Scharfe Kritik an Geschäftsgebaren
Mark Zuckerberg erlebte in der Nacht auf Freitag ein zweites Waterloo. Seine Meta Platforms verlor nochmals 5 Prozent ihres Börsenwerts. Ein Schweizer ESG-Pionier empfiehlt die Aktie schon länger nicht mehr zum Kauf.
4. Februar 2022 • Beat Schmid

Der Facebook-Mutterkonzern Meta Platforms verlor in der Nacht auf Donnerstag 20 Prozent seines Unternehmenswerts. Auf den Freitag kamen weitere Verluste dazu. Das Entsetzen ist gross, rund um den Globus wurde das heftige Beben eifrig kommentiert. Rich Greenfield, Partner des Beratungsunternehmens LightShed, sagte in der FT, eine derart schockierende Nachricht habe er in seiner ganzen Karriere, die auch schon 27 Jahre dauere, noch nie erlebt. «Man kann es nicht anders sagen: Facebook ist in seiner Existenz bedroht.»

Und zwar von TikTok, der mächtigen Konkurrenz aus China, die der privat gehaltenen ByteDance gehört. Weitere Gründe für den Absturz sind laut Beobachtern die bisher extrem hohen Investitionen in den Aufbau des Metaversums und Apples Änderungen am iPhone-Betriebssystem, die negative Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen haben werden. Dieses Amalgam an schlechten Aussichten lösten eine Wertvernichtungswelle aus, wie sie die Wall Street noch nie gesehen hat. Sagenhafte 200 Milliarden Dollar verpufften innerhalb von wenigen Minuten. Am Donnerstag kamen nochmals Verluste von 30 Milliarden dazu. Auch andere Technologietitel gaben deutlich nach.

Doch es gibt noch weitere Gründe, warum Investoren einen Boden um die Aktien von Facebook machen. Peter Zollinger ist Leiter Impact Research der Zürcher Finanzboutique Globalance. Der Sustainability-Spezialist sagt: «Wir beurteilen Meta Platforms kritisch und investieren zurzeit keine Kundenvermögen in das Unternehmen.» Aus betrieblicher Sicht sei es «stossend», dass Massnahmen zur Verbesserung des Datenschutzes «immer erst auf Druck der Behörden oder nach Verurteilung zu Strafzahlungen erfolgen».

Die Praktiken des Konzerns bezüglich Corporate Governance «entsprechen nicht unseren Vorstellungen», sagt Zollinger. Noch problematischer findet er die «Machtkonzentration auf systemischer Ebene»: «Kartellrechtlich, steuerlich und in Sachen Transparenz stellen sich zahlreiche Fragen». Immer wieder würden Praktiken bekannt, welche aus geschäftsethischen Überlegungen problematisch seien.

«Möglichst viele User für möglichst viel Zeit binden»

«Unter anderem hat das Unternehmen viel zu wenig unternommen, um falsche und illegale Inhalte auf den Plattformen zu verhindern. Die problematischen Auswirkungen auf demokratische Prozesse sind ebenfalls ausführlich dokumentiert.»

Weiter sei bekannt, sagt Zollinger, dass die Anwendungen explizit darauf ausgerichtet seien, «möglichst viele User für möglichst viel Zeit zu binden». Erst langsam werde das Problem des «Überkonsums» von Sozialen Medien und dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unsere mentale Gesundheit wissenschaftlich erforscht und thematisiert, sagt Zollinger. Globalance verwaltet rund 4 Milliarden Franken Kundenvermögen nach Nachhaltigkeitskriterien investiert.

Globalance begrüsse deshalb regulatorische Schritte, wie sie beispielsweise die EU ergriffen habe, um «Gatekeeper Plattformen» einen Rahmen zu schaffen. Diese gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung stünde erst am Anfang.

Parallelen zur Zigarettenindustrie

Letzten Herbst wurde Facebook von der früheren Produktmanagerin Frances Haugen an den Pranger gestellt. Sie wirft dem Unternehmen vor, eigene Gewinne über die Sicherheit von Personen zu stellen. «Die Produkte von Facebook schaden Kindern, heizen Spaltung an und schwächen unsere Demokratie», sagte sie einem Untersuchungsausschuss des US-Kongresses.

Facebook würde bewusst Algorithmen einsetzen, die spalterische und schädliche Inhalte fördern und die Öffentlichkeit darüber wiederholt in die Irre geführt zu haben. Das Unternehmen verheimliche wichtige Informationen vor der Öffentlichkeit und den Regierungen in den USA und in aller Welt.»

Facebook soll bei seinen eigenen Untersuchungen selbst zu dem Schluss gekommen sein, dass insbesondere Instagram der psychischen Gesundheit von Jugendlichen schaden und die Gefahr von Essstörungen erhöhen könne. Die Unternehmensführung wisse, wie Facebook und Instagram sicherer gemacht werden können. Sie nimmt aber nicht die notwendigen Änderungen vor, sagte Haugen.

Frances Haugen zog Parallelen zur Zigarettenindustrie und zur Opioid-Krise in den USA: «Als wir herausgefunden haben, dass die Tabakindustrie den Schaden verschleierte, den sie verursachte, hat die Regierung gehandelt», sagte die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin.