Die Verunsicherung in Stäfa ist gross. Hier über dem Zürichsee hat Sonova seinen Hauptsitz. Hier ist der Hörgerätekonzern gross geworden. «Seit Monaten kursieren Gerüchte über einen Abbau mit Auslagerungen», sagt ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will. «Das Management machte eine schlechte Falle und hat schlecht kommuniziert», sagt er. Es gebe «keine Transparenz». Das Arbeitsklima beschreibt er als «zunehmend toxisch». «Einer der Sonova-Werte lautet ‘We care’, aber davon ist nichts zu spüren.»
Letzte Woche kam die Hiobsbotschaft, verpackt in modernem Businessjargon. Die Expansion von 15’000 auf 18’000 Mitarbeitende habe «zusätzliche Komplexität» im Personalbereich gebracht. Das Unternehmen sei weltweit mit zahlreichen «HR-Transaktionsprozessen und -systemen» konfrontiert, was zu «Ineffizienzen, Doppelspurigkeiten und erhöhten Kosten» führe. Die Lösung der Probleme seien «HR Shared Services», ein Modell, das alle Personalprozesse «zentralisiert und standardisiert».
Dieses Modell wolle der Konzern nun weltweit ausrollen, heisst es weiter. Sonova beginne mit dem Aufbau eines «EMEA HR Shared Services Hub» in Warschau (Polen) und werde die bisherigen Aktivitäten des lokalen Schweizer HR-Teams dorthin verlagern. Neben den zahlreichen praktischen Vorteilen, die dieses Modell mit sich bringe, könnten auch die Kosten gesenkt werden. Die Verlagerung werde bis Ende 2024 abgeschlossen sein.
Viele Wechsel im Senior Management
Wie viele Mitarbeitende durch die Verlagerung ihren Arbeitsplatz in Stäfa verlieren, geht aus der Mitteilung nicht hervor. Mitautorin des Schreibens ist Katya Kruglova, Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für HR und Kommunikation. Die gebürtige Russin arbeitet seit März 2023 bei Sonova. Sie ist eine von mehreren Neubesetzungen im Senior Management, die CEO Arnd Kaldowski in den letzten Jahren vorgenommen hat. In der achtköpfigen Geschäftsleitung sitzt mittlerweile keine Person mehr mit Schweizer Pass.
Am Hauptsitz in Stäfa sollen gemäss einer Quelle rund 10 Personen von der Massnahme betroffen sein. Die Verlagerung soll im Rahmen des «Projekts Eiger» erfolgen, einem internen Kostenprogramm, mit dem die Gruppe insgesamt 8,3 Millionen Franken einsparen will. In der Belegschaft wird befürchtet, dass neben dem Personalbereich auch andere zentrale Dienste betroffen sein könnten. Intern ist von Stellen in den Bereichen Operations und Finanzen die Rede.
Ein Sprecher von Sonova bestätigt gegenüber tippinpoint die Verlagerung nach Polen. «Wir haben beschlossen, ein kleines lokales Team von administrativen Dienstleistungen in unser Shared Service Center in Warschau zu verlagern. Diese Verlagerung wird eine einstellige Anzahl von HR-Stellen in der Schweiz betreffen». Sonova nehme solche Entscheidungen nicht «auf die leichte Schulter». Das Unternehmen habe dafür gesorgt, dass die Betroffenen eine angemessene Unterstützung erhielten, inklusive interner Mobilitätsmöglichkeiten. «Für den Fall, dass keine neue interne Stelle gefunden werden kann, bieten wir unter anderem eine finanzielle Entschädigung und Unterstützung bei der Neubesetzung an», sagte er.
«Der Franken ist nicht unser Freund»
Konzernchef Kaldowski sagte diese Woche am Investorentag in Stäfa, das Unternehmen sei trotz einiger Widrigkeiten auf Kurs. Als eine der grössten Herausforderungen bezeichnete er den starken Franken. «Der Franken ist nicht unser Freund», sagte Kaldowski und prognostizierte für das Geschäftsjahr 2024/2025 einen negativen Währungseffekt von voraussichtlich 1 bis 2 Prozent auf den Umsatz.
Trotz dieser Währungsbelastung zeigte sich der Konzernchef für die kommenden Monate zuversichtlich. «Ich kann sagen, dass das zweite Halbjahr stärker wird», versicherte er den anwesenden Investoren und Analysten. Diese Prognose stütze sich auf verschiedene Faktoren, allen voran die erwartete positive Marktentwicklung sowie die Einführung der neuen Hörgeräte. «Wir haben hier Pionierarbeit geleistet mit wegweisender KI-Technologie.» Das Kostenprogramm Eiger und die Verlagerungen nach Polen erwähnte der deutsche Manager nicht.