Wie viel Wert war die Credit Suisse zum Zeitpunkt des staatlich aufgegleisten Deals mit der UBS? Mit dieser Frage muss sich das Zürcher Handelsgericht befassen. Am 28. August haben Legalpass und die Zürcher Anwaltskanzlei Baumgartner Mächler im Namen hunderter ehemaliger CS-Aktionärinnen und -Aktionäre eine Klageantwort eingereicht.
Zentrales Element dieser Klageantwort ist eine «unabhängige Bewertung», die zeigen soll, dass der Wert der CS-Aktien «deutlich über dem Preis lag, den die UBS der CS zum Zeitpunkt der Übernahme geboten hat». Die Bewertung wurde von der deutschen Beratungsfirma IVA Valuation & Advisory AG mit Sitz in Frankfurt erstellt. Die Kläger legten ein Rechtsgutachten von Harald Bärtschi bei, Rechtsanwalt in Dietlikon und Titularprofessor für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich.
Die Bewertung kommt zu einem deutlich höheren Preis als die 76 Rappen pro Aktie, welche die UBS im Rahmen des Aktientausches angeboten hatte. Je nach Methode kommt die deutsche Beratungsfirma auf eine Bewertung zwischen 3.67 und 9.26 Franken. Also 5 bis 12 Mal mehr als der von der UBS gebotene Preis. Dies entspräche einem Unternehmenswert von 15 bis 36 Milliarden Franken. Für ihre Schätzung mussten sich die Berater auf öffentlich zugängliche Informationen stützen. Zur Erinnerung: Am Freitagabend vor der Zwangsfusion lag der Kurs der CS-Aktie bei 1.86 Franken.
Die Gutachter stellen sich auf den Standpunkt, dass der Übernahmepreis «auf der Grundlage der Unternehmensfortführung» zu bestimmen sei. Am ominösen 19. März habe festgestanden, dass die Aktivitäten der Credit Suisse von der UBS als Teil der UBS weitergeführt würden. Die Beurteilung müsse auf den «tatsächlichen Gegebenheiten» beruhen und nicht auf «hypothetischen und irrelevanten Szenarien» wie Konkurs oder Bail-in. Diese Haltung entspreche auch der Praxis des Bundesgerichts.
Da Legalpass das Gutachten nicht veröffentlicht hat, bleibt unklar, wie genau die Berater von IVA die Preise berechnet haben. Unklar ist auch, inwiefern die Staatshilfe von über 250 Milliarden Franken in die Bewertung eingeflossen ist. Die beispiellose Unterstützung durch Bund und Nationalbank war ganz entscheidend für die rasche Beruhigung der Lage.
Eine ganz andere Sichtweise hat die UBS, die in ihrer Klageantwort vom März 2024 das Bild einer Bank zeichnete, deren Niedergang rückblickend unausweichlich war. Am Wochenende vom 18. und 19. März sei für alle Beteiligten klar gewesen, dass die CS-Gruppe ihre Insolvenz nicht mehr abwenden konnte. Ohne Rettung wäre die Bank am Montag zusammengebrochen und es hätte nicht nur ein «Totalausfall für die Aktionäre, sondern auch eine weltweite Finanzkrise gedroht», schrieben die Anwälte von Bär & Karrer unter der Leitung von Rolf Watter im Auftrag der UBS.
Die «Rettungsfusion» sei auch für die UBS ein grosses Risiko gewesen, heisst es in der Antwort. Und es sei der Bank nie um ein «Geschenk» gegangen, wie es die Aktionärsklagen zu unterstellen versuchten. Aus Sicht von Bär & Karrer wäre jeder Preis über null angemessen gewesen. Es hätte also auch ein symbolischer Franken für die CS sein können. Allerdings räumt auch die UBS ein, dass die «Rettungsfusion» mit staatlicher Beteiligung kein alltäglicher Fall gewesen sei. Trotzdem beharrten die Anwälte darauf, dass die CS-Aktien keinen Wert mehr gehabt hätten, weil die Bank ohnehin in Konkurs gegangen wäre. Dass nun CS-Aktionäre das Umtauschverhältnis anfechten, sei «rechtlich haltlos».
Neutrales und unabhängiges Gutachten gefordert
Die Standpunkte der UBS und der Kläger sind also völlig gegensätzlich. Legalpass und Baumgartner Mächler fordern das Zürcher Handelsgericht auf, ein neutrales und «unabhängiges Gutachten» eines vom Gericht ernannten Experten einzuholen und die UBS anzuweisen, interne Finanzdaten der CS herauszugeben. Ein solches auf internen Daten basierendes Gerichtsgutachten könne zu Ergebnissen führen, die von den Resultaten des Privatgutachtens «sowohl nach oben als auch nach unten» erheblich abweichen, schreiben sie.
Die UBS und ihre Anwälte von Bär & Karrer stützen sich auf ein Gutachten von Thomas Vettiger, Mitbegründer der Beratungsfirma IFBC und Lehrbeauftragter an der Universität Zürich. Die SonntagsZeitung warf letzte Woche die Frage auf, ob Vettiger befangen sei, da seine Firme für die UBS gearbeitet habe. Vettiger sitzt auch im Verwaltungsrat der Immobilienfirma Investis Holding, die mit Hilfe der UBS eine Anleihe über 100 Millionen Franken platziert hat. Die UBS ist auch in Immobilienfonds der Firma investiert.
Allerdings wurde das Vettiger-Gutachten im Rahmen der Klageantwort der UBS erstellt und war damit per se nicht unabhängig, was allen Beteiligten klar ist.