde ihm in der Podiumsdiskussion entgegengehalten. Ermotti konterte mit dem Argument, viele Kantonalbanken hätten eine Bilanz, die grösser sei als die Wirtschaftsleistung ihres Heimatkantons. Dabei verschweigt er, dass die Auswirkungen eines Konkurses einer Kantonalbank auf die Schweizer Volkswirtschaft ungleich geringer wären als bei der UBS.
Gestern im Zuger Casino zog er ein neues Argument hervor, um zu zeigen, dass die UBS für die Schweiz gar nicht so bedeutend sei. Die UBS hat eine Bilanzsumme von 1,6 Billionen Dollar. Das entspricht dem Doppelten des Schweizer BIP (2022: 878 Milliarden Dollar). Doch aus einer risikogewichteten Perspektive sei sie nur 550 Milliarden Dollar gross und damit kleiner als die gesamte Wirtschaftsleistung der Schweiz, führte der UBS-Chef aus. Laut ihm sind 20 Prozent der Bilanz der kombinierten Bank relativ stabil und im Schweizer Immobilienmarkt investiert, während die Bank über 200 Milliarden Dollar an verlustabsorbierendem Kapital verfügt.
Ermotti wirft seine Reputation in die Waagschale
Er sieht die UBS eher als Chance für die Schweiz, denn als Risiko. Sie sei nicht Too big to fail, sondern Too small to compete. Nein, mit der Übernahme der Credit Suisse sei die UBS nicht zu gross geworden. Im Übrigen habe die Notübernahme gezeigt, dass das Too-Big-To-Fail-Regime in der Schweiz funktioniert habe, behauptete Ermotti. Das sehe man an den Halbjahreszahlen. Was Ermotti damit genau meinte, blieb unklar.
Der UBS-Chef zieht an allen Registern, um die Grösse und das Risiko der neuen UBS zu relativieren. Er macht dies mit zum Teil leicht durchschaubaren, aber auch nur schwer nachvollziehbaren Argumenten. Und er wirft seine Reputation als Banker in die Waagschale. Ob er damit bei den Politikern durchdringt, die in der nächsten Legislatur über das Dossier Bankenregulierung zu befinden haben? Die Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo konnte er auf dem Podium jedenfalls nicht überzeugen: «Wir können doch nicht ein so grosses Risiko, das der Staat tragen muss, an die Aussagen von Bank-CEOs und VR-Präsidenten knüpfen», sagte sie.
Die Finanzpolitikerin, die im Herbst aus dem Nationalrat zurücktritt, plädierte wenig überraschend für strengere Regulierungen. Neben den bekannten Positionen wie Boni-Verbot oder Lohndeckelung für Geschäftsleitungsmitglieder systemrelevanter Banken sowie höheren Eigenkapitalpolstern brachte sie auch eine Abgeltung der Staatsgarantie Spiel, die in der Schweiz mehrere Kantonalbanken bezahlen müssen.
«Rettungsfonds ist vielleicht eine Lösung»
Soll auch die UBS für ihre implizite Staatsgarantie bezahlen? Sergio Ermotti beantwortete diese Frage nicht, sondern erklärte, dass die UBS gar keine solche Garantie habe. Dies sei schon daran zu erkennen, dass die von der Bank emittierten Notfallkapitalinstrumente einen hohen Aufschlag gegenüber Staatsanleihen hätten. Hätte die Bank eine Staatsgarantie, würden die Investoren diese Prämie nicht verlangen.
Ermotti verschwieg jedoch, dass bei einer staatlichen Rettung solche Bail-in-Instrumente abgeschrieben werden können – wie man bei der konzertierten Rettungsaktion der Credit Suisse gesehen hat. Die Abschreibung der AT1-Bonds wäre wohl auch dann erfolgt, wenn der Bund die CS verstaatlicht hätte. Also macht es durchaus Sinn, dass Investoren eine Prämie verlangen.
Immerhin – und das war die grösste Überraschung des Abends – signalisierte Ermotti eine gewisse Offenheit gegenüber einem neu zu schaffenden Rettungsfonds für Grossbanken. Die Idee: Statt einer Entschädigung für die Staatsgarantie zahlen die Banken in einen Fonds ein, der im Krisenfall eine Bank stützen könnte. «Wenn das europäisch abgestimmt wäre, könnte das vielleicht eine Lösung sein», sagte Ermotti.