Es war ein geschickter Schachzug von UBS-Chef Sergio Ermotti, als er am vergangenen Donnerstag die Zahl von 3000 Entlassungen nannte, die in den nächsten Jahren bei der CS-Schweiz vorgenommen würden. Die Zahl war viel tiefer als im Vorfeld befürchtet. Bei 120’000 Angestellten klingen 3000 Stellen verkraftbar, fast harmlos. Ein kollektives Aufatmen war in Bern zu vernehmen. Arbeitsminister Guy Parmelin sagte, die Entlassungen seien bedauerlich, aber gleichzeitig gebe es im Bankensektor über 6000 offene Stellen.
Versöhnliche Töne schlug auch FDP-Präsident Thierry Burkart an. Es sei klar, dass bei einer Vollintegration «wegen Doppelspurigkeiten» viele Stellen abgebaut werden müssten. Mitte-Präsident Gerhard Pfister bezeichnete den Entscheid der UBS als legitim. Kritik kam nur von links: «Spätestens jetzt ist klar, dass der Bundesrat eine sehr schlechte Lösung gewählt hat», sagte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth.
«Entlassungen» und «Stellenabbau» sind nicht das Gleiche
Wenn die UBS einen Plan hatte, ist er aufgegangen. In den meisten Medienberichten zur CS-Integration war nicht von «Entlassungen», sondern von «Stellenabbau» die Rede. Die Zahl von 3000 Stellen hat sich in der Öffentlichkeit und in den Köpfen der Politiker festgesetzt. Stellenabbau und Entlassungen sind aber nicht dasselbe. Wie mehrere Quellen aus dem Innern der Credit Suisse bestätigen, wird der Stellenabbau wesentlich höher ausfallen. Eine Quelle, die es wissen muss, spricht von 9000 bis 10’000 Stellen, die allein bei der Credit Suisse abgebaut werden. «Die Zahl 3000 ist ein Witz», sagt er.
Ähnlich sieht es die NZZ, die am Samstag von einem «maskierten Kahlschlag» sprach. Hat Sergio Ermotti die Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt? Sagen wir es so: Er hat zumindest in Kauf genommen, missverstanden zu werden. Eine ehrlichere Kommunikation wäre gewesen: «Bei der CS in der Schweiz werden voraussichtlich 9000 bis 10’000 Stellen abgebaut. Leider können wir diesen Abbau nicht ohne Entlassungen realisieren. Wir gehen davon aus, dass davon 3000 Personen betroffen sein werden. 6000 bis 7000 Stellen dürften über Frühpensionierungen und die natürliche Fluktuation abgebaut werden.»
Ein Indiz dafür, dass diese Zahl politisch motiviert ist, ist die Tatsache, dass die UBS normalerweise nie konkrete Zahlen nennt, wenn sie ein Kostensenkungsprogramm ankündigt. Zuletzt tat dies Sergio Ermotti im Jahr 2012, als er den Abbau von 10’000 Stellen ankündigte – und sich grob verschätzte. Die Krux: Irgendwo im Grosskonzern mögen tatsächlich so viele Stellen verschwunden sein, gleichzeitig wurden aber an anderer Stelle neue geschaffen.
Verband Arbeitgeber Banken spielte mit
Ein weiteres Indiz dafür, dass die überraschend tiefe Zahl von 3000 Stellen als politische Waffe eingesetzt wurde, findet sich in der Medienmitteilung des Verbandes Arbeitgeber Banker. «In Bezug auf die Beschäftigung hat die Bank kommuniziert, dass über die nächsten Jahre rund 3000 Mitarbeitende gekündigt werden.» Ein paar Zeilen weiter unten in der Mitteilung werden die Kündigungen mit Stellenabbau gleichgesetzt: «Arbeitgeber Banken stellt fest, dass der angekündigte Stellenabbau in einem für diese Situation ‘günstigen’ Arbeitsmarktumfeld erfolgen wird. Der im Auftrag von Arbeitgeber Banken berechnete Arbeitsmarktindex weist für die Bankbranche einen im Vergleich zur Gesamtwirtschaft überdurchschnittlichen Fachkräftemangel aus. Einzelne Parameter dieses Indexes wie die hohe Anzahl offener Stellen (6'682 per 30.6.2023), die rekordtiefe Arbeitslosenquote von aktuell 2 Prozent sowie die positiven Beschäftigungserwartungen der Branche stimmen zuversichtlich, dass die erwarteten Kündigungen zu einem grossen Teil aufgefangen werden können.»
Es ist nicht korrekt, die 3000 Entlassungen den 6000 offenen Stellen gegenüberzustellen. Richtig wäre es gewesen, die erwarteten 9000 bis 10’000 Stellen dieser Zahl gegenüberzustellen. Dann sieht das Bild auch deutlich weniger «zuversichtlich» aus, wie der Verband behauptet. Bundesrat Guy Parmelin hat exakt die Argumente des Verbands weitergegeben.
Pikantes Detail am Rande: Die Medienmitteilung ging über den Tisch von UBS-Vizepräsident Lukas Gähwiler. Er ist Präsident des Arbeitgeberverbandes der Bankiers.
Ermottis Wortlaut in der Analystenkonferenz vom 31.8.2023:
«Every last job is painful for us. Unfortunately, in this situation, cuts were unavoidable regardless of the selected scenario. We are committed to minimizing the impact on employees by treating them fairly, providing them with financial support, outplacement services and retraining opportunities. Our aim here is to enable those affected to take advantage of a quite healthy Swiss job market, where more open positions in finance are available than there are job seekers.
Let me emphasize the vast majority of the cost reduction will come from natural attrition, retirement and internal mobility. Around 1,000 redundancies (Entlassungen) will result from the integration of Credit Suisse Schweiz. This will be spread over a couple of years, starting in late 2024.
Importantly, the alternative spin-off scenario -- in the alternative spin-off scenario, restructuring would also have been necessary and resulted in about 600 redundancies. In addition, the necessity to profoundly restructure other parts of Credit Suisse is expected to lead to about 2,000 additional redundancies in Switzerland over the next couple of years.
After waiting all the above factors, we come to the view that a full integration is the best way forward. Our decision reinforces our commitment to clients, employees and the Swiss economy. Our goal is to make the integration and the transition for clients as smooth as possible.»