Grossbanken
Der UBS-Chef beklagt, dass Aufsicht und Politik das Entstehen grosser Finanzinstitute in Europa eher verhindern als fördern. Eine kuriose Kritik angesichts der staatlich unterstützten Übernahme der CS vor einem Jahr. Und nicht nur deshalb.
8. März 2024 • Beat Schmid

UBS-Chef Sergio Ermotti hat Politik und Aufsicht in Europa scharf kritisiert. Seiner Ansicht nach machen die europäischen Aufseher den Banken des Kontinents im Vergleich zu den USA das Leben schwer, anstatt sie bei ihrer internationalen Expansion zu unterstützen.

«Europa hat alles getan, was es konnte, um Banken daran zu hindern, grösser oder erfolgreicher zu werden», sagte Ermotti in einem Podcast mit Nicolai Tangen, dem Chef von Norges Bank Investment Management, der am Mittwoch unter anderem auf Spotify veröffentlicht wurde. Der norwegische Staatsfonds ist nach Blackrock der zweitgrösste Aktionär der Bank.

Laut Ermotti spielen auch nationale Interessen eine Rolle. Er glaubt, dass jedes Land in Europa seinen eigenen starken nationalen Akteur haben möchte, ohne dabei die globale Marktdominanz zu berücksichtigen. «Es gibt in Europa immer noch ein sehr engstirniges Denken über Grossbanken», sagte der UBS-Chef.

Auf Englisch formulierte er es so: «There is a political desire to not allow banks to become too big, still a lot of parochial thinking in Europe about big banks». Das sind harte Worte von Ermotti. Hat er sie aus einer Laune heraus gesagt? Oder ist etwas dran?

Hochprofitabel in der Schweiz

Schauen wir zunächst in die Schweiz, den Heimmarkt der UBS. Hier hat der Regulator der UBS erlaubt, unter Aushebelung des Wettbewerbsrechts ihre Hauptkonkurrentin zu übernehmen. Zu einem Preis nota bene, der weithin als viel zu billig kritisiert wurde. Mit dem Kauf der Credit Suisse hat Ermottis Bank in der Schweiz eine enorme Macht erlangt.

Das Schweizer Retail- und Firmenkunden-Geschäft ist mit Abstand das profitabelste der UBS und dürfte nach der CS-Fusion noch profitabler werden. Das Aufwand-Ertrags-Verhältnis verbesserte sich im vierten Quartal 2023 auf 54 Prozent. Das bedeutet, dass die Bank für jeden Franken Ertrag 46 Rappen Cashflow generiert. Eine Traumquote.

Zudem gilt in der Schweiz für alle Banken, auch für die ausländischen und damit auch für die amerikanischen, die Regel der «engstirnigen» Finma. US-Banken haben in der Schweiz keinen Wettbewerbsvorteil.

Dass die UBS in der Schweiz zum dominanten Player geworden ist, dürfte viele Akteure eher abschrecken, der Megabank Paroli zu bieten. In einigen Bereichen des Firmenkundengeschäfts nimmt die Grossbank eine monopolartige Stellung ein, die Konkurrenten erst recht vom Markteintritt abhält. Es besteht die Gefahr, dass dies zu einer ungesunden Marktsituation führt, wie wir sie in der Schweiz im Telekommunikationsmarkt, bei den Postdiensten oder im Detailhandel kennen.

Hat die Finma engstirnig gehandelt, als sie AT1-Bonds im Umfang von 16 Milliarden Franken abschrieb und grünes Licht für den Kauf der CS gab? Man kann der Finma vieles vorwerfen, aber das sicher nicht.

Weltgrösster Wealth Manager

Auch beim Wealth Management, der wichtigsten, wenn auch nicht profitabelsten Sparte der Bank, zielt Ermottis Kritik ins Leere. Welcher engstirnige Regulator in Europa hat die UBS daran gehindert, zum weltgrössten Vermögensverwalter aufzusteigen? Man findet keinen. Wenn sich die UBS in diesem Bereich schwer tut, dann weil sie ein Kostenproblem hat und ihren Bankern viel zu hohe Entschädigungen zahlt.

Im Investmentbanking, dem dritten Standbein der UBS, könnte es am ehesten Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Banken geben. Gerade diese Woche hat die Fed signalisiert, dass sie neue Basel-III-Anforderungen in den USA vielleicht doch nicht so streng umsetzen wird wie geplant. Damit zeigt die Aufsicht ein gewisses Entgegenkommen gegenüber den Banken.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass sich Unternehmen der Realwirtschaft, die auf Kredite angewiesen sind, ebenfalls für eine Abschwächung der Regeln einsetzen. Das macht ganz offensichtlich Eindruck. Ein gemeinsames Lobbying von Grossbanken und Realwirtschaft ist in Europa und in der Schweiz kaum zu beobachten. Aber ist das das Problem der europäischen Aufsichtsbehörden?

Derzeit haben europäische und amerikanische Banken aus regulatorischer Sicht mehr oder weniger gleich lange Spiesse. Vergleicht man die Eigenmittelausstattung der Banken, zeigen sich jedenfalls kaum Unterschiede. Bei den risikogewichteten Kapitalquoten haben europäische Banken im Schnitt dickere Polster, bei der sogenannten Leverage Ratio ist es umgekehrt.

Zudem, und das ist der wichtigere Punkt, spielt das Investmentbanking bei der UBS seit der Finanzkrise strategisch ohnehin nur noch eine untergeordnete Rolle. Dies war nicht nur politisch, sondern auch von der UBS so gewollt. Spätestens nach dem milliardenschweren Adoboli-Flop entschied sich die Bank, das Investmentbanking in den Dienst des Wealth Managements zu stellen. Aus diversen Wall-Street-Disziplinen hat sich die Bank inzwischen zurückgezogen.

Dass nun die amerikanischen Grossbanken den Takt vorgeben, hat somit nichts mit «engstirnigen» Regulatoren zu tun, sondern ist das Ergebnis der eigenen Strategie – die Sergio Ermotti in seiner ersten Amtszeit selbst umgesetzt hat.

MEHR ZUM THEMA


Spitzenbanker Francesco De Ferrari verlässt die UBS

Der ehemalige Private-Banking-Chef der Credit Suisse hat die Bank bereits Ende 2023 verlassen. Nach der Übernahme war er Berater von Iqbal Khan.
1. März 2024

UBS und Credit Suisse haben identische Zinssätze - eigentlich sollte das nicht sein

Auf dem Papier sind UBS und Credit Suisse immer noch zwei unabhängige Banken. Doch für Sparerinnen und Sparer spielt es keine Rolle, bei welcher Grossbank sie ihr Geld anlegen.
29. Februar 2024

Weko nimmt Stellung zu heiklen Repricing-Aussagen von Sergio Ermotti

Die Grossbank wolle Geschäfte von CS-Kunden «repricen» und/oder kündigen, sagte der UBS-Chef. Die Wettbewerbskommission nimmt die Aussagen von Ermotti zur Kenntnis und spricht eine Warnung aus.
22. Februar 2024