CO₂-Kompensationen
Das Zürcher Klimaunternehmen trennt sich von seinem Gründer und langjährigen CEO. Zu viel Porzellan ging in den vergangenen Monaten in die Brüche. In der Pflicht steht auch LGT mit ihrer Lightrock-Impact-Boutique.
10. November 2023 • Beat Schmid

Der Mitgründer und CEO der Zürcher Klimafirma South Pole ist mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Wie das Unternehmen mitteilte, übernimmt John Davis interimistisch seine Position. Davis ist Commercial Director für die Region Asien und Pazifik.

South Pole hatte Ende Oktober den Ausstieg aus dem umstrittenen Kompensationsprojekt Kariba in Simbabwe bekannt gegeben. Gleichzeitig kündigte das in die Kritik geratene Unternehmen an, die Bücher intern zu prüfen und die konzernweiten Qualitäts- und Risikokontrollen sowie die Due-Diligence-Prozesse zu verbessern. Der Verwaltungsrat von South Pole ist der Ansicht, dass diese Aufgabe «am besten von einer neuen Führungsspitze» wahrgenommen werden kann. Eine Person, die auch das «Vertrauen und die Kommunikation mit den Stakeholdern» verbessern könne.

Die Trennung von Heuberger kommt also einem Rauswurf gleich. Eine Überraschung ist das nicht. Der Verwaltungsrat hatte nach den jüngsten Enthüllungen kaum eine andere Wahl, als sich von Heuberger zu trennen. South Pole steht seit Monaten wegen seines Umgangs mit dem Waldschutzprojekt in der Kritik. Doch das Fass zum Überlaufen brachten Enthüllungen des US-Magazins «The New Yorker», die South-Pole-Gründer und CEO Renat Heuberger in ein schiefes Licht rücken.

Offenbar war dem Unternehmen schon länger bekannt, dass der Projektinhaber mit fragwürdigen Methoden arbeitet. So gibt es keine Belege, wie viel Geld für Schutzmassnahmen geflossen ist und wie viel die lokale Bevölkerung erhalten hat. Auch sei schon früh klar gewesen, dass das angenommene Kompensationspotenzial des Projekts viel zu hoch angesetzt war. Trotz dieses Wissens verkaufte South Pole weiterhin CO₂-Zertifikate aus dem Kariba-Projekt. Recherchen zufolge verkaufte das Unternehmen in den Monaten nach Bekanntwerden des Rechenfehlers weiterhin Millionen von Zertifikaten.

Neben der Abberufung des CEO wird es weitere personelle und organisatorische Veränderungen geben. Der Verwaltungsrat wird für die Klimagesellschaft einen Chief Risk Officer suchen, der das Risikomanagement auf Geschäftsleitungsebene überwacht. Zudem wird der Verwaltungsratspräsident Christoph Grobbel seine operativen Aufgaben abgeben.

Lightrock-Vertreter wird Vizepräsident

Auch die Aktionäre von South Pole werden stärker in die Pflicht genommen. Cornelius Walter von Lightrock, der Impact-Investing-Boutique der LGT, wird neuer Vizepräsident des Unternehmens und soll die «Stärkung der Governance-, Risiko- und Qualitätssicherungsprozesse» unterstützen, wie es weiter heisst. Der Nominationsausschuss des Verwaltungsrates hat einen Suchprozess für eine definitive Nachfolge eingeleitet.

«Wir befinden uns in einer Übergangsphase, die die Einführung einer neuen, erfahrenen und professionellen Führung erfordert, um die Konsistenz der Unternehmensführung sowie der Risiko- und Qualitätskontrollen weltweit zu stärken und sicherzustellen», schreibt Verwaltungsratspräsident Christoph Grobbel in der Medienmitteilung.

Auch Renat Heuberger meldet sich zu Wort: «South Pole hat sich von einem Labor zu einer der weltweit grössten Plattformen für den Klimaschutz entwickelt, die an 42 Standorten auf 6 Kontinenten tätig ist. Es war ein Privileg für mich, beim Aufbau dieses hervorragenden Teams mitzuwirken, das sich zum Ziel gesetzt hat, einen skalierbaren positiven Einfluss auf das Klima zu erzielen.»

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