Analyse
Das Schweizer Wettbewerbsrecht schützt UBS vor Kundenklagen. Experten fordern eine Angleichung an die Europäische Union. «Sektoranalysen können sinnvoll sein», sagt ein früherer Vizepräsident der Weko.
23. September 2024 • Beat Schmid

UBS, die Monsterbank. Neben ihr erscheint sogar der mächtige Industriellenverband als Zwerg. «Wir sind enttäuscht von der UBS», sagte Swissmem-Präsident Martin Hirzel vor einer Woche – und veröffentlichte eine Umfrage, in der 23 Prozent der Befragten angaben, die Kreditkonditionen oder die Servicequalität der UBS hätten sich verschlechtert. Für die Grossbank sind die Klagen ihrer Kunden allerdings hauptsächlich «Lärm». Streng genommen, hat die UBS recht: Es muss sie nicht kümmern, wenn ein Unternehmen Kritik übt – auch deshalb nicht, weil sie durch einen kaum überwindbaren doppelten Schutzwall aus juristischen Regeln abgesichert ist.

Zum einen sorgt eine Klausel im Bankengesetz dafür, dass die Wettbewerbskommission bei der Fusion von UBS und Credit Suisse (CS) ausgehebelt wurde. Die Weko durfte zwar eine Stellungnahme zuhanden der Finma verfassen und darin vor Preiserhöhungen sowie einer möglichen marktbeherrschenden Stellung der Grossbank warnen. Die Finma jedoch wischte diese Bedenken weg. Für die Bankenaufsicht ist es wichtig, dass die UBS gut kapitalisiert ist, und nicht, dass Industrieunternehmen gute Bankdienstleistungen erhalten.

Einen wirksamen Schutz bietet der UBS auch das Wettbewerbsrecht. Es sieht vor, dass die Weko nur «nachträglich und im konkreten Einzelfall» eingreifen darf. Konkret bedeutet das: Swissmem müsste bei der Weko eine Anzeige einreichen, in der sie darlegt, auf welchem Markt die UBS übermächtig ist und dass die verschlechterten Kreditkonditionen einen Missbrauch dieser vermuteten Marktmacht darstellen. Die Weko-Beamten müssten dann bei der UBS abklären – später auch bei anderen Banken wie der ZKB oder der Raiffeisen –, ob der Sachverhalt gegeben ist oder nicht. Die Abklärungen würden nicht Monate, sondern Jahre dauern und sich immer nur auf den konkreten Einzelfall beziehen.

Nach vielen Jahren könnte schliesslich ein Urteil über missbräuchliches Marktverhalten vorliegen; die Bank müsste dann eine Busse bezahlen. Das Problem: Der Marktverstoss liegt weit in der Vergangenheit. In der Zwischenzeit hat sich die Wettbewerbssituation längst verändert.

Nicht wirksam in komplexen Märkten

Dass die Weko erst im Nachhinein eingreifen kann, ist ein Problem: «Das heutige Schweizer Wettbewerbsrecht ist wenig geeignet, um komplexe Märkte zu überwachen», sagt Kartellrechtsprofessor Patrick Krauskopf, der von 2001 bis 2009 Vizedirektor der Weko war und heute als Anwalt tätig ist. Die Wettbewerbshüter hätten bei Verfahren heute immer nur «einen Bruchteil des Markts» im Blick. Gerade in komplexen Märkten wie dem Gesundheitswesen, der Finanzindustrie oder den digitalen Märkten sie dies ein Nachteil.

Für den Rechtsexperten besteht deshalb kein Zweifel, dass das Kartellrecht angepasst werden muss. «Mit sogenannten Sektoruntersuchungen könnte die Schweiz viel besser auf die dynamischen Veränderungen reagieren», sagt Krauskopf. Auch die Weko setzt sich für die Einführung von Sektoruntersuchungen ein, wie sie in ihrer Stellungnahme zur CS-Übernahme festhielt.

Hätte die Wettbewerbskommission dieses Instrument, könnte sie sagen: Wir schauen uns den Markt als Ganzes an – am Ende einer Sektoruntersuchung würde sie feststellen, in welchen Bereichen der Wettbewerb funktioniert und in welchen nicht. Wo er nicht funktioniert, könnte die Weko sagen: Hier ist die UBS marktbeherrschend. Nach deutscher Kartellrechtspraxis würde die Bank dann für fünf Jahre als marktbeherrschend eingestuft. Die Weko könnte sich dann voll auf das Verhalten der UBS konzentrieren und müsste nicht auf einen konkreten Kartellverstoss warten.

«Sektoranalysen können sinnvoll sein», sagt Krauskopf. Man erkenne damit, wie Märkte und einzelne Player darin funktionierten, und verstehe, weshalb ein Markt nicht funktioniert. Wichtig ist dabei laut Krauskopf, dass Wettbewerbsbehörden verhältnismässig vorgehen. Es müsse vermieden werden, dass die Informationsbeschaffung zu ausufernden Ermittlungshandlungen führt. Sektoruntersuchungen müssen zielgerichtet und innert 12 bis 18 Monaten abgeschlossen sein, sonst verfehlen sie ihre Wirkung.


Der Autor ist der Herausgeber von tippinpoint. Er schreibt regelmässig für den SonntagsBlick. Dort wurde der vorliegende Artikel am 22.9.2024 publiziert.

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