Seit 2019 ist Vugar Usi Zade für Bitget tätig, seit zwei Jahren als Chief Operating Officer. Die Kundenbasis ist nach Unternehmensangaben in zwei Jahren von 12 auf 120 Millionen angeschwollen. Die Kryptobörse weist ein tägliches Handelsvolumen von über 2 Milliarden Dollar auf und je nach Quelle – CoinGecko oder Coinmarketcap – wird Bitget als dritt- oder sechstgrösste Kryptobörse der Welt geführt. Den nächsten Wachstumsschritt sieht Vugar nicht darin, mehr Kunden den Kryptohandel anzubieten, sondern Zahlungsmöglichkeiten mit Token zu fördern. Deshalb investiere Bitget viel in Wallet-Technologie. Gleichzeitig führt das Unternehmen eine Zahlungssystem ein, mit dem Händler und Privatkunden Kryptozahlungen akzeptieren können.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Der Bitcoin auf Rekordhoch…
• Ex-Krypto-Miner kauft Krypto-Miner
Zade arbeitete zuvor für Fortune-500-Unternehmen und hat ein Start-up an CVS Capital verkauft. «Ich habe viele Leute gesehen, die mit Kryptowährungen Geld verdienen wollten. Ich bin einer der wenigen, die Krypto nutzen, weil ich nicht verlieren will, was ich habe». Ausserdem habe er immer wieder Probleme mit seiner Bank, mit Steuern und Anwälten gehabt. Er sei heute zu 99 Prozent banklos. «Ich brauche eine Kreditkarte für meinen Netflix Account», scherzt er. Aber hauptsächlich sei er auf der Blockchain aktiv, plane neue Tools und wolle die Krypto-Idee «entmystifizieren».
Herr Zade, der Hauptsitz ihres Unternehmens befindet sich auf den Seychellen. Das fördert bei Kunden in Westeuropa nicht unbedingt das Vertrauen.
Wir sind auf den Seychellen eingetragen, aber das ist eher eine Gründungs- oder Mantelgesellschaft. Weil wir ein Finanzinstitut betreiben, unterhalten wir in allen Märkten, die wir bedienen, lokale Gesellschaften. Für Europa haben wir beispielsweise Niederlassungen in Litauen und Polen, wo wir umfangreiche Lizenzen haben. Das Gleiche gilt für Bulgarien und Rumänien. Wir sind auch als juristische Person in Dubai, in Hongkong und vielen anderen Ländern präsent.
Sie beschäftigen 1800 Mitarbeiter, wo arbeiten diese und wo ist Ihr Arbeitsort?
Ich bin in Dubai ansässig. Wir sind multikulturell, und bei uns arbeiten Angestellte aus 60 Ländern. Die meisten unserer Konkurrenten sind vor allem stark in Südostasien vertreten. Unser Ansatz ist es jedoch, ein wirklich globales Unternehmen mit globaler Ausrichtung und globaler Innovation zu werden. Man könnte Dubai dabei als operationellen Hauptsitz betrachten.
Bitget betreibt ihre Ländergesellschaft wie Start-ups mit eigenen Budgets. Wenn es im Kryptomarkt keine Grenzen gibt, ist das doch eher widersprüchlich?
Jede Region hat ihre eigene Führung. Sie entscheidet, wie sie expandieren will, welche Produkte auf den Markt kommen und welche Veranstaltungen gesponsert werden sollen. Die lokale Gewinnverantwortung hat uns geholfen, als Unternehmen zu wachsen und profitabel zu werden.
Wo befinden sich diese 120 Millionen Nutzer? Sind sie hauptsächlich in Osteuropa, in Asien, auf der Arabischen Halbinsel oder...
Auf jeden Fall in Osteuropa, Lateinamerika und auch Südostasien. Das sind die drei wichtigsten Märkte. Aber im Vergleich zu allen anderen Börsen sind wir weniger stark auf bestimmte Regionen konzentriert, sondern eher gleichmässig verteilt. Und auch hier hat uns unsere Strategie, jeder Region und jedem Land eine gewisse Unabhängigkeit zu gewähren, dabei geholfen, ein ausgewogeneres Geschäft zu betreiben, anstatt uns auf einen einzigen Aspekt zu konzentrieren.
Und welches sind Ihre stärksten Märkte in Europa?
Unser Markt ist Osteuropa, die baltischen Länder, Lettland und auch Südeuropa. Italien wird einer der wichtigsten Märkte für uns sein, wenn man bedenkt, wie gut wir dort positioniert sind. Wir sind kürzlich eine Partnerschaft mit MotoGP in mehreren Ländern eingegangen, darunter beim Grossen Preis von Italien, von Katalonien und von Deutschland. Das hilft uns, eine bessere Verbindung zu den Rennsportliebhabern in der Region aufzubauen.
Sie möchten im Bereich Zahlungsdienste expandieren. Werden Sie dafür einen eigenen Stablecoin einführen?
Nein, das planen wir nicht. Unsere Idee ist, jedem den Zugang zu Zahlungsannahme und -abwicklung zu ermöglichen, und zwar auf eine Blockchain-unabhängige Weise. Egal welcher Token der Kunde hat, er soll diesen in der Zahlungsmethode des Händlers nutzen können, anstatt in einen Stablecoin zu wechseln.
Bitget nimmt in Anspruch, führend im Handel mit Altcoins zu sein. Ist das eine bewusste Entscheidung gegen Bitcoin, ist es Zufall oder wird sich das mit der Zeit ändern?
Bis ins vergangene Jahr hat der Bitcoin den Handel unter den Privatinvestoren dominiert. Doch die Investoren suchen vermehrt Zugang zu anderen innovativen Token-Projekten, die hohe Renditen versprechen. Wir bieten hier als aufstrebender Handelsplatz eine Palette an vielversprechenden Altcoins an. Die Auswahl ist grösser als bei anderen etablierten Anbietern, aber nicht so umfangreich wie bei weniger bekannten Börsen, die Tausende von Token handeln. Seit 2024 haben wir auch unser institutionelles Angebot erweitert und bedienen heute fast alle grossen Institutionen, die in den Kryptobereich expandieren. In den meisten Fällen werden heute 80 Prozent der Handelsgeschäfte auf dem Spotmarkt von den Institutionen selbst getätigt.
Aber wie viele Token haben Sie tatsächlich auf der Plattform? Und wie oft fügen Sie neue hinzu oder entfernen Sie Token?
Wir haben stets ein Angebot von rund 700 bis 750 Token. Auf dem Spotmarkt bieten wir etwa 600 Paare an, die gehandelt werden können. In der Regel wird jede Woche ein neues Projekt gelistet. Aber es gibt auch Monate, in denen wir keinen einzigen neuen Token aufnehmen. Wir konzentrieren uns auf Projekte, die über ein ausreichendes Aufwärtspotenzial verfügen. Wir haben aber strenge Anforderungen an die Liquidität und den Liquiditätpool, der bei der Börse verbleiben muss.
Jede Kryptoplattform wirbt damit, dass sie die besten Konditionen, die engsten Spreads hat und über das tiefste Orderbuch verfügt.
Bei Bitget ist alles transparent und auch vom Privatanleger einsehbar – ob Orderbuch oder Liquidität. Ich empfehle dem Investor, vor dem Transaktionsabschluss, zwei oder drei Börsen miteinander zu vergleichen, etwa die Preisspanne zwischen Kauf und Verkauf. Wenn sie mit meinen Kollegen von Bybit oder Binance sprechen, werden diese gleich argumentieren, weil die führenden Handelsplätze nach der gleichen Logik arbeiten und wir alle versuchen, ähnliche Kriterien für die gelisteten Projekte durchzusetzen, um einen effizienten Handel sicherzustellen. Bitget regt aber auch an, dass die Investoren die Projekte hinter dem Token genauer studieren und verstehen.
Handelsplätze wie Robinhood haben damit begonnen, traditionelle Aktien zu tokenisieren und diese auf der Blockchain zu handeln. Ist das ein Geschäft, das Sie auch im Auge haben?
Nein, wir konzentrieren uns auf Web-3-Projekte auf der Blockchain. Wir führen deshalb einen 100-Millionen-Dollar-Fonds, mit dem wir aktiv in Layer-2-Infrastrukturprojekte investieren. Unser Ziel ist es, ein besseres Finanzinstrument zu entwickeln und nicht eine Handelsplattform für alle Vermögenswerte zu werden. Bis zum vergangenen Jahr habe ich gesagt, dass ich daran glaube, dass zentralisierte Börsen wie wir in Zukunft zu bankähnlichen Organisationen werden. Aber jetzt sehen wir, dass immer mehr Banken zu börsenähnlichen Organisationen werden, die Rohstoffe, tokensierte Vermögenswerte und Kryptowährungen handeln und eine robuste Plattform für Kauf und Verkauf werden. Bitget will jedoch die globalen Probleme im Finanzsystem lösen, nämlich grenzüberschreitende Transaktionen, Zugang zum Finanzsystem für Menschen ohne Bankkonto. Deshalb zielt unsere Entwicklung darauf ab, ein besseres Zahlungssystem für Händler aufzubauen, damit wir ihnen bessere Konditionen bieten können als beispielsweise Visa oder Mastercard. Zudem wollen wir die Cashflow-Probleme durch sofortige Abrechnung lösen, anstatt die Händler 15 bis 20 Tage warten zu lassen. In unserer Zusammenarbeit mit Mastercard ermöglichen wir Wallet-Nutzern, auf ihre Prepaid-Debitkarten zuzugreifen, um Kartenzahlungen durchzuführen, anstatt den traditionellen Bankweg zu gehen. Das ist besonders für Menschen in abgelegenen Gebieten Südostasiens wichtig, die keinen Zugang zum Bankensystem haben.
Wen betrachten Sie als Ihren grössten Konkurrenten? Sind es Binance und Coinbase oder sind es Finanzdienstleistungsunternehmen wie Visa oder Mastercard?
Aktuell konkurrieren wir mit Binance, Bybit und allen anderen grossen Kryptobörsen. Aber wir befinden uns an einem Wendepunkt und streben danach, langfristig der nächste grosse Zahlungsabwickler zu werden, der die schnellsten grenzüberschreitenden Transaktionen abwickelt, angesiedelt zwischen Apple Pay und der Visa-Karte. Dabei werden wir diese Produkte nicht direkt konkurrieren, sondern die Menschen auf die Blockchain bringen und eine Art «Stripe on Chain» betreiben.
Sind Übernahmen auch Teil Ihrer Wachstumsstrategie?
Auf jeden Fall. Wie ich bereits erwähnte, verfügen wir über einen Fonds von 100 Millionen Dollar, den wir aktiv investieren. Eine dieser Akquisitionen war unser Bitget-Wallet, früher bekannt als Bitkeep, bei dem wir zunächst nur als Investor tätig waren, bis wir es vor drei Jahren gekauft haben. Ausserdem haben wir mehrere kleinere lokale Börsen in verschiedenen Ländern etwa in Vietnam, Hongkong und der Türkei übernommen, um die lokalen Vorschriften zu erfüllen.
Die grösste Gefahr für Kryptobörsen scheinen bisher Hacker zu sein, die Guthaben und Kundendaten stehlen.
Das ist ein ständiges Problem für die gesamte Krypto-Branche, aber auch weitgehend für die gesamte Finanzbranche. In den vergangenen Jahren wurden auch traditionelle Grossbanken und Regierungen gehackt, dahinter stecken auch geopolitische Motive. Unsere Sicherheitsmassnahmen haben dafür gesorgt, dass wir eine der wenigen grossen Institutionen sind, die noch nie einen ernsthaften Verstoss oder Angriff erlebt haben. Das hat nichts mit Glück zu tun, sondern wir stehen bei der Einführung neuer Protokolle an vorderster Front und arbeiten mit fortschrittlichen Dienstleistern wie SAP zusammen. Wir waren etwa die erste Börse, die KI-Technologie eingesetzt hat, um KI-bezogene Angriffe und Hackerangriffe zu bekämpfen. Wir verfügen zudem über den zweitgrössten Schutzfonds der Branche, der Ende Juni ein Volumen von 700 Millionen Dollar aufwies. Vor einem halben Jahr, als Bybit gehackt wurde, waren wir eines der ersten Unternehmen, das sich eingeschaltet hat. Wir haben Bybit 40’000 Ether zur Verfügung gestellt, um sicherzustellen, dass sie ihre Endnutzer entschädigen können.
Sie sprechen von Osteuropa und Asien, aber jetzt scheint die Regulierung in den USA viel kryptofreundlicher zu sein. Haben Sie Pläne für diesen riesigen Markt?
Wir beobachten die Lage. Unsere CEO hat erwähnt, dass es eine Chance für uns wäre, wenn sich die Situation klarer darstellen würde. Doch die meisten Gesetze in den USA begünstigen amerikanische Unternehmen, das reicht von Präsident Trumps Tweet über Kryptoreserven bis hin zu all den jüngsten Regulierungen. Und da wir kein US-Unternehmen sind, sind wir uns nicht sicher, inwieweit die Situation für uns derzeit von Vorteil sein kann. Aber der Markt wäre allein wegen seiner Grösse sehr interessant.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Der Bitcoin auf Rekordhoch…
… zumindest in Dollar. Am Mittwochabend kletterte die Notierung der ältesten Kryptowährung an einzelnen Börsen kurzfristig auf gegen 120’000 Dollar und markierte eine neue Höchstmarke. Am Freitag etablierte sich die Notierung auf über 118’000 Dollar. Seit vielen Wochen hat sich die Kryptowährung erstaunlich stabil entwickelt und viele Beobachter schon von der «Maturität des digitalen Goldes» schwärmen lassen. In erste Linie war dies aber einer durch Unternehmen verursachten Nachfrageverknappung geschuldet. Diese Gesllschaften kaufen Bitcoin, um die Kryptowährung auf die eigene Bilanz zu nehmen. Anführer dieser Bewegung ist das US-Unternehmen Strategy (ehemals Microstrategy) von Firmengründer Michael Saylor. Allein im zweiten Quartal hat das Unternehmen fast 70'000 Coins erworben und verfügt mittlerweile über einen Bestand von fast 600'000 Bitcoins. Dieses «Bitcoin Treasury» Strategie wird von einer zunehmenden Zahl an Unternehmen imitiert. Im laufenden Jahr sind durch Mining nur rund 170’000 Bitcoins auf den Markt gekommen. Für Frankenanleger gab es aber wegen der Dollarschwäche kein Bitcoinhöchst. In Franken notiert der Bitcoin um die 93’000 Franken. Mitte Dezember 2024 wurde mit über 94'000 Franken ein Rekord geschrieben. Und wie geht es weiter? – Die Prognosen sind grösstenteils bullish. Nicht gerade alle so wie Michael Saylor. An der Bitcoin-Konferenz in Prag sagt er vor kurzem voraus, dass die Notierung in 21 Jahren auf 21 Millionen Dollar steigen wird. Doch die Nachfrage von Unternehmen und Staaten (und Bundesstaaten), die eine strategische Kryptoreserve aufbauen wollen, dürfte hoch bleiben. Zudem fliessen auch immer mehr Coins in neue Finanzinstrumente wie ETF und ETP. Bitcoin-Investoren haben die Angewohnheit «Hodlers» zu sein, also zu kaufen und zu halten – und dem Bitcoin beim Steigen zuzuschauen.
Ex-Krypto-Miner kauft Krypto-Miner
Coreweave, ein US-Anbieter für KI-Cloud-Computing und Partner des Chip-Herstellers Nvidia, erwirbt für 9 Milliarden Dollar den Bitcoin-Miner Core Scientific in einem Aktientausch. Die Übernahme gelingt im zweiten Anlauf. Coreweave versuchte bereits im vergangenen Jahr den Miner zu kaufen. Coreweave war zuvor selbst ein Krypto-Miner, der zum Anbieter für KI-Cloud-Infrastruktur wurde. Angeboten wird High Performance Computing in der Cloud, optimiert für KI-Anwendungen. An der Börse wird das Unternehmen mit knapp 80 Milliarden Dollar bewertet. Coreweave ist bekannt für einen grossen Bestand an Nvidia-Prozessoren und entwickelt auch eine eigene Chip-Management-Software. Core Scientific arbeitete bereits zuvor mit dem neuen Besitzer zusammen. Durch den Kauf werden gemäss Angaben von Coreweave künftige Leasingverpflichtungen in Höhe von 10 Milliarden Dollar entfallen. Das fusionierte Unternehmen will zukünftig Infrastruktur für Unternehmen anbieten, die KI-Anwendungen trainieren und betreiben.