Süchtig nach Instagram und TikTok
Der Schulbezirk von Seattle reicht Klage gegen Alphabet, Meta, Snap und ByteDance ein. Diese würden Jugendliche nach ihren Plattform süchtig machen. Die Kläger sehen sich bestärkt durch den amerikanischen Präsidenten.
9. Januar 2023 • Beat Schmid

Die Schulbehörde der US-Grossstadt Seattle hat eine Klage eingereicht, in der sie grosse Tech-Firmen beschuldigt, Teenager nach sozialen Medien süchtig zu machen. Die Schulen könnten ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen, wenn die Schüler unter Angstzuständen, Depressionen und anderen psychischen Problemen litten.

Meta Platforms (Facebook, Instagram), Snap, ByteDance, die Eigentümerin von TikTok, und der Google-Konzern Alphabet sind gemäss der am Freitag beim Bundesgericht in Seattle eingereichten Klage dafür verantwortlich, dass junge Menschen auf ihren Plattformen süchtig gemacht werden. Der Seattle School District No 1umfasst mehr als 100 Schulen mit rund 50'000 Kindern.

Gemäss US-Medien handelt es sich um die erste Klage in den USA, die in diesem Zusammengang von Schulbehörden eingereicht wurde. Letztes Jahr gab es ähnliche Klagen von betroffenen Familien, welche die Tech-Unternehmen unter anderem für Suizide verantwortlich gemacht haben.

Mark Zuckerberg: Argument zutiefst unlogisch

Im Jahr 2021 warfen US-Gesetzgeber Facebook-CEO Mark Zuckerberg vor, auf Kosten der psychischen Gesundheit von Kindern die Gewinne zu maximieren. Ausgelöst wurden die Vorstösse von Whistleblowerin Frances Haugen, die den Konzern kritisierte, mit seinem Algorithmus den Überkonsum gezielt zu fördern. Investoren kippten darauf Meta-Aktien aus den Portfolios, wie Tippinpoint damals berichtete.

Mark Zuckerberg schrieb damals: “Das Argument, dass wir absichtlich Inhalte pushen, die Menschen aggressiv machen, um Profit zu machen, ist zutiefst unlogisch. Wir verdienen Geld mit Anzeigen, und die Werbekunden sagen uns immer wieder, dass sie ihre Anzeigen nicht neben schädlichen oder hetzerischen Inhalten sehen wollen. Ich kenne kein Technologieunternehmen, das Dienstleistungen anbietet, die Menschen wütend oder depressiv machen.”

Zur Klage der Schulbehörde von Seattle sagte ein Google-Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg: “Wir haben viel in die Schaffung sicherer Erlebnisse für Kinder auf unseren Plattformen investiert und starke Schutzmechanismen und spezielle Funktionen eingeführt, die ihr Wohlergehen in den Vordergrund stellen.” Ein Snap-Sprecher sagte, dass “wir weiterhin daran arbeiten, unsere Plattform sicher zu machen und den Usern, die mit psychischen Problemen kämpfen, die nötige Hilfe zur Verfügung zu stellen”.

Social-Media-Firmen sollen Entschädigungen zahlen

Der sogenannte Communications Decency Act, ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1996, bietet gemäss Rechtsexperten Internetplattformen weitgehende Immunität gegen Klagen, welche die Verbreitung von Inhalten betreffen. Stimmen aus beiden politischen Lagern haben eine Reform des Gesetzes angeregt.

In der Klage fordert die Schulbehörde von Seattle das Gericht auf, festzustellen, dass die Unternehmen ein “öffentliches Ärgernis geschaffen” haben. Das Gericht soll die Tech-Giganten dazu verknurren, finanzielle Entschädigungen zu zahlen und Mittel zur Verfügung zu stellen, um exzessive Nutzung von sozialen Medien zu verhindern.

Der Bezirk erklärte, er habe einen dramatischen Anstieg von Suiziden und Konsultationen in psychiatrischen Notaufnahmen festgestellt. In der Klage wird Joe Bidens Rede zur Lage der Nation im Jahr 2022 zitiert, in der dazu aufrief, "soziale Medienplattformen für das nationale Experiment, das sie aus Profitgründen an unseren Kindern durchführen, zur Verantwortung zu ziehen".