Forward-Derivate der UBS
Der Genfer Anwalt Nicolas Ollivier vertritt Kunden, die mit hochriskanten Währungsderivaten Geld verloren haben. Er sagt, kein professioneller Investor würde ein solches Produkt kaufen.
19. Mai 2025 • Beat Schmid

Sie heissen Range Target Profit Forwards oder Conditional Target Redemption Forwards. Und haben etlichen Kunden der UBS viel Ärger bereitet. Nach dem 2. April lösten diese Produkte Margin Call aus, sagt Nicolas Ollivier, Anwalt und Partner der Grosskanzlei Lalive mit Büros in Zürich, Genf und London. Er ist spezialisiert auf die Vertretung von geschädigten Kunden und hat mit dem georgischen Politiker und Milliardär Bidsina Iwanischwili schon eines der berühmtesten Anlageopfer der Credit Suisse vertreten.

Ollivier hat ein halbes Dutzend Fälle auf dem Tisch, bei denen es um spezielle Forward-Derivate geht. Der Jurist liess die Produkte mit einem externen Team von Optionsspezialisten untersuchen. Anhand eines konkreten Falls kann er darlegen, wie gefährlich die Produkte für die Kunden sind – und wie profitabel für die Bank.

Gemäss seinen Analysen kam Ollivier zum Schluss, dass die Bank mindestens so viel einnimmt, wie der Kunde maximal gewinnen kann. Wenn eine Wette – Kontrakt genannt – einen maximalen Gewinn von 50’000 Dollar für den Kunden vorsieht, nimmt die Bank genauso viel ein. «Die Risiken hingegen sind vollkommen asymmetrisch verteilt», sagt der Anwalt.

Kunden mit viel mehr Risiko als die Bank

Im konkreten Fall sah das Produkt vor, dass der Anleger im besten Fall 54’000 Franken gewinnen kann. Ollivier und seine Finanzspezialisten haben ausgerechnet, dass die Chance, diesen Gewinn zu erzielen, bei 56,2 Prozent liegt: «Doch das Problem ist, dass der Kunde viel mehr verlieren kann.» Bei diesem spezifischen Produkt ging der Kunde nämlich das Risiko ein, insgesamt 2,9 Millionen Franken zu verlieren. Die Wahrscheinlichkeit, diesen Verlust einzufahren, lag bei enorm hohen 43,8 Prozent.

Kein professioneller Investor würde ein solches Produkt kaufen, sagt der Anwalt. Der Kunde habe nur deshalb zugegriffen, weil er keine Ahnung hatte, wie ungleich die Risiken verteilt waren. Im Kleingedruckten und in Verkaufsgesprächen werden die Kunden zwar darüber aufgeklärt, dass sie «alles verlieren» können, sagt Ollivier. Doch dafür, wie Chancen und Risiken verteilt sind, gibt es kaum Anhaltspunkte. Meist werden in den Unterlagen Kursverläufe gezeigt, die viel zu kurz sind und zu denen keine Fälle gehörten, in denen Kurs unter die Verlustschwelle (Kick-in Level) fällt.

«Diese strukturierten Produkte basieren auf der Annahme stabiler Marktverhältnisse. Historische Kursdaten zeigen jedoch, dass es regelmässig zu Markteinbrüchen kommt. Solche Rückgänge hätten in der Vergangenheit mehrfach die Verlustschwellen überschritten – mit der Folge von Margin Calls und erheblichen Verlusten für die Kunden», sagt Anwalt Ollivier.

Wie viele Kunden insgesamt betroffen sind, ist unbekannt. Die UBS sagt dazu nichts. Auch die Finanzmarktaufsicht schweigt zum geschilderten Fall. Bekannt ist, dass die Produkte in der Region Ostschweiz mit besonderem Nachdruck vertrieben wurden, zum Teil auch an Kunden, die keine Millionenvermögen besitzen und eher zum Segment der Kleinkunden gehören dürften.

Hotspot Ostschweiz

Ein Hotspot mit vielen reichen Opfern befindet sich in St. Moritz GR, wo sich der Schweiz-Chef des UBS Wealth Managements, August Hatecke, persönlich um die betroffenen Kunden kümmern soll, wie tippinpoint berichtete. Er verfügt über eine direkte Reporting-Line zu Iqbal Khan, dem Co-Chef der globalen Vermögensverwaltung.

Die Bank lotst derzeit Wege aus, um betroffenen Kunden entgegenzukommen. Eine UBS-Sprecherin teilt mit: «Die extreme Marktvolatilität der letzten Wochen hat sich auf bestimmte Anlagen ausgewirkt. Die allermeisten unserer Kunden haben diversifizierte Investmentportfolios und sind damit in dieser volatilen Zeit relativ gut gefahren. Wir prüfen allfällige unerwartete Auswirkungen mit den betroffenen Kunden.»

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