Alle Augen auf Ether: Seit dem jüngsten Bericht zur Ethereum-Blockchain vor zwei Wochen auf diesem Medium, hat sich das Ether-Fieber nochmals akzentuiert. Die Zuflüsse in Ether-ETF übertrafen mit 1,8 Milliarden Dollar jene in Bitcoin-ETF um das Zehnfache. Die erst jüngst in den Fokus geratenen Ether-Treasury-Unternehmen kaufen regelmässig neue Token auf ihre Bilanzen.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Gentwo und Luma Financial Technologies kooperieren im AMC-Handel
• RealUnit: Erfolg mit Goldposition
In der vergangenen Woche hat der Ether wie der Bitcoin etwas Federn gelassen. Wegen der institutionellen Akkumulation, der regen Verwendung für Stablecoins und Defi-Anwendungen sind die Ether-Bestände auf Handelsplätzen jedoch drastisch gesunken. Meist ein Zeichen der Knappheit und bald steigender Notierungen. Laut den Daten des Researchhauses CryptoQuant sind die Ethereum-Reserven auf zentralen Börsen auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren gefallen. Seit dem Höchststand von rund 28,8 Millionen Ether im September 2022 haben sich die Bestände demnach um fast 10,7 Millionen Ether reduziert.
Tippinpoint wollte von Marc Baumann, Kryptoexperte und Gründer von FiftyOne Ventures, der in seinem Blog und Newsletter schon länger über einen anhaltenden Aufwärtstrend von Ether schreibt, wissen, woher diese «Ether-Euphorie» kommt.
Marc, Du schreibst in einem Post, der Kauf von Ether für 44 Millionen Dollar durch Jack Mas Yunfeng Financial Group sei ein Wendepunkt. Wieso ist dieser eher kleine Kauf so bemerkenswert?
Weil er nur die Spitze des Eisbergs ist. Die Story ist nicht Yunfeng, sondern was sich unter der Oberfläche gerade abzeichnet: Ethereum wird zum Rückgrat eines neuen Finanzsystems. Schon vor zehn Jahren haben Pioniere wie Maja Vujinovic erkannt, dass Smart Contracts und Tokenisierung Finanzprozesse dramatisch beschleunigen und effizienter machen werden. Damals führte sie bei General Electric die erste Trade-Finance-Transaktion mit JP Morgan über Ethereum durch. Heute wird diese Vision Realität.
In den vergangenen Monaten hat Ethereum Bitcoin bei institutionellen Zuflüssen deutlich überholt. Seit Mai verzeichnete Ether über 10 Milliarden Dollar an Nettokapitalzuflüssen, mehr als in allen Monaten seit dem Start im Juli des vergangenen Jahres. Seit Jahresbeginn hat Ether alle grossen Kryptowährungen – einschliesslich Bitcoin – sowie Gold und den Nasdaq 100 in der Wertentwicklung übertroffen. Treasury-Firmen wie Bitmine, Sharplink oder FGNexus akkumulieren seit Wochen gezielt Ether, weil sie nicht nur von der Kursentwicklung profitieren, sondern durch die Nutzung von Staking und DeFi auch laufende Erträge erzielen können, ein Vorteil, den ETF nicht bieten.
Noch wichtiger: Die institutionelle Infrastruktur baut längst auf Ethereum auf. 60 Prozent aller Stablecoins – ein Markt von rund 280 Milliarden Dollar – und über 55 Prozent der tokenisierten Real-World Assets – aktuell etwa 28 Milliarden Dollar – laufen auf Ethereum. Unternehmen wie BlackRock, PayPal, Circle, Robinhood oder Deutsche Bank setzen auf genau dieses Fundament. Und was jetzt noch wie ein einzelner Kauf aussieht, ist in Wahrheit nur das erste sichtbare Signal einer viel tieferen strukturellen Verschiebung.
Wieso kommen Ether-Treasury-Unternehmen erst jetzt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit?
Das Modell ist nicht neu. Michael Saylor hat es mit MicroStrategy bereits 2020 vorgemacht. Was jetzt den Durchbruch gebracht hat, ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Erstens: die politische Kehrtwende in den USA. Die Trump-Regierung hat sich klar pro Krypto positioniert. Mit dem Genius Act wurde die Grundlage geschaffen, dass private Unternehmen in den USA Stablecoins, also digitale Dollars, herausgeben dürfen. Das Weisse Haus veröffentlichte im Juli ein 166-seitiges Strategiepapier, die bislang umfassendste Digital-Asset-Strategie einer westlichen Regierung. DeFi wird darin explizit als neue Kapitalmarkt-Infrastruktur anerkannt und 401k-Pläne dürfen erstmals in digitale Assets investieren. Die SEC startete ausserdem das Project Crypto – ein Vorhaben, das Wertpapiergesetze neu denken und Kapitalmärkte auf die Blockchain vorbereiten soll. Zweitens: das Marktumfeld spielt mit. Wir befinden uns mitten im typischen vierjährigen Krypto-Zyklus – mit klarer Aufwärtsdynamik. Ethereum hat seit Jahresbeginn alle wichtigen Assets übertroffen. Das zieht Kapital an, vor allem solches, das nun regulatorisch grünes Licht hat.
Und genau hier setzen die Treasury-Unternehmen an. Sie sind die Ersten, die dieses neue regulatorische Fenster strategisch nutzen: Sie akkumulieren Ether, positionieren sich für programmierbare Renditen aus Staking und DeFi und bieten institutionellen Investoren ein Exposure, das klassische ETF nicht liefern können.
Wieso die plötzliche Kehrtwende in den USA?
Weil die USA erkannt haben, dass Stablecoins ein geopolitisches Machtinstrument sind. 99 Prozent des 280 Milliarden Dollar schweren Stablecoin-Markts basieren bereits auf dem Dollar – und werden weltweit genutzt, vor allem in Schwellenländern. Mit dem Genius Act verwandeln sie Stablecoins in einen Hebel zur Stärkung des Dollars: Jeder digitale Dollar muss 1:1 mit US-Staatsanleihen gedeckt sein – das schafft weltweite Dollar-Nachfrage, finanziert US-Schulden und treibt private Profite. Statt selbst digitale Zentralbankwährungen zu entwickeln, lässt Amerika den Markt arbeiten – und sichert sich damit einen geopolitischen Vorsprung ohne Geld zu drucken.
Was hat die Ethereum-Blockchain in den vergangenen Jahren gebremst?
Ethereum war nie die lauteste oder aggressivste Chain. Die Ethereum Foundation verfolgt seit jeher eine Philosophie der glaubwürdig neutralen Infrastruktur. Niemand kontrolliert Ethereum zentral. Im Gegensatz dazu haben viele neue Layer-1-Blockchains eine klar kommerzielle Ausrichtung und aggressive Wachstumsstrategien. Ethereum war dagegen zurückhaltender, teils zu langsam bei der Umsetzung der Roadmap, zu wenig präsent im institutionellen Dialog. Diese Zurückhaltung hat das Ökosystem in den vergangenen Jahren gebremst. Aber es war auch ein Weckruf. Die Ethereum Foundation hat die Kritik angenommen, Prozesse angepasst und beginnt nun aktiver, den institutionellen Markt mitzugestalten. Wichtig ist zudem: Ethereum ist ein Protokoll mit zehn Jahren Betriebszeit ohne Totalausfall. Solana, zum Beispiel, hatte mehrere. Was institutionelle Nutzer heute suchen, ist Vertrauen, Stabilität, und Neutralität. Genau das bietet Ethereum.
Wie unterscheiden sich Ether-Sammler von Bitcoin-Treasury-Unternehmen wie Strategy?
Bitcoin ist digitales Gold, Ethereum ist digitale Infrastruktur mit Cashflows. Ether generiert produktive Rendite – 3 bis 4 Prozent Staking-Yield plus Zugang zu Real World Assets und DeFi Renditen. Ethereum dominiert mit über 90 Milliarden Dollar TVL (Total Value Locked, Anm. der Red.) das DeFi-Ökosystem. Das ist mehr als das Zehnfache von Bitcoin. Für ETH-Treasury-Unternehmen ist das ein strategischer Vorteil: Sie können nicht nur halten, sondern aktiv Kapital auf Ethereum einsetzen, durch Staking, Restaking, und die Teilnahme an DeFi-Protokollen.
Wenn ETF kein Staking und andere DeFi-Renditen anbieten können, die Treasury-Unternehmen aber schon, gibt es für Ether-ETF wahrscheinlich keine Zukunft, oder?
Doch. ETF sind reguliert, liquide, einfach handelbar und für viele Investoren ein einfacher Einstieg. Treasury-Unternehmen sind dagegen risikoreicher, bieten aber auch mehr strategische Optionen. Am Ende geht es nicht um ein «Entweder Oder», sondern um unterschiedliche Risiko-Rendite-Profile im Portfolio. Was aber auch klar ist: Viele der neuen Treasury-Unternehmen müssen nun unter Beweis stellen, dass sie ihre Strategie umsetzen können. Das wird ein entscheidender Prüfstein der nächsten Monate.
Weil Treasury-Unternehmen mit Hebeln, d.h. Fremdkapital arbeiten, bedrohen sie in einem Krypto-Winter die Stabilität des Sektors. Siehst Du das auch so?
Das Modell ist nicht per se instabil, aber es birgt klare systemische Risiken, insbesondere in einem Bärenmarkt. Treasury-Unternehmen halten heute circa 100 Milliarden Dollar, rund 2,5 Prozent des gesamten Krypto-Marktes. In einem Marktumfeld, in dem die Kurse weit unter dem Einkaufspreis liegen, kann das schnell zum Problem werden. Dann bleiben oft nur zwei Optionen: Neue Aktien ausgeben oder Assets verkaufen, was beides Druck auf den Markt auslöst.
Wird Ethereum nun tatsächlich zum Weltcomputer und wird als bevorzugte Basis von DeFi, Tokenisierung und Stablecoins dienen?
Ethereum ist heute die dominierende Plattform für programmierbare digitale Vermögenswerte. Ethereum ist stabil und neutral. Eigenschaften, die Entwickler, Unternehmen und Regulierer gleichermassen anziehen. Dieser Netzwerkeffekt verstärkt sich zyklisch: Mehr Entwickler bedeuten mehr Anwendungen, mehr Anwendungen ziehen mehr Nutzer und Kapital an, was wiederum die Infrastruktur verbessert und neue Innovationszyklen auslöst. Aber: Ethereum ist kein Monopolist. Andere Protokolle – etwa Avalanche oder Canton – punkten mit vertikaler Spezialisierung oder Datenschutz.
Wenn Ether gleichzeitig zur Wertaufbewahrung benutzt wird, dürften nicht nur andere Kryptowährungen leiden, sondern auch der Bitcoin. Wird Ethereum zum entscheidenden Asset im Krypto-Sektor?
Ethereum ist bereits heute das entscheidende Asset. Nicht, weil es Bitcoin verdrängt, sondern weil es eine völlig andere Rolle spielt. Bitcoin bleibt das digitale Gold: das erste, neutralste, und dezentralste Krypto-Asset. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Aber Ethereum entwickelt sich zur produktiven, Ertrags-generierenden Reserve, zum Betriebssystem der Finanzmärkte. Warum gerade Ethereum? Weil es nicht um Technologie geht, sondern um Vertrauen. Unternehmen, Staaten und Finanzinstitute brauchen glaubwürdig neutrale Infrastruktur. Wer digitale Finanzinfrastruktur ernsthaft bauen will, kommt –heute zumindest – an Ethereum nicht vorbei.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Gentwo und Luma Financial Technologies kooperieren im AMC-Handel
Der Schweizer Pionier im Bereich Assetization und Luma, eine globale Plattform für strukturierte Produkte und alternative Anlagen, geben eine strategische Partnerschaft bekannt. Gentwo hat sich darauf spezialisiert, nichtbankfähige Vermögenswerte für Investoren zugänglich zu machen – und teilweise auch zu tokenisieren. Gemäss Pressemitteilung erhalten mit dieser Integration die Kunden von Luma – über 50’000 Investmentberater in 150 Unternehmen – Zugang zu den Vorteilen von aktiv verwalteten Zertifikaten (AMC) auf der Luma-Plattform. Damit sollen Finanzfachleute Zugang zu differenzierten Strategien mit verschiedenen alternativen Vermögenswerten erhalten. In einer ersten Phase konzentrieren sich die Partner auf AMC für strukturierte Wertpapiere und traditionelle Vermögenswerte. In einer zweiten Phase sollen auch weitere alternative und digitale Anlageklassen hinzukommen. Luma ist eine privat geführte Handelsplattform, an der Unternehmen wie Sixth Street, Bank of America, Morgan Stanley, TD Bank Group und UBS beteiligt sind.
RealUnit: Erfolg mit Goldposition
Die Investmentgesellschaft RealUnit hat im ersten Halbjahr 2025 einen Gewinn von 1,17 Millionen Franken vor Steuern erwirtschaftet. Der Hauptteil des Überschusses wurde durch den Edelmetallerfolg von 1,5 Millionen beigetragen. Auch der Wertschriftenbestand trug zum Gewinn bei. Auf den Kryptoanlagen resultierte in der Periode jedoch ein Gewinnrückgang. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres wies das Unternehmen einen Halbjahresgewinn von 3,3 Millionen Franken aus. Die Firmenanteile des Unternehmens, das sich dem Kapitalschutz mit Sachwerten verschrieben hat, lässt sich auch als Token handeln. Im ersten Halbjahr ist der innere Wert der RealUnit-Aktie (NAV) um 3,3 Prozent auf 1.19 Franken geklettert. Der Aktienkurs hat dies mehr als antizipiert, er stieg von 1.13 auf 1.24 Franken (+9,7 Prozent). Das Unternehmen, dessen Edelmetallreserven etwa gleich gross sind wie die Aktienengagements – knapp 17 Millionen Franken – erscheint anfällig auf Korrekturen am Goldmarkt. Rund 1,8 Millionen Franken sind in Kryptowährungen investiert.