Obwohl der Sachverhalt in den Grundzügen klar scheint, will sich bei der Grossbank niemand zur Frage bekennen, wer auf höchster Führungsebene die Verantwortung trägt. Die Spuren führen ins Global Wealth Management (GWM) und ins Schweiz-Geschäft und werfen ein Schlaglicht auf komplexe Strukturen und doppelte Berichtslinien.
Eigentlich ist es eine sehr einfache Frage: Welches Mitglied der Konzernleitung trägt die Verantwortung für das Derivate-Debakel der UBS? Doch die Grossbank tut sich schwer damit. Offiziell will sich niemand der Bank dazu äussern. Die Frage nach der Verantwortlichkeit scheint so heikel, dass sie wie eine heisse Kartoffel von einer Einheit zur nächsten weitergereicht wird.
Je nachdem, mit wem man spricht, bekommt man andere Antworten. Im Bereich Global Wealth Management von Iqbal Khan wird mit dem Finger auf den Bereich von Sabine Keller-Busse gezeigt, die für das Kleinkunden- und Firmenkundengeschäft zuständig ist und zudem als Chairman Switzerland die Verantwortung für den Heimmarkt trägt. Spricht man hingegen mit Stellen aus dem Bereich von Keller-Busse, wird wiederum auf das Wealth Management und Iqbal Khan, den Co-Leiter der Einheit, verwiesen.
Doppelte Reportinglinie
Unbestritten ist, dass die Derivate ausschliesslich an Kunden des Wealth Management verkauft wurden. Der Leiter des Wealth Management in der Schweiz ist August Hatecke. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung des Global Wealth Management und rapportiert direkt an Iqbal Khan.
Zudem handelt es sich bei den fraglichen Produkten nicht um klassische Retail-Produkte, sondern um Instrumente aus dem sogenannten Product Buffet des GWM. Diese wurden ausschliesslich über den Kanal des Wealth Management vertrieben. So gesehen ist klar, wo die Zuständigkeiten liegen.
Doch es gibt auch noch eine zweite Perspektive. So wie die UBS organisiert ist, verfügen manche Manager über zwei Reportinglinien. Das ist auch bei August Hatecke der Fall: Er rapportiert einerseits an Iqbal Khan, andererseits besteht eine zweite Reportinglinie zu Sabine Keller-Busse. Diese ist nicht gestrichelt oder «gedottet», sondern durchgezogen – und somit gleichgestellt mit der Linie zu Iqbal Khan.
Erträge fliessen ins P&L von GWM
Sind also sowohl Khan als auch Sabine Keller-Busse verantwortlich für das Debakel? Auch hier gehen die Meinungen auseinander. Die einen sehen das so, weil die Produkte in der Schweiz verkauft wurden und Keller-Busse zusätzlich zu ihrer Rolle als Chefin Personal & Corporate Banking auch als President UBS Switzerland die Verantwortung für den Heimmarkt trägt. Was im Schweizer Markt geschieht, kann ihr deshalb nicht egal sein. Doch ihr Einfluss ist faktisch limitiert, was die Geschäftsaktivitäten des GWM in der Schweiz betrifft.
Schaut man auf die Geldströme, ergibt sich eine zusätzliche Perspektive: Die Geschäfte des Wealth Management in der Schweiz werden vollständig im GWM konsolidiert. Das heisst: Sämtliche Erträge aus dem Verkauf der umstrittenen Derivate flossen ins P&L von Iqbal Khan. So betrachtet, ist der Fall eigentlich klar: Das GWM mit Khan als Co-Chef an der Spitze trägt die Verantwortung für das Derivate-Debakel. Der andere Co-Chef des GWM, Rob Karofsky, scheidet aus, da er nicht den Schweizer Märkt zuständig ist.
Dass dem so ist, dazu will sich bei der UBS offiziell niemand äussern. Die Pressestelle verweist lediglich auf ein allgemeines Statement: «Wir haben eine Überprüfung des Sachverhalts durchgeführt und festgestellt, dass eine sehr kleine Anzahl von Kunden, an einigen wenigen Standorten in der Schweiz, unerwartete Auswirkungen durch die Marktverwerfungen im Zusammenhang mit der US-Zoll-Situation erfahren haben. Wir haben das Thema von Anfang an ernst genommen und jeden Kundenfall individuell angeschaut.»