Impact Investing
Nach schwierigen Jahren will die Zürcher Impactpionierin 2023 ein neues Kapital aufschlagen – CEO Rochus Mommartz kündigt Neugelder in der Höhe von bis zu 1,7 Milliarden Dollar an.
20. Januar 2023 • Beat Schmid

Eigentlich ist Impact Investing das Thema der Stunde. Doch schaut man auf die Performance eines Pioniers in diesem Anlagesegment, zeigen sich lange Jahre der Stagnation. Die vor 20 Jahren gegründete Zürcher ResponsAbility wies Ende 2022 etwa so viel Asset aus wie im Jahr 2016. Rund 3 Milliarden Franken.

In einer Zeit, als Sustainability zum Modethema wurde und immer mehr Gelder in Impact-Projekte flossen, ist Stagnation mit Rückschritt und Marktanteilsverlust gleichzusetzen. Links und rechts zogen Konkurrenten vorbei. Die Statistik von Swiss Sustainable Finance weist für die Jahre zwischen 2017 und 2021 einen Anstieg von 12,1 auf 101 Milliarden Franken im Impact-Segment aus (+740%).

Die Gelder flossen überall hin, nur nicht zu RepsponsAbiltiy. Das sorgt für Unruhe in dem Unternehmen, wie zwei unabhängige Quellen die Stimmungslage beschreiben. Für sie ist Geschäftsleitungsmitglied Stephanie Bilo eine der Hauptverantwortlichen. Sie stiess 2019 zur ResponsAbility und sollte frischen Wind und mehr Bankingprofessionalität in das Unternehmen bringen. Und, der wichtigste Job, die Produkte von ResponsAbility bei institutionellen Investoren auf die Einkaufsliste setzen.

Auf der Bühne mit Jamie Dimon

Bilo arbeitete zuvor bei Morgan Stanley und J.P. Morgan. Sie beschäftigte sich mit Finanzderivaten und sass mit Jamie Dimon auf einer Bühne, dem vielleicht einflussreichsten Banker der Welt. Für viele langjährige Mitarbeiter ist sie deshalb ein rotes Tuch. “Sie kommt von J.P. Morgan, ist sehr aggressiv, versteht aber wenig von Impact-Geschäft. Auch deshalb bleiben die Erfolge aus. Denn sie ist unglaubwürdig”, beschreibt eine Quelle die Managerin.

Etliche Mitarbeiter haben gekündigt. Die Marketing-Chefin, der Chef der neu gebildeten Klima-Abteilung, der ESG-Chef und etliche Sales-Leute. So etwa der Zuständige für das Geschäft mit Entwicklungsbanken, der Skandinavien-Chef und ein Spezialist mit Kontakten zu Wholsesale-Kunden. Es sind Mitarbeiter, die zum Teil viele Jahre dabei waren und für die der positive Impact an erster Stelle stand. Mit Investitionen “Gutes” zu tun, hat für sie oberste Priorität – und nicht möglichst attraktive Renditen für Kunden.

Tatsächlich dürfte Bilo mit ihrem forschen Auftritt einige Alteingesessene aus der Komfortzone herausgerissen haben. Neben Führungs-, Stil- und Kulturfragen stellt sich bei Stephanie Bilo eine weitere, entscheidende Frage: Es geht um ihren Leistungsausweis als Moneyraiserin. Bisher ist es ihr noch nicht gelungen, die alle gesteckten Ziele zu erreichen und ResponsAbility bei institutionellen Kunden wie Pensionskassen, Versicherungen und Family Offices nachhaltig zu verankern. In diesem Jahr muss sie Erfolge erzielen, sonst wird der Druck auf sie immer grösser.

“Ende des Jahres werden wir 5 Milliarden Dollar verwalten”

Gefordert ist auch Rochus Mommartz, der seit Beginn dabei ist und 2016 zum CEO ernannt wurde. Im Gespräch mit Tippinpoint erklärt er: “In diesem Jahr streben wir ein Wachstum um 40 Prozent an und werden die verwalteten Vermögen um 1,5 bis 1,7 Milliarden Dollar steigern. Wir werden bereits im ersten Quartal 2023 um mehr als 1 Milliarde wachsen und Ende des Jahres 5 Milliarden Dollar verwalten.” Dadurch wird sich die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 30 bis 40 erhöhen, sagt er.

Wie kommt es dazu, dass jetzt plötzlich die Gelder fliessen? Der Zufall will es, dass ResponsAbility diesen Donnerstag die Lancierung von zwei neuen Fonds im Bereich Landwirtschaft und Food durchziehen konnte. Insgesamt fliessen im Rahmen eines First Closings 300 Millionen Dollar Neugeld zu. 250 Millionen stammen vom britischen Asset-Manager M&G, der ResponsAbility letztes Jahr gekauft hat. Am 1. März kommen weitere 900 Millionen ins Unternehmen. Dann wird ResponsAbility offiziell das SIFEM-Mandat des Bundes übernehmen. Weitere 300 bis 500 Millionen Dollar sollen in neue Produkte und bestehende Mandate fliessen.

Zur Stagnation der letzten Jahre sagt Mommartz: “Es ist richtig, dass die verwalteten Vermögen bei ResponsAbility zwischen 2016 und 2022 nur um netto 700 Millionen Dollar zunahmen. Allerdings mit einer stark neu gestalteten Produktlandschaft.”

“Dass wir während des Jahres 2022 mehrere neue Produktangebote für institutionelle Investoren zurückgehalten haben, hat damit zu tun, dass wir einen Wechsel des Shareholder hatten. Eine solche Veränderung führt dazu, dass viele institutionelle Investoren erst einmal abwarten, um zu sehen, ob der Aktionärswechsel Änderungen mit sich bringt und, noch wichtiger, ob der neue Eigentümer ebenfalls in unsere neuen Produktangebote investiert.”

“Ich werde CEO von ResponsAbility bleiben”

Es gab Gerüchte, Mommartz werde den Job des CEO schon bald abgeben, da er letztes Jahr in den Verwaltungsrat gewählt wurde. Dazu sagt er: “Ich werde CEO von ResponsAbility bleiben. Dass ich beim Eintritt unseres neuen Mehrheitsaktionärs ins Board gewählt wurde, ändert nichts daran. In England, wo unser Shareholder herkommt, sind Executive-Board-Mitglieder die Regel.”

Zur Performance von Stephanie Bilo sagt er, sie habe bereits 2021 und 2022 "mehrere signifikante institutionelle Tickets im dreistelligen Millionenbereich" gewinnen können. Der Anteil von institutionellem Geld liege somit bei fast 50 Prozent. Damit habe sie bewiesen, dass die neue Strategie funktioniere.

Zu den Unruhen im Unternehmen sagt Mommartz: “ResponsAbility ist ein Pionierunternehmen im Impact-Bereich. Traditionell sind wir stark im Microfinance-Geschäft. Seit 2012 haben wir systematisch das Private-Equity-Geschäft sowie auch den Klima-Bereich aufgebaut. Auf diese Bereiche entfallen heute rund 50 Prozent unserer Assets. Diese Veränderungen mit stärkerer Ausrichtung auf institutionelle Investoren, die auch personelle Auswirkungen hatten, wurden nicht immer von allen Stakeholdern nur positiv wahrgenommen.”

Selbstkritisch sagt er zum Schluss: “Sicherlich gab es auch Situationen, die wir besser hätten managen können. Als CEO ist dies letztendlich immer meine Verantwortung.”

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