Eine Krise auf Bestellung
Die Grossbank will erst Ende Oktober über ihre Pläne informieren. Angesichts der dramatischen Entwicklung steht die CS unter Druck, schneller für Klarheit zu sorgen.
29. September 2022 • Beat Schmid

Wieder eine Schreckenswoche für die Credit Suisse. Eine neue Millionenbusse und anhaltende Gerüchte über eine Kapitalerhöhung lassen den Kurs der Aktien zeitweise auf unter vier Franken einbrechen.

Und was macht die CS? Sie schweigt.

Das macht sie schon seit dem 27. Juli, als sie eine “umfassende strategische Überprüfung” ankündigte. In einer Ad-Hoc-Mitteilung, in der auch die Ernennung von Ueli Körner als neuen CEO bekannt gegeben wurde, listete sie fünf Punkte auf:

“Transformation der Investmentbank”, Senkung der “absoluten Kostenbasis”, Stärkung des “erstklassigen globalen Vermögensverwaltungsgeschäft”, “Überprüfung strategischer Optionen für den Securitized Products-Bereich” sowie “Alternativen, die über die Ergebnisse der letztjährigen Strategieüberprüfung hinausgehen”.

Axel Lehmann, der Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, sprach in der Mitteilung von einer “umfassenden strategischen Überprüfung” und einer “operativen Transformation”, die der neue CEO beaufsichtigen, beziehungsweise durchziehen müsse. “Detailliertere Informationen zu den Fortschritten” der Strategieüberprüfung, “einschliesslich spezifischer Ziele”, stellte Lehmann auf Ende Oktober mit den Quartalszahlen in Aussicht.

Die CS schweigt – die Gerüchteküche brodelt

Vereinfacht lautete die Botschaft des Präsidenten: Wir müssen die Bank völlig neu denken, alles kommt auf den Tisch, es gibt keine Tabus. Aber um das seriös zu machen, brauchen wir viel Zeit. Fragt uns in drei Monaten wieder.

Seit dieser Ankündigung sind zwei Monate verstrichen. Die CS schwieg. Es gab kein offizielles Update zu Strategieüberprüfung.

Dafür brodelt es umso heftiger in der Gerüchteküche. Die Bank müsse 5000 Jobs streichen oder 3000. Die Investmentbank werde dreigeteilt und wieder in First Boston umbenannt. Sie verkaufe das Asset Management oder das Kartengeschäft, die Bank brauche frisches Kapital, mindestens vier Milliarden Franken. Und so weiter und so fort.

Der Plan der CS sieht vor, am 27. Oktober zu informieren. Das ist in vier Wochen. Bis dahin dürfte es noch viele Schlagzeilen geben, die Kunden und Märkte verunsichern werden. Wie tief kann der Kurs noch fallen? Auf drei, auf zwei Franken?

CS dreht gleichzeitig an mehreren Stellschrauben

Hört man ins Innere der Bank, scheint die CS-Führung entschlossen, die Krise stoisch auszusitzen und bis Ende Oktober abwarten zu wollen. Angesichts des Stakkatos an Bad News scheint das verrückt zu sein.

Doch es ist auch nachvollziehbar: Die Bank dreht gleichzeitig an mehreren Stellschrauben, die einander beeinflussen. Wenn sie eine Einheit verkaufen kann, kommt es vielleicht dort zu keinen Entlassungen. Gelingt ein Verkauf, kann ein anderer Bereich gerettet werden. Und schiessen die Aktionäre vielleicht doch noch Geld ein, sieht die Welt auch wieder anders aus. Gleichzeitig heisst das aber auch: Axel Lehmann und Ueli Körner haben die Kontrolle über den Prozess verloren.

Axel Lehmann machte zwei Fehler

Dass die CS in eine derart schwierige Situation hineingeraten ist, ist ihr eigenes Verschulden, beziehungsweise jenes von Präsident Lehmann. Er hat zwei Fehler gemacht: Er hat im Juli eine viel zu grosse und umfassende Ankündigung gemacht. Es war gar nicht nötig, so weit ins Detail zu gehen. Er befeuerte damit Spekulationen, schürte interne Unruhe und begünstigte Leaks.

Der zweite Fehler war, dass er ein konkretes Datum viel zu weit in der Zukunft setzte, wann die CS über Details informieren wolle. Drei Monate sind enorm viel Zeit für eine Bank, die in echten Schwierigkeiten steckt wie die CS. Lehmann dachte sich, lieber spät, dafür seriös und umfassend informieren als in kleinen kontrollierten Schritten. Eine Fehleinschätzung.

Eine Ausnahme zur Schweigepolitik machte die CS Anfang Woche, als sie aufgrund der Markturbulenzen ein Update herausgab und vermeldete, dass sie "gut unterwegs" sei mit ihrer "umfassenden Strategieüberprüfung". Durch die Zeilen konnte man auch herauslesen, dass die CS eher keine Kapitalerhöhung anstrebt, sondern Devestitionen und Asset-Verkäufe ins Auge fasst.

Mit zunehmendem Druck wird es immer unwahrscheinlicher, dass die CS tatsächlich erst in vier Wochen informieren kann, wie sich Lehmann das vorstellt. Möglich ist auch, dass die Finanzmarktaufsicht auf die CS einwirkt, einen Zacken zuzulegen.