Digitale Währungen
Die Kryptowährung Luna wurde innerhalb von 24 Stunden praktisch wertlos. Mit ihr rauschte auch der Stablecoin TerraUSD in die Tiefe. Das Debakel erinnere an Bank Runs, sagen Experten.
13. Mai 2022 • Beat Schmid

Am Dienstag ging es los. Urplötzlich schmierte der TerraUSD um über 30 Prozent ab. Für nicht Insider: Der TerraUSD ist einer wichtigsten Stablecoins im Krypto-Währungsuniversum. Seither geht es bei der digitalen Währung rauf und runter wie auf einer Achterbahn.

In der Nacht auf heute kam es dann zum Infarkt: Aktuell handelt ein TerraUSD bei 11 Cents. Einen Komplettzusammenbruch erlebte die Schwesterwährung TerraLuna, die innerhalb von 24 Stunden praktisch wertlos wurde. Die digitale Währung handelt derzeit bei einem Cent. Vor einer Woche kostete ein Luna noch 80 Dollar.

Der Absturz des TerraUSD versetzt die Krypto-Szene in helle Aufregung. Die Aufgabe eines Stablecoins besteht darin, stets den Wert eines Dollars zu halten. Normalerweise wird der Kurs eines Stablecoins durch Bonds, Cash und andere liquide Instrumente stabilisiert.

Der TerraUSD ist im Unterschied zu anderen Coins wie Tether ein synthetischer Stablecoin, in der Fachwelt wird auch von einem "algorithmischen Stablecoin" gesprochen. Solche Coins sind nicht durch reale Dollar-Assets gestützt. Die Anbindung basiert auf einem komplexen Austauschverfahren mit einem anderen digitalen Krypto-Coin. Im Fall von TerraUSD ist dies die Schwesterwährung TerraLuna. Diese Woche zeigte sich: Synthetische Absicherungen sind nicht stressresistent.

Was diese Woche hinzukam: Nach dem TerraUSD sackte auch der Tether ab. Sein Wert ist normalerweise völlig stabil. Im Gegensatz zu TerraUSD ist er mit realen Dollar-Assets unterlegt, was ihm Stabilität verleihen soll.

Gestern war aber auch ein Tether plötzlich nicht mehr ein Dollar wert. Um 9 Uhr 20 brach die Währung um 10 Prozent auf 90 Cents ein. Seither rappelt sich die Währung wieder auf. Mittlerweile notiert sie wieder bei knapp unter einem Dollar. Interessant ist, dass zur selben Zeit auch der Bitcoin auf knapp über 25’000 Euro einbrach und damit einen neuen Tiefstand in diesem Jahr erreichte. Zuletzt notierte die Währung im Juli 2021 auf diesem Niveau. Mittlerweile liegt der Bitcoin wieder bei über 30'000 Dollar.

Hedge-Fonds testen die Stabilität des Systems

Dass Kryptowährungen einander in die Tiefe reissen, ist in diesem Ausmass neu. Was sind die Gründe dafür? Eine gängige Erklärung ist, dass Anleger wegen den steigenden Zinsen aus allen risikobehafteten Asset-Klassen fliehen, wozu natürlich auch Kryptos gehören.

Eine weitere Erklärung könnte sein, dass in den letzten Monaten viele traditionelle Investoren wie Family Offices und vermögende Privatkunden ihren Depots Kryptowährungen beigemischt haben. Diese neuen Bitcoin-Investoren drücken mutmasslich schneller auf den Verkaufsknopf, wenn sich das Umfeld verschlechtert. Hinzu kommt, dass auch Hedge-Fonds eingestiegen sind und mit Wetten die Belastbarkeit des Systems testen. Diese neuen Investoren unterscheiden sich stark von früheren Bitcoin-Aficionados, denen selbst der härteste Krypto-Winter nichts anhaben konnte.

Tether-Einbruch dürfte auch Krypto-Fans ins Grübeln bringen

Die jüngsten Entwicklungen dürften auch hartgesottenen Fans zu denken geben – insbesondere, dass auf Stablecoins wie Tether nicht mehr Verlass ist. Dabei tauchten schon in der Vergangenheit Zweifel an der Stabilität der Absicherung auf.

Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens kam heraus, dass die Muttergesellschaft von Tether unter anderem mit sogenannten Commercial-Papers arbeitet. Das sind kurzfristige Schuldverschreibungen oder Wechsel, die in den USA populär sind. Der Wert eines jeden Schuldpapiers hängt von der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ab. Nach dem Gerichtsfall hat Tether die Commercial-Paper-Positionen heruntergefahren.

Doch wie genau der Tether an den Dollar gebunden ist, bleibt ein Geheimnis. Paolo Ardoino, der Technologiechef der digitalen Währung, sagte gestern gegenüber der FT, dass hinter der Absicherung "Tonnen von US-Staatsanleihen" stehen würden. Insgesamt stecken im Absicherungstopf etwa 40 Milliarden Dollar. Doch wie dieser strukturiert ist, wollte er nicht sagen. "Unsere Gegenparteien sind geheim, wir sind keine börsenkotierte Firma und behalten diese Informationen für uns".

Solche Aussagen sind nicht hilfreich, um das Vertrauen wiederherzustellen. Die Ratingagentur Fitch sagte gestern, dass die Probleme von TerraUSD und Tether "die Fragilität von privaten Stablecoins offenlegen würden und den Ruf nach einer Regulierung verstärken". Janet Yellen, die frühere Fed-Chefin und heutige US-Finanzministerin, erklärte am Donnerstag, dass der Kollaps von TerraUSD die Gefahren von Stablecoins zeigen würden, die ihrer Regierung zunehmend Sorgen bereiten. Die Ereignisse in dieser Woche würden Züge von Bank Runs zeigen, wie man seit seit Jahrhunderten kenne, sagte die erfahrene Geldpolitikerin.

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