VistaJet
Der Gründer des stark expandierenden Privatjet-Unternehmens VistaJet hat die Schuldenlast 2022 auf 4,9 Milliarden Dollar verdoppelt und schreibt Millionenverluste. Buchprüferin EY spricht eine Warnung aus.
23. Mai 2023 • Beat Schmid

In der Schweiz kennt man ihn vor allem wegen seiner Leidenschaft für schnelle Autos und seiner spektakulären Villa am Suvretta-Hügel bei St. Moritz – den Aviatik-Unternehmer Thomas Flohr, der in den letzten Jahren mit VistaJet einer der grössten Privatfluggesellschaften der Welt aufgebaut hat. Hinter NetJet von Berkshire Hathaway gilt VistaJet mit rund 360 Fliegern als die Nummer zwei in diesem exklusiven Geschäft.

Die “Bilanz” schätzt das Vermögen des in Erlenbach an der Goldküste ausgewachsenen Schweizers auf 2 bis 3,5 Milliarden Franken. Jetzt ist der 63-jährige Selfmade-Milliardär in die Schlagzeilen geraten. Die “Financial Times” (Abo) hat am Wochenende in grosse Story über die angespannte finanzielle Lage der Privatjet-Linie gebracht.
Die Zeitung stützt sich auf einen Prospekt, der in Zusammenhang mit einer vor zwei Wochen begebenen Anleihe über 500 Millionen Dollar in Investorenkreisen zirkulierte. Darin befinden sich aktuelle Zahlen über die finanzielle Situation von VistaJet. Demnach hat das Unternehmen in den letzten vier Jahren Nettoverluste von 436 Millionen Dollar geschrieben. Die Gesamtverschuldung hat sich im vergangenen Jahr auf 4,9 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt.

Taxiservice für die Hautevolee

Ein Grund dafür ist, dass die Privatjet-Flotte mit der Übernahme von Air Hamburg und der US-amerikanischen Jet Edge um die Hälfte auf 360 Jets angewachsen ist. Air Hamburg gilt als das grösste Charterunternehmen für Businessflieger in Europa. Es steht die Frage im Raum, ob sich VistaJet angesichts der hohen Schulden und Verluste übernommen hat.

Thomas Flohr betreibt eine Art Taxiservice für die Hautevolee. Zahlenden Mitgliedern verspricht das Unternehmen, sie überall auf der Welt innerhalb eines Tages abzuholen. Mit nur 24 Stunden Vorlaufzeit können Kunden unter anderem einen der 18 Global-7500-Geschäftsflieger von Bombardier besteigen, der sie nonstop von Hongkong nach New York bringen kann. Die Maschine gilt als der schnellte Privatjet der Welt.

Flohrs Geschäftsmodell basiert dem Verkauf von Flugabonnenten. Ende 2022 hatten die Kunden insgesamt 831 Millionen Dollar im Voraus für noch nicht geflogene Stunden bezahlt – gleichzeitig hatte VistaJet aber nur 134 Millionen in bar auf der Bank, wie das Unternehmen mitteilte. Laut den Angaben im Prospekt stieg der Umsatz von VistaJet 2022 auf 2,5 Milliarden Dollar, gegenüber 1,6 Milliarden im Jahr zuvor.

EY hat “erhebliche Zweifel”

Es ist offenbar diese Kombination aus Schulden, Nettoverlusten und kurzfristigen Verbindlichkeiten, die den Wirtschaftsprüfer EY dazu veranlasste, eine Warnung in den aktuellen Geschäftsbericht zu schreiben. Es würde eine “eine wesentliche Unsicherheit” bestehen, die “erhebliche Zweifel an der Fähigkeit der Gruppe zur Fortführung des Unternehmens aufwerfen” könne, heisst es gemäss FT darin.

Die Einschätzung von EY, die in diesem Monat in dem Anleiheprospekt mitveröffentlicht wurde, lässt in der Airlinebranche offenbar Zweifel über die Nachhaltigkeit des expansiven Kurses des Schweizer Aviatikunternehmers aufkommen. Würde VistaJet unter der Schuldenlast zusammenbrechen, könnten auf einen Schlag Hunderte von Jets auf den Markt kommen, was das Finanzierungsgeschäft von Flugzeugen durcheinanderwirbeln könnte.

Flohr sagte gegenüber dem Nachrichtensender CNBC diese Woche, dass das Unternehmen auf der Basis des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) hoch profitabel sei und dass die Nettoverluste eine Folge der konservativen Abschreibungspraxis seien. Alle Flieger würden innerhalb von 13 Jahren komplett abgeschrieben. Würde er die Maschinen zum Marktpreis bilanzieren, würde VistaJet einen Gewinn schreiben.

Die am 10. Mai begebene Anleihe über 500 Millionen Dollar zahlt einen Coupon von 9,5 Prozent. Bonitätsagenturen gaben Ratings von Caa1 bis B3 ab – das bedeutet, dass die Papiere als “spekulativ” gelten und mit einem “hohen Kreditrisiko” behaftet sind.

In den Rating-Unterlagen heisst es, dass die Verschuldung bis Ende Jahr auf etwa das 5,5-Fache des EBITDA sinken soll (von 7,6 im Jahr 2022). Zudem erwartet Moody's, dass die Geldflüsse 2023 nach mehreren Jahren mit einem negativen Cashflow ins Positive drehen werden. Auch erwartet die Ratingagentur, dass VistaJet in den nächsten zwei Jahren keine neuen Zukäufe tätigen wird und auch keine Dividenden an Thomas Flohr zahlen wird, der 85 Prozent an dem Unternehmen hält.