In seinem kürzlich erschienenen Buch «Without Prejudice» spricht er lediglich von einem «sogenannten Skandal». Nun teilte er in einem Interview mit Bloomberg weiter aus. Die Überwachungsaktionen gegen den früheren CS-Privatbanking-Chef Iqbal Khan und weitere Kaderleute seien nichts Illegales gewesen, sagte Thiam. «Das habe ich damals schon gesagt: Es wurde von niemandem etwas Illegales getan.»
Die Überwachung sei im Rahmen des Schweizer Rechts gewesen, sagte er. «Es wurde auch niemand deswegen angeklagt.» Er habe sich stets geweigert, jene zu verurteilen, die das gemacht hatten. «Sie handelten in gutem Glauben, im Sinne dessen, was sie für den Schutz der Bank hielten.»
Er habe das öffentlich gesagt. Viele in der Schweiz habe es geärgert, dass er die Leute verteidigte, die das gemacht hatten. «Ich sagte, ich wusste nichts davon, aber ich verstehe, warum sie so gehandelt haben.»
Kritik an Aufarbeitung
Thiam kritisiert, wie die Geschichte damals aufgearbeitet wurde. Man habe Hunderttausende von E-Mails durchsucht. «Aber eine Untersuchung der Zeit vor meiner Amtszeit wurde verweigert. Das ist eine Tatsache. Als sie sagten, sie wollten ermitteln, schrieb der General Counsel zurück: Gut, aber warum beschränken Sie das auf Herrn Thiams Amtszeit?»
Thiam sagt, die Abteilung, die die Überwachungen durchführte, habe schon früher existiert. Ihm dagegen sei unterstellt worden, «ich hätte bei der Credit Suisse eine Überwachungskultur eingeführt. Bis heute weigern sie sich, das Ganze aufzuarbeiten.»
Damit hat Thiam einen Punkt. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass Grosskonzerne über Abteilungen verfügen, die Unregelmässigkeiten und Fehlverhalten von Mitarbeitenden verfolgen. Schon im Interesse der Aktionäre ist dies zwingend notwendig. Ein Verwaltungsrat einer Grossbank – oder auch eines anderen Konzerns – könnte sich sonst dem Vorwurf aussetzen, die Interessen der Aktionäre unzureichend zu schützen.
CS habe die Medien gefüttert
Pikant ist, dass Thiam im Interview sagt, er sei selbst überwacht worden. «Mir wurde gesagt, ich sei in London bereits überwacht worden, bevor ich überhaupt angestellt war. Die Person, die das geäussert hatte, zog ihre Aussage später unter Druck zurück. Alles ist in den Akten der Credit Suisse.»
Und weiter sagt er: «Überwachung bei der Credit Suisse begann nicht mit mir. Das ist eine reine Nebelpetarde. Diese Sicherheitsabteilung war mit ehemaligen Schweizer Polizisten besetzt. Ich habe sie nicht geschaffen. Viele Banken beschäftigen ehemalige FBI-Agenten – die machen auch alles Mögliche, um die Interessen der Bank zu schützen.»
Auf die Frage, warum er sich damals nicht mehr gewehrt hatte, sagt Thiam, er sei «komplett mundtot gemacht» worden. «Als CEO, mit einem Aktienkurs im Blick, können Sie keinen öffentlichen Streit mit dem Verwaltungsrat, internen Leuten oder der Aufsichtsbehörde anzetteln. Ich durfte nichts sagen. Jede Erklärung musste zuerst durch die Anwälte.»
Tidjane Thiam prangert auch die Kommunikationspolitik der Bank an. In der Zeit, als die Spionage-Vorwürfe hochkochten, lag sein an Krebs erkrankter Sohn im Sterben. Laut Thiam habe die Credit Suisse damals die Medien aktiv mit Informationen gefüttert. Das hörte nie auf, sagte Thiam verbittert.
«Ich akzeptiere nicht, dass der Tod meines Sohnes in einem Boulevardblatt ausgeschlachtet wurde. Ich finde das widerwärtig und ich werde nie aufhören, das anzuprangern.» Er sei auf eine Art behandelt worden, die «ich für völlig inakzeptabel halte – ohne jede Entschuldigung.» Jedes Wochenende sei er in den Zeitungen weiter beleidigt worden. «Es war eine Obsession.»