Schlechtes Rating, grosse Abflüsse
Die Krise der Grossbank verunsichert Pensionskassen-Manager. Wie sehr können sie der Bank noch trauen? Die Antwort darauf ist einigermassen kompliziert.
7. Dezember 2022 • Beat Schmid

Axel Lehmann verabreiche Baldrian, schrieb ein Medium in diesen Tagen. Gemeint ist der gesteigerte Drang des CS-Präsidenten, Beruhigungsbotschaften auszusenden. Zum Beispiel auf SRF ECO Anfang Woche. Zu den Abflüssen von Kundengeldern sagte er: “Es hat sich absolut stabilisiert… Es kommt zurück, es geht wieder zurück, es geht wieder ein wenig rauf. Dann gehen Sie in die Kapitalerhöhung, wo Sie die massive Verwässerung haben, dann haben sie die Verunsicherung, dann gibt es eine höhere Volatilität. Aber ich glaube, es hat sich beruhigt seit Ende letzter Woche.”

Nach der Bekanntgabe der massiven Abflüsse vor zwei Wochen läuteten bei etlichen Pensionskassen-Managern die Alarmglocken. Abflüsse von fast 85 Milliarden Franken in nur sechs Wochen – das war ein regelrechter “Wasserfall”, wie Lehmann selbst zugeben musste.

Es gibt Indizien, dass die Abflüsse danach wieder zugenommen haben – oder, wie Lehmann sagen würde, die “Volatilität” wieder angestiegen ist. Gemäss zuverlässigen Quellen soll es unter anderem im Geschäft mit Schweizer Pensionskassen zu Verschiebungen gekommen sein.

CS ist eine wichtige Adresse für Vorsorgeeinrichtungen

Die Credit Suisse ist eine wichtige Adresse für Vorsorgeeinrichtungen. Als sogenannter “Global Custodian” wirkt die Bank als Verwahrerin der Depots von Pensionskassen. Mit der UBS und Swisscanto gehört die Credit Suisse zu den drei grossen Playern in diesem Geschäft. Eine Bank-Sprecherin will sich dazu nicht äussern und verweist auf das Communiqué von Ende November.

Ein wichtiger Job eines PK-Managers ist das Abklären des Gegenparteienrisikos. Wenn eine Bank Pleite geht, dann verschwindet der Bargeldanteil in der Konkursmasse. Aber auch mit Aktien und Obligationen kann es Probleme geben. Diese Vermögen sind zwar ausgesondert in einem Depot und befinden sich somit nicht auf der Bankbilanz, doch es kann lange dauern, bis die Wertschriften auf eine andere Bank übertragen sind. Dieses Chaos will niemand.

Wenn eine Bank wie die CS unter massiven Abflüssen leidet und deswegen Liquiditätsprobleme bekommt, dann löst das verständlicherweise Ängste aus. Doch sind sie auch berechtigt?

Die kurze Antwort ist: eigentlich nicht.

Der Grund liegt in der Organisation der Credit Suisse. Wie mehrere Quellen bestätigen, sind sämtliche Schweizer Vorsorgegelder in der Schweizer Rechtseinheit anlegt, der Credit Suisse (Schweiz) AG. Diese verfügt auch über einen eigenen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.

Die Schweizer Rechtseinheit ist so in den Konzern eingebunden, um in einem Konkursfall der Muttergesellschaft sämtliche Verbindungen mit dem Rest der Bank kappen und eigenständig weiterfunktionieren zu können. So sieht es die sogenannte Too-Big-to-Fail-Verordnung vor, die nach der Staatsrettung der UBS in der Schweiz und allen anderen Ländern eingeführt wurde, die über globale systemrelevante Banken verfügen.

Too-Big-To-Fail-Arbeiten fast abgeschlossen

14 Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise sind die Vorkehrungen weit fortgeschritten. Das geht auch aus der sogenannten Resolution-Berichterstattung der Finma vom März hervor. Zu den beiden Grossbanken heisst es: “Die Schweizer Grossbanken konnten mit weiteren operationellen Verbesserungen entsprechende Fortschritte in ihrer globalen Resolvability (Abwickelbarkeit) erzielen. Dies betrifft insbesondere die Bereiche der operativen Entflechtungen, der Bereitstellung von Liquiditäts- und Kapitalinformation für die Krisenbewältigung sowie der Vorbereitung einer Post-Bail-in-Restrukturierung.”

Finma sieht die beiden Grossbanken mit ihren Plänen auf der Schlussgeraden, aber noch nicht am Ziel: “Die verbleibenden Arbeiten werden bestenfalls bis Ende 2022 abgeschlossen werden können”, schreibt die Behörde im Bericht. Und sie hält auch fest: Zukünftig werde “die praktische und wirksame Anwendbarkeit der Resolvability-Massnahmen gezielt getestet und vertieft überprüft” werden müssen.

Soll sich ein vorsichtiger Pensionskassenwart darauf verlassen, dass die Abwicklung in einem Konkursfall so reibungslos funktioniert, wie man sich das in der Theorie vorstellt? In der Praxis wurde ein solcher Fall noch nie durchgespielt. Gemäss Lehrbuch sollte der Betrieb der geschützten Einheit komplett störungsfrei weiterlaufen.

CS Schweiz hat ein besseres Rating

Dass die CS Schweiz und der Rest der Bank ein unterschiedliches Paar Schuhe sind, zeigt sich auch am Rating. Der Konzern wurde Ende Oktober auf BBB- heruntergestuft. Er ist somit nur noch eine Stufe oberhalb Junk-Level. Sollte die Bank nochmals heruntergestuft werden, dann dürften die meisten Pensionskassen mit ihr keine Geschäfte mehr machen.

Allerdings ist für einige Kassen bereits ein BBB- zu tief. Laut Schweizer PK-Spezialisten haben etliche Kassen in ihren Statuten verankert, dass sie nur mit Gegenparteien zusammenarbeiten dürften, die ein Rating von BBB haben. Für diese kommt der CS-Konzern nicht mehr infrage.

Die Credit Suisse (Schweiz) AG hingegen wird von der Bonitätsagenturen mit einem Rating von A- eingestuft. Sie wird sicherer eingeschätzt als der Konzern. Somit sind auch die dort gebuchten Schweizer PK-Gelder weiterhin grundsätzlich sicher. Das gilt nicht für Finanzprodukte wie Derivate oder strukturierte Produkte, bei denen der CS-Konzern die Gegenpartei ist.

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