Digital Assets Briefing
Mit der Wahl von Javier Milei zum neuen Präsidenten Argentiniens sprang der Bitcoinkurs 3 Prozent in die Höhe. Der «Turbokapitalist» will nicht nur die eigene Notenbank schliessen – er ist auch ein grosser Bitcoin-Fan. Dazu: Der Feldzug der SEC gegen Krypto-Börsen; Digitales Helikopter-Zentralbankgeld in Thailand.
24. November 2023 • Werner Grundlehner

«Der Bitcoin repräsentiert die Rückkehr des Geldes zu seinem ursprünglichen Schöpfer, dem privaten Sektor», sagte Javier Milei im Wahlkampf. Doch die Kryptowährung ist noch nicht die erste Priorität des neuen argentinischen Präsidenten. Als erstes will er die Notenbank abschaffen, den amerikanischen Dollar als Landeswährung etablieren und die Ausgaben drastisch kürzen. In den westlichen Medien wird Milei oft als «Anarchokapitalist» schubladisiert.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• SEC macht den Weg frei für neue «alte» Krypto-Player
• Thailand beschenkt die Bürger mit digitalem Helikopter-Zentralbankgeld


Doch Argentinien braucht radikale Massnahmen. Das Land, das vor einem Jahrhundert noch reicher war als die Länder Europas, ist nach über 20 Jahren mit linken Peronisten an der Macht wirtschaftlich am Boden. Der Staat griff massiv in die Wirtschaft ein, öffentliche Dienstleistungen sind stark subventioniert, in zahlreichen Provinzen sind mehr Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor beschäftigt als in der Privatwirtschaft.

Gleich weitermachen ist keine Alternative

Der Regierungsapparat hat enorme Ausmasse angenommen, der Staat gibt notorisch mehr Geld aus, als er einnimmt, und die Zentralbank wird als Selbstbedienungsladen missbraucht, um die Lücken in der Staatskasse zu füllen. Die Devisenreserven des Landes sind aufgebraucht. Die fiskalische Verschwendung ist die Wurzel allen Übels und verantwortlich für die galoppierende Inflation. Die Inflationsrate lag im Oktober bei 143 Prozent, weltweit eine der höchsten. Die Zentralbank hält mit einem Leitzins von 133 Prozent dagegen, doch der Liquiditätshahn wurde zu spät zugedreht.

Der marktliberale Milei wird eine radikale Kehrtwende versuchen. Als Oberhaupt eines Staates mit einem starken Präsidialsystem verfügt er auch über Eingriffsmöglichkeiten in die Legislative (Dekret, teilweise Vertretung des Kongresses in dessen Urlaubszeit) sowie in die Judikative (Ernennung der Bundesrichter, gemeinsam mit dem Senat). Die vollmundigen Ankündigungen im Wahlkampf bringen Milei jedoch unter Zugzwang. Am 10. Dezember übernimmt der neue Präsident das Ruder. Beobachter gehen davon aus, dass mit seinem Amtsantritt der offizielle Peso-Kurs nochmals drastisch einbrechen wird. Der neue Amtsinhaber hat deutlich klar gemacht, dass die argentinische Währung «keinen Wert» hat. Die Währung wird von der Zentralbank momentan auf rund 350 Pesos pro Dollar festgelegt.

Dollarisierung bereits im Gang

Ein Teil der Dollarisierung hat bereits stattgefunden – die Bevölkerung hortet gemäss Schätzungen 250 Milliarden Dollar zuhause und im Banksafe. Milei weist darauf hin, dass die Anbindung an den Dollar in anderen lateinamerikanischen Ländern wie El Salvador und Ecuador ein Erfolg war. Diese Länder weisen jedoch hohe Devisenbestände in Dollar auf, da sie enge Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten pflegen und ein grosser Teil der Bevölkerung in den USA arbeitet und stetig Dollars in die Heimat sendet.

El Salvador hat im Jahr 2021 den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel eingeführt. Das könnte ein Vorbild für Milei sein, wenn die Dollareinführung nicht wie gewünscht klappt. Argentinien wäre aber eine ganz andere Hausnummer als El Salvador. Im armen und kleinsten Land Mittel- und Südamerikas ist die Bilanz der Bitcoin-Einführung durchzogen. Der Präsident von El Salvador, Nayib Bukele, der sich gerne als «CEO von El Salvador» bezeichnet, hat Hunderte von Millionen investiert – in eine Bitcoin-App für alle Bürger, in Umtauschautomaten und in 30 Dollar Startguthaben für alle App-Nutzer. Dieses Kapital nahmen die armen Bürger, die im Schnitt 400 Dollar im Monat verdienen, gerne. Die hohe Volatilität hat jedoch gerade im Jahr 2022 viele Guthaben vernichtet und die Bürger verärgert, so dass die Anwendung weit hinter den Plänen des Präsidenten zurückbleibt.

Argentinien bereits Krypto-affin

Könnte der Bitcoin in Argentinien trotzdem ein Erfolg werden? «Die Einführung als gesetzliches Zahlungsmittel ist für viele naheliegend. Schliesslich leistete El Salvador bereits die Pionierarbeit. Und im Gegensatz zum zentralamerikanischen Kleinstaat ist die argentinische Bevölkerung eine der aktivsten weltweit, was Kryptotransaktionen angeht», sagt Hans-Jörg Morath, Head Product Strategy & Client Coverage, der Digital Asset Solutions AG. Er führt noch an: Gegenüber dem Peso habe der Bitcoin seit dem 2021-Höchststand um das Doppelte zugelegt. Bitcoin-Halter seien trotz des Krypto-Preisverlusts in Dollar vor der rekordhohen Inflation der Währung geschützt worden.

Patrick Heusser, Senior Trader der G-20 Group weist darauf hin, dass Javier Milei nicht direkt «Pro Bitcoin» sei: «Er ist grundsätzlich ein Gegner von Zentralbanken – im Speziellen der argentinischen». Wenn er Mileis Aussagen richtig interpretiere, dann wolle der neue Präsident zurück zu einem Real-Asset-Standard. «Die Geldmenge soll wieder an einen Vermögenswert geknüpft werden, der nicht verwässert werden kann – so wie früher der Gold-Standard», sagt Heusser. Die Finanzwissenschaftlerin Lyn Alden beschreibt ein ähnliches Szenario in ihrem Buch «Broken Money».

Was sagt der IWF?

Ungeachtet der Pro-Bitcoin-Einstellung des neuen Präsidenten steht die Einführung als gesetzliches Zahlungsmittel vor einigen erheblichen Hürden. «Argentinien ist der grösste Kreditnehmer des Internationalen Währungsfonds, der dem Bitcoin historisch kritisch gegenübersteht», sagt Morath. So habe der jüngste 45-Milliarden-Dollar-Kredit an Argentinien die explizite Bedingung enthalten, die Nutzung von Kryptowährungen müsse entmutigt werden. Die Einführung als gesetzliches Zahlungsmittel wäre gemäss dem Digital-Asset-Solutions-Experten eine direkte Kampfansage an den IWF und ein gewagter Schritt.

Mileis primäres Ziel in Bezug auf Geldpolitik ist gemäss Morath die Abschaffung des hochinflationären argentinischen Pesos. Zwar erhofften sich Optimisten deshalb die Einführung eines Bitcoin-Standards. «Ich denke allerdings, dass es dafür zu früh ist. Eher wird Milei vorherige Verbote der Notenbank aufheben und den Weg für liberal regulierte Krypto-Geschäfte ebnen», sagt Morath.

Argentinien wäre gemäss Morath eine interessante Fallstudie, welche Chancen die Förderung von Kryptowährungen einem wirtschaftlich angeschlagenen Land bieten würde. Die Einführung als gesetzliches Zahlungsmittel durch weitere Staaten würde allerdings stark vom Endergebnis abhängen. «Die Positionierung El Salvadors zeigte bislang durchwachsene Ergebnisse und stiess international auf viel Gegenwind. Vermutlich wird es einige Jahre dauern, bis weitere Staaten diesen Schritt wagen», sagt Morath. Schwellenländer suchen gemäss Heusser immer nach Möglichkeiten, ihr Einkommen in werterhaltende Assets zu investieren. «Und wenn sie dazu noch einfach übertragbar sind, dann umso besser. Aus diesem Grund sind Stable-Coins und Bitcoin so beliebt», sagt der G-20-Group-Händler.

Der Einfluss auf den Bitcoin-Kurs

Ist die Amtseinführung von Milei momentan ein wichtiger Kurstreiber für den Bitcoin? Heusser gibt eine klare Antwort: «Nein, Argentinien hat nur am Rande zum Kursanstieg beigetragen. Der mögliche ETF von Blackrock ist der Preistreiber und wird es über die nächsten Monate auch bleiben». Auch der Digital-Asset-Solutions-Experte argumentiert in diese Richtung: «Im Moment eher nicht. Seit Beginn des Jahres wurde der Preis primär durch die Nachfrage aus dem Westen getrieben und die Absichten Mileis in Bezug auf Bitcoin sind noch zu ungewiss. Falls sich konkrete Krypto-Pläne des neuen Präsidenten abzeichnen, könnte sich dies rasch ändern».

Ein Entscheid für den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel in Argentinien würde jedoch auch Risiken für die Kryptowährung bergen. Sollte sich Milei für eine starke Krypto-Förderung entscheiden, würde dies bei einem Scheitern seiner wirtschaftlichen Vision auch auf den Bitcoin zurückfallen; ungeachtet der tatsächlichen Kausalität, sagt Morath: «Dies wäre ein gefundenes Fressen für Kritiker und könnte weitere Nationalstaaten von der Adoption Bitcoins abhalten». Patrick Heusser weist darauf hin, dass es problematisch für den Wert des Bitcoins sein kann, wenn eine Institution einen Grossteil der Bitcoins hält, wie es derzeit etwas Micro Strategy tut – und dann auf einmal alles verkaufen muss.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

SEC macht den Weg frei für neue «alte» Krypto-Player

Binance, Bittrex, FTX, Coinbase, Kraken – die US-Behörden sind auf einem Feldzug gegen «reine» Kryptobörsen. Vor Jahresfrist das Aus für FTX, nun das Urteil gegen Binance. Die weltweit grösste Kryptobörse Binance gestand diese Woche gegenüber den US-Behörden ein, die Gesetze missachtet zu haben, und stimmte einer Geldbusse von 4,3 Milliarden Dollar zu. Gleichzeitig bekannte sich Binance-Gründer Changpeng Zhao schuldig, gegen US-Geldwäschegesetze verstossen zu haben. Den Kryptobörsen bleibt wenig erspart. Doch mit dem Vorgehen gegen Kraken und Coinbase zeigt die US-Börsenaufsicht aber auch, dass ihr die Branche grundsätzlich ein Dorn im Auge ist. Während FTX und Binance gegen Gesetze verstossen und teilweise Kunden betrogen haben, sind die Anschuldigungen gegen die übrigen Börsen schon weniger klar.

In dieser Woche verklagte die SEC die Plattform Kraken, die ihren Sitz in San Francisco hat. Die Aufsichtsbehörde beschuldigt das Unternehmen, sie habe als nicht registriertes Wertpapierunternehmen agiert. Das ist das gleiche Vorgehen, das auch gegen Coinbase gewählt wurde. Kraken habe sich nicht als Wertpapierbörse, Clearingstelle, Broker und Händler registriert. Unter dem Vorsitzenden Gary Gensler argumentiert die SEC, dass die meisten Krypto-Token Wertpapiere sind und Börsen sich bei der Behörde registrieren lassen müssten. Die SEC beschuldigte Kraken ebenfalls, eigene Gelder mit denen der Kunden zu vermischen und manchmal Bankkonten mit dem Bargeld der Nutzer zu verwenden, um seine Betriebskosten zu bezahlen. In der Buchführung der verwahrten Vermögenswerte sei es in den Jahresabschlüssen zu «wesentlichen Fehlern» gekommen. Wie Coinbase ist auch Kraken nicht der Ansicht, ein Wertpapierhändler zu sein, und verweist darauf, dass eine entsprechende Regulierung in den USA fehle.

Als Aussenstehender könnte man den Eindruck bekommen, die SEC arbeite darauf hin, dass Geschäft mit Kryptoanlagen vor allem bei etablierten Finanzdienstleistern und Banken stattfinden. Bevor die zahlreich vorliegenden Anträge für Spot-ETF genehmigt werden – und der erwartete Boom im Segment ausbricht – sollen zuerst wenig regulierte Handelsplätze in die Schranken gewiesen werden.


Thailand beschenkt die Bürger mit digitalem Helikopter-Zentralbankgeld

Thailands grösste Regierungspartei Pheu-Thai will alle Bürgern Anfang 2024 mit umgerechnet 300 Dollar in digitaler Zentralbankwährung beschenken. Das Geld sollen die Bürger nicht in bar erhalten, sondern nur über eine digitale Geldbörse, die mit der nationalen Identitätsnummern verknüpft ist, direkt auf das Smartphone laden oder unter Vorlage ihrer ID-Karte beim zuständigen Amt einen persönlichen Code abholen. Dieses bedingungslose Grundeinkommen, kann gemäss Regierungsplänen nur in einem Umkreis von vier Kilometern um den Wohnsitz ausgegeben werden und läuft nach sechs Monaten ab. Durch diese Eigenschaften soll insbesondere die lokale Wirtschaft angekurbelt werden.

Gleichzeitig kann das Ganze als Werbung für die Einführung von digitalem Notenbankgeld verstanden werden. Der Vorstoss kommt zu einem Zeitpunkt, in dem weltweit die ersten digitalen Zentralbankwährungen (CBDC) in Umlauf kommen. Rund um den Globus haben bereits zwölf Länder Digitalversionen ihrer Währungen eingeführt und über 130 Staaten arbeiten aktiv daran – Schwellenländer sind hier der EZB oder der US-Notenbank weit voraus.