Der ehemalige UBS-Risikomanager Bryan Fairbanks gibt tiefe Einblicke in die dramatischen Stunden kurz vor dem Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos. Seine Aussagen zeigen aber auch, wie leichtgläubig die Banken gehandelt haben.
15. Mai 2024 • Beat Schmid

Im Betrugsprozess gegen Bill Hwang und weitere Angeklagte im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch von Archegos hat der ehemalige UBS-Risikomanager Bryan Fairbanks am zweiten Prozesstag Einblick in die dramatischen Tage rund um den Zusammenbruch des Hedgefonds gegeben.

Es war der 25. März 2021, als sich die Situation dramatisch zuspitzte. Einige Banken hatten Nachschussforderungen an Archegos gestellt, nachdem die Wetten des Spekulanten ins Wanken geraten waren. Ungeduldig warteten sie auf Antworten. Am Abend kam es zu einer Telefonkonferenz zwischen den Banken und Bill Hwang sowie weiteren Vertretern von Archegos. Für Bryan Fairbanks bestätigte das Treffen seine «schlimmsten Befürchtungen», wie er vor dem Bundesgericht in Manhattan aussagte.

Hwang hatte über verschiedene Banken insgesamt 36 Milliarden Dollar in eine Handvoll Aktien investiert. Dabei liess er die Banken im Unklaren darüber, wie hoch die Konzentration in den einzelnen Aktien war. An der Telefonkonferenz nahmen sechs Banken teil: Credit Suisse, Deutsche Bank, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Nomura und UBS.

Nach der Telefonkonferenz stiess die UBS Positionen ab

Gemäss der vor Gericht vorgespielten Aufzeichnung des Gesprächs versicherte Hwang den anwesenden Bankvertretern, dass er sehr zuversichtlich sei, die Positionen verkaufen und die Nachschussforderungen erfüllen zu können. Er brauche nur etwas mehr Zeit.

Dann machte er eine Aussage, die Bryan Fairbanks sichtlich schockierte. Hwang sagte, dass sein Eigenkapital von 9 bis 10 Milliarden Dollar immer noch «stark» sei. Für Fairbanks war damit klar, dass Hwang allein am 21. März mehr als die Hälfte seines Geldes verloren hatte. «Das war sehr alarmierend.»

Hwang erklärte in der Telefonkonferenz, er führe ein «sehr konzentriertes Buch» mit etwa 12 Titeln. Den Banken wurde klar, dass sich die Positionen innerhalb der Bankengruppe überschneiden mussten, dass also mehrere Banken im Auftrag von Hwang in die gleichen Titel investiert waren. Als Hwang in der Telefonkonferenz beschrieb, wie stark sein Portfolio gehebelt war, wurde Fairbanks allmählich klar, dass Archegos schneller Geld verlor, als er sein Portfolio abbauen konnte.

Der Risikospezialist sagte aus, dass die UBS bereits am nächsten Tag damit begonnen habe, Hwangs Positionen zu reduzieren. Der ganze Prozess habe etwa sechs bis sieben Wochen gedauert. Als auch andere Banken die gleichen Aktien abbauten, brach Archegos zusammen und ihre eigenen Verluste schnellten hoch. Am schlimmsten erwischte es die Credit Suisse, die offenbar länger als alle anderen Banken gewartet hatte. Insgesamt verlor die Bank über fünf Milliarden Dollar. Bei der UBS belief sich der Verlust auf 860 Millionen Dollar.

Fairbanks wurde nach eigenen Angaben erstmals im Sommer 2020 stutzig. Es ging um eine grosse Position von Archegos in GSX Techedu, einem chinesischen Unternehmen für Bildungssoftware. Trotzdem erhöhte die UBS später ihr Engagement von 8 auf 10 Milliarden Dollar. Die Bank liess sich von der Aussage überzeugen, dass das Eigenkapital von Archegos zu mehr als 30 Prozent aus Barmitteln bestehe.

Hwangs Anwälte werfen den Banken Gier vor

Fairbanks beteuerte vor Gericht, er habe ständig versucht, mehr Details über das Portfolio des Hedgefonds zu erhalten, um potenzielle Risiken besser einschätzen zu können. Aber wie viele seiner Kunden sei auch Archegos verschwiegen gewesen. Archegos-Mitarbeiter hätten zwar die Investitionen beschrieben, aber nie ein «vollständiges Bild» geliefert.

Hwangs Anwälte werfen den Banken vor, aus Gier gehandelt zu haben. In ihrem Eröffnungsplädoyer am Montag sagten sie, die Banken hätten sich «die Füsse platt getreten», um mit Archegos ins Geschäft zu kommen. «Die Beweise werden zeigen, dass die Banken beträchtliche Gebühren für die Geschäfte mit Archegos kassiert haben», sagte eine Verteidigerin.

Der ehemalige UBS-Manager Fairbanks sagte am Montag, eine seiner ersten Aufgaben nach seinem Eintritt bei der UBS im Jahr 2010 sei es gewesen, die Kontobeziehungen von Hwangs ehemaligem Hedgefonds Tiger Asia Management abzuwickeln. Hwang gründete Archegos als Family Office im Jahr 2013, nachdem sich Tiger Asia des Insiderhandels schuldig bekannt hatte. Als Hwang wieder bei der UBS anklopfte, dachte er zunächst, dass es sehr schwierig werden würde, Archegos als Kunden zu akzeptieren. Dennoch habe sich die UBS entschieden, mit Hwangs Family Office ins Geschäft zu kommen, sagte Fairbanks.

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