Verfahren eingestellt
Nach über zweijährigen Ermittlungen hat die Bundesanwaltschaft das Strafverfahren wegen Verdachts der Finanzierung der Hamas aus der Schweiz eingestellt. Neue Ermittlungen sind gestützt auf das Hamas-Verbot im Gang.
6. Oktober 2025 • Balz Bruppacher

Ähnlich wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war die Nervosität der hiesigen Behörden nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 gross. Droht der Schweiz und ihrem Finanzplatz ein massiver Rufschaden, weil die Terroristen mit hiesigen Geldern unterstützt wurden? Die Meldestelle gegen Geldwäscherei des Bundes (MROS) erliess im November 2023 eine Aufsehen erregende Warnung an alle Akteure auf dem Finanzplatz und doppelte einen Monat später mit einem umfangreichen Papier nach. Darin ging es um neue Typologien der Terrorismusfinanzierung, um die Finanzierung von Propaganda und Rekrutierung, um Unterstützung von Ausbildung, Reisen, täglichen Lebenshaltungskosten und anderen operativen Bedürfnissen von Terrorismusorganisationen wie der Hamas.

Die Bundesanwaltschaft (BA) war schon vor dem Hamas-Anschlag aktiv geworden. Aufgrund einer Verfügung vom vergangenen 8. September, mit der die BA das Strafverfahren nach über zweijährigen Ermittlungen einstellte und die tippinpoint in anonymisierter Form vorliegt, lässt sich der Fall wie folgt rekonstruieren: Am 28. Juli 2023 hatte die Bundesanwaltschaft von der MROS eine Anzeige über verdächtige Transaktionen einer nicht gewinnorientierten Vereinigung erhalten. Demnach sei nicht auszuschliessen, dass drei zeichnungsberechtigte Personen der Organisation die Hamas zwischen 2018 und 2023 durch Überweisungen mit 462'531,14 Franken unterstützt hätten. Davon seien 133'678,26 Franken an juristische und natürliche Personen auf palästinensischem Gebiet geflossen.

Nach einer ersten Analyse durch die Bundespolizei eröffnete die BA ein Strafverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts auf Beteiligung und/oder Unterstützung einer kriminellen Organisation. Am 10. Januar 2024 erhielt die BA eine weitere Anzeige der MROS über verdächtige Zahlungen einer weiteren nicht gewinnorientierten Organisation. Demnach sei nicht auszuschliessen, dass zwei zeichnungsberechtigte Personen die Hamas mit Geldüberweisungen zugunsten verschiedener humanitärer Hilfsorganisationen in Palästina unterstützt hätten. Diese Anzeige stütze sich vor allem auf einen Bericht der «SonntagsZeitung» vom November 2023.

Genfer Stiftung entlastet

Sie hatte unter dem Titel «Das Netzwerk der Hamas in der Schweiz» über die in Genf ansässige «Fondation Secours Humanitaire» berichtet und ein Foto veröffentlicht, auf dem angeblich der Vereinsvertreter Mahmoud Baroud und der als «Mann der Hamas in der Schweiz» bekannt gewordene Anouar Gharbi bei einem Besuch des damaligen Hamas-Chefs Ismail Haniya von 2021 in Istanbul zu sehen sind. Die BA legte die beiden Verfahren zusammen und nahm umfangreiche Ermittlungen vor. Die Bundespolizei untersuchte unter anderem die Adressaten der Geldüberweisungen der ersten MROS-Anzeige in Palästina und fand heraus, dass acht von 14 Personen über Konten bei sozialen Netzwerken verfügten. Diese konnten aber in keinem Fall mit einer kriminellen Organisation in Verbindung gebracht werden.

Die Analyse von Medienberichten, Posts in sozialen Medien sowie Einvernahmen der in den Anzeigen genannten Personen ergeben ebenfalls keine Beteiligung an einer kriminellen Organisation. Die BA konnte zudem nicht erstellen, wer letztlich von den überwiesenen Geldern profitierte. Die in der ersten MROS-Anzeige genannte Organisation bestritt jede Zusammenarbeit mit der Hamas und legte Verträge mit den Destinatären der Geldüberweisungen in Gaza vor. Eine finanzielle Unterstützung der Hamas konnte auch im Fall der Stiftung Secours Humanitaire nicht nachgewiesen werden. Das Foto von 2021 mit dem damaligen Hamas-Chef in Istanbul wurde von den Betroffenen mit Abklärungen bei politisch Verantwortlichen über die Situation von Flüchtlingen in der Türkei, Irak, Palästina und Syrien erklärt.

Deutliche Zunahme der Verfahren wegen Hamas-Verbot erwartet

Weil auch keine Verletzung der Rassismusstrafnorm festgestellt wurde, stellte die BA das Verfahren ein und übertrug die Verfahrenskosten von gut 11'000 Franken der Bundeskasse. Wie die BA auf Anfrage weiter bekanntgab, hat sie aufgrund des Hamas-Verbots, das am vergangenen 15. Mai in Kraft trat, Strafverfahren eingeleitet. Zur Zahl und zum Gegenstand machte sie keine Angaben. Das neue Gesetz gibt den Behörden die notwendigen Instrumente, um gegen die Aktivitäten der Hamas oder die Unterstützung der Organisation in der Schweiz vorzugehen. Die Bundesanwaltschaft hatte schon im Vorfeld des neuen Gesetzes erklärt, sie rechne mit einem markanten Anstieg der Verfahren.

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