Digital Assets Briefing
Lange investierten vor allem Krypto-Anhänger und Spekulanten in digitale Assets. Nun häufen sich die Anzeichen, dass sich der Bitcoin vermehrt als Anlageklasse etabliert. Ein Schweizer Start-up berichtet von Umschichtungen aus dem Immobiliensektor.
15. Dezember 2023 • Werner Grundlehner

Wenn es geopolitisch brenzlig wird, schichten Anleger gern in Gold um, wenn der Wirtschaftsaufschwung ansteht, oft in zyklische Aktien und um Sicherheit und steten Ertrag zu erhalten in Staatsanleihen. Seit einiger Zeit prognostizieren zahlreiche Branchenexperten, dass Bitcoin Marktanteile von traditionellen Vermögenswerten absorbieren wird. Das aktuelle Umfeld, mit hohen Zinsen und einem zunehmend angeschlagenen Immobiliensektor, lässt auch Abflüsse aus diesem Bereich erwarten.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Anti-Krypto-Senatorin erhält Unterstützung
• Institutionelle sind 2024 bullish bezüglich Krypto


Dies bestätigt eine Meldung von Relai, einem Schweizer Bitcoin-Start-up. Sie dokumentiert die Wandlung von Immobilieninvestitionen in Bitcoin – und deutet an, dass der Trend an Momentum gewinnt. Die im Jahr 2020 gegründete Betreiberin einer Bitcoin-App Relai, ermöglicht es ihren Kunden innerhalb weniger Minuten Bitcoin im Gegenwert von bis zu 1000 Franken zu kaufen und zu verkaufen, ohne dass eine Registrierung oder Verifizierung erforderlich ist.

Für grössere Beträge wird eine Identifizierung auf Basis geldwäscherechtlicher Anforderungen (KYC) wie bei Bankgeschäften durchgeführt. Für grosse Transaktionsvolumen ab 100'000 Franken ist ein günstiger OTC-Handel möglich. Der Kunde kommt dabei in den Genuss günstigerer Konditionen. In der Retail-App betragen die Gebühren 1,5 Prozent.

Volumen hat sich verdoppelt

Vom Relai-OTC-Volumen von rund 10 Millionen Franken im vierten Quartal, stammten gemäss Unternehmensangaben rund drei Viertel aus Geldern aus der Immobilienbranche. Das OTC-Volumen hat sich im Vergleich zum Vorjahresquartal verdoppelt. Ab einer Transaktionssumme von 100’000 Franken kommen strengere KYC-Auflagen zum Tragen.

Der Kunde legt beim sogenannten «proof of funds» die Dokumente vor, die zeigen, woher die Gelder kommen. Deshalb kann Relai nach Sichtung von Immobilien-Verkaufsverträgen feststellen, woher die Gelder stammen. «Diese Kunden sind vor allem Immobiliengesellschaften mittlerer Grösse, die rund zur Hälfte in der Schweiz und in Deutschland aktiv sind», sagt Joël Kai Lenz, Sprecher von Relai.

«Bitcoin bietet als aufsteigende Anlageklasse für viele Anleger potenziell ein wesentlich höheres Wachstumspotenzial, während der Immobilienmarkt in einer Krise steckt und die Nachfrage abgeebbt ist», sagt Leon Wankum, Head of Bitcoin Strategies bei oneVest Developments. Der deutsche Unternehmer macht sich seit Jahren dafür stark, dass Immobilienunternehmen ihre Bilanzen in Bitcoin diversifizieren.

«Der Trend spiegelt die aktuelle Krise im Immobilienmarkt wider, durch den Investoren ihr Portfolio in Bitcoin umschichten», heisst es in der Pressemeldung von Relai. Und weiter: «Das Phänomen von Kapitalflüssen von Immobilien zu Bitcoin ist insbesondere in der Schweiz zu beobachten, wo das Bewusstsein für die einzigartigen Eigenschaften von Bitcoin stetig wächst».

Das digitale Gold

Während vor einigen Jahren viel Geld, das Bitcoin-Investoren und -Unternehmen mit ihren Projekten verdient hatten, in den Immobiliensektor floss, scheint nun die Fliessrichtung zu kehren. Ähnliches ist auch in anderen Anlageklassen zu beobachten. Schon lange werden Kryptowährungen als «digitales Gold» angepriesen. Nach Ansicht von Jurrien Timmer, Anlagestratege von Fidelity Investments, ist Bitcoin eine «Rohstoffwährung», die aufgrund ihrer endgültigen Knappheit als Wertaufbewahrungsmittel und Absicherung gegen Geldentwertung fungiert.

Timmer bezeichnet den Bitcoin als aufstrebendes Wertaufbewahrungsmittel in einer Welt anhaltender finanzieller Repression. Angesichts der hohen Inflation, negativer Realzinsen und übermässigem Geldmengenwachstum habe der Bitcoin das Potenzial mindestens so gut wie Gold in den 1970ern oder den 2000er-Jahren zu performen.

Der US-Asset-Management-Riese verfügt mit Fidelity Digital Assets über eine spezielle Krypto-Abteilung für Verwahrungs- und Handelsdienstleistungen von Bitcoin und Ether. Im Juni 2023 reichte Fidelity nach 2021 erneut einen Antrag für einen börsengehandelten Spot-Bitcoin-Fonds (ETF) bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC ein.

Zahlreiche US-Finanzgiganten wie Blackrock, Invesco, ARK-Invest sind ebenfalls im Rennen um den ersten «physisch» gedeckten Bitcoin-ETF in den USA dabei. Die SEC muss sich spätestens bis zum 10. Januar 2024 zu diesen Anträgen äussern. Mit der Zulassung eines Bitcoin-ETF in den USA wäre die älteste Kryptowährung endgültig in der Mainstream-Asset-Allocation angekommmen.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Anti-Krypto-Senatorin erhält Unterstützung

Elizabeth Warren, die Senatorin des US-Bundesstaates Massachusetts, hat im Juli den Digital Asset Anti-Money Laundering Act eingereicht. Der Gesetzesentwurf hat zum Ziel, Geldwäsche-Aktivitäten und Terrorismusfinanzierung im Kryptosektor zu unterbinden. Das Vorhaben ist verständlich und wünschenswert. Die Ausgestaltung des Gesetzes würde allerdings in Konsequenz dazu führen, dass Krypto-Geschäftsmodelle kaum noch wirtschaftlich zu betreiben wären.

In dieser Woche gab die Senatorin bekannt, dass sich ihrem Vorhaben fünf weitere Senatoren angeschlossen hätten. Drei der Senatoren gehören dem Bankenkomitee an, sind also aus dem verantwortlichen Fachbereich. Der Gesetzentwurf wurde bereits von mehreren Senatoren und Organisationen unterstützt, darunter das Bank Policy Institute, die Massachusetts Bankers Association, Transparency International U.S., Global Financial Integrity, National District Attorneys Association, Major County Sheriffs of America, das National Consumer Law Center und die National Consumers League.

Die Chancen auf Erfolg sind allerdings gering. Elizabeth Warren hat bereits 330 Gesetzesentwürfe eingereicht, davon waren aber lediglich elf erfolgreich. Auch dieses extreme «Anti-Krypto-Gesetz» hat wenig Aussichten auf Erfolg. Edward Snowden, der ehemalige Mitarbeiter und Whistleblower der National Security Agency (NSA), kritisierte Warren öffentlich wegen ihrer Interessensvertretung für die Bankenindustrie.


Institutionelle sind 2024 bullish bezüglich Krypto

Die Krypto-Bank Sygnum hat eine Studie zur Akzeptanz von Kryptowährungen unter institutionellen Investoren publiziert. In einer Umfrage wurden institutionelle Anleger zu ihrer Krypto-Asset-Allokation, ihren Anlagestrategien und ihren Marktaussichten befragt. Teilgenommen haben Anlageexperten aus Banken, Hedgefonds, Family Offices, Krypto-Stiftungen, Fonds und Vermögensverwalter.

Institutionelle Anleger sind für das kommende Jahr in Bezug auf Kryptowährungen optimistisch gestimmt. Zwei Drittel der Befragten möchten im Megatrend Krypto engagiert sein. Dabei wollen sie an der Marktentwicklung partizipieren und einen «Safe-Haven» gegen Entwicklungen in den traditionellen Märkten errichten.

Von den Befragten gaben 66 Prozent an, dass sie ihr Engagement in Kryptowährungen als langfristige Investition und nicht als kurzfristige Spekulation sehen und 37 Prozent halten Krypto als überlegenes Investment im Vergleich zu traditionellen Anlagen. Knapp über die Hälfte der institutionellen Anleger, die derzeit nicht in Kryptowährungen investiert sind, beabsichtigen dies noch zu tun. Während 63 Prozent für das vierte Quartal bezüglich Krypto eine neutrale Haltung angaben, wechselte knapp die Hälfte für das Jahr 2024 in Erwartung des Bitcoin Spot ETF von Blackrock zu einer bullischen Haltung.

Die Umfrage führte Sygnum Bank kurz vor Beginn der Rallye des Kryptomarktes im November 2023 durch. Es könnte also sein, dass sich das Sentiment bei den institutionellen Anlegern in Bezug auf Krypto-Anlagen noch weiter aufgehellt hat. 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie bis zum ersten Halbjahr 2024 mit der Investition zuwarten würden. Gut möglich, dass sie diese Einstellung angesichts der Rally bereits revidiert haben.

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