Es ist ein Standardverfahren, wenn eine Aufsichtsbehörde Fragen zu einem Klumpenrisiko bei einer beaufsichtigten Bank stellt. So gesehen ist es nichts Ungewöhnliches, wenn die Finma der Bank Julius Bär Fragen zu ausstehenden Krediten im Zusammenhang mit dem österreichischen Immobilieninvestor René Benko stellt. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf anonyme Quellen schreibt, soll die Berner Behörde es anderen europäischen Regulatoren gleichtun und die Kredite von René Benko und seiner Signa Holding GmbH «überwachen».
Viel mehr geht aus dem Bericht allerdings nicht hervor. So bleibt unklar, ob und wie die Finma im Fall Benko allenfalls mit der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammenarbeitet, die vor einer Woche vor systemischen Risiken bei einem möglichen Zusammenbruch des 27 Milliarden Euro schweren Immobilienportfolios gewarnt hat. Zudem soll die EZB bereits im Sommer Banken und Kreditgeber aufgefordert haben, den Wert ihrer Forderungen zu reduzieren und weitere Rückstellungen zu bilden.
Vieles deutet darauf hin, dass hinter den Kulissen mit Hochdruck an einer Lösung gearbeitet wird. Quellen zufolge könnten Banken und Investoren an einem Deal arbeiten, um das wankende Imperium mit einem Haircut vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Julius Bär, die am Montag eine Abschreibung von 70 Millionen Franken ankündigte, ist eine der ersten Banken mit vermuteten Verbindungen zu Benko, die einen solchen Schritt öffentlich gemacht hat.
Ein Haircut von 10 Prozent
Es dürften weitere folgen. Die 70 Millionen Franken entsprechen rund 10 Prozent der ausstehenden Kredite der Bank Bär. Möglicherweise könnte ein Schnitt von 10 Prozent aller Beteiligten – Banken und Investoren – die Lage beruhigen.
Geht man von den 27 Milliarden Euro aus, die das Signa-Imperium angeblich wert ist, und von einem Leverage von 60 Prozent, dann hat die Gruppe 16 Milliarden Euro Schulden. Und wenn davon 10 Prozent abgeschrieben werden, kommt eine Entlastung von 1,6 Milliarden zusammen. Das entspricht in etwa dem Loch, das der Konzern unmittelbar stopfen muss. «In gewissen Situationen ist es sinnvoll, gutes Geld schlechtem nachzuwerfen», sagt ein Insider.
Bohrende Fragen an Julius Bär
Bei der Bank Julius Bär stellen sich derweil bohrende Fragen. Wie kann man einer Person Kredite über 700 Millionen Franken geben? Zumal es sich um komplexe strukturierte Kredite handelt, die viel Fachwissen erfordern, das in einer Privatbank traditionell nicht vorhanden ist?
Wie aussergewöhnlich gross die Position von Benko ist, zeigt sich, wenn man sie mit dem gesamten Kreditbuch der Bank vergleicht. Alle ausstehenden Kredite belaufen sich Mitte 2023 auf 42,8 Milliarden Franken. Die Benko-Position macht also 1,7 Prozent des gesamten Buches aus.
Betrachtet man die strukturierten Kredite isoliert, wird die Unverhältnismässigkeit des Klumpenrisiko noch deutlicher. Die Bank hat strukturierte Kredite in der Höhe von 1,2 bis 1,7 Milliarden Franken in ihren Büchern. Die Benko-Position macht somit etwa die Hälfte davon aus. Wenn die Finma ihre Arbeit macht, wird sie Fragen zu diesem Missverhältnis stellen.