Digital Assets Briefing
Ein Schwergewicht im Bereich Zahlungsdienstleistungen legt dar, warum die älteste Kryptowährung das bestimmende globale Transaktionsnetzwerk werden könnte.
15. September 2023 • Werner Grundlehner

Es macht einen Unterschied, ob der hier Schreibende einer Fussballmannschaft eine grosse Zukunft voraussagt oder ob dies Jürgen Klopp (Trainer von Liverpool FC, für Nichtfussballfans) tut. Deshalb sorgte es auch für Aufsehen, als David Marcus jüngst in einem Interview seine Vision für die Zukunft des Bitcoins als globales Zahlungsnetzwerk darlegte. David Marcus ist durchaus ein «Jürgen Klopp des Zahlungswesens» und auch ein Krypto-Kenner.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Löst die SEC-Bewilligung einen Nachfrage-Tsunami aus?
• Klage gegen Uniswap abgewiesen


David Marcus, der CEO von Lightspark und ehemaliger Präsident von PayPal, wurde der breiten Öffentlichkeit vor allem als Mitgründer und Chef der digitalen Facebook Weltwährung «Libra» bekannt. Facebook lancierte dafür einen gemeinnützigen Verein – auch Paypal, Mastercard, Spotify und zahlreiche Grosskonzerne waren damals Mitglied des Projekts.

Alle gegen Libra

Libra sollte eine global einfach nutzbare Kryptowährung werden, die auf einem Blockchain-ähnlichen System basiert und an einen Währungskorb gebunden ist und so einigermassen stabil bleibt. Der in Genf geborene Schweizer war als Leiter der Facebook-Einheit F2 (Facebook Financial) Chef des ambitionierten Vorhabens. Doch das Projekt – auch redimensioniert unter dem Namen «Diem» – scheiterte am heftigen Widerstand von Regierungen, Notenbanken und Geldinstituten, die um ihren geldpolitischen Einfluss bangten.

«Für globale Zahlungen befinden wir uns noch immer im Fax-Zeitalter», sagte Marcus zu Beginn des Interviews, das er vor wenigen Tagen dem amerikanischen Business-TV-Kanal CNBC gab. Vor dem CNBC Studio in New York gebe es viele Touristen, sagte er. Wenn man einen von diesen kurz anhalten würde und einen Weg finden wollte, um später mit diesen zu kommunizieren, könnte man sie nach einer E-Mail-Adresse oder Whatsapp-Nummer fragen und ganz einfach Texte und Bilder versenden oder eine Video-Session abhalten.

Geld reist noch kompliziert

Aber Geld transferieren? - Das würde Probleme verursachen und kompliziert werden. «Wenn man einem Touristen Geld senden möchte, würde man ihn vermutlich nach einer Bankleitzahl und Kontonummer fragen. Diese haben wiederum ein anderes Format, je nachdem, wo man sich in der Welt befindet», erklärt Marcus. Die Zahlung wäre zudem teuer und würde Tage dauern, bis sie abgeschlossen wäre.

Marcus vergleicht die aktuelle Situation der globalen Zahlungssysteme mit der Kommunikation vor dem Aufkommen des Internets. Damals war es kompliziert und teuer, Nachrichten über Ländergrenzen hinweg zu senden. Heute können wir nahtlos E-Mails und Textnachrichten weltweit austauschen, fast ohne Kosten und Verzögerung. Das müsste auch für Zahlungstransaktionen möglich sein. Deshalb wäre es sinnvoll, den Bitcoin als globales Zahlungsnetzwerk zu etablieren.

Apps nicht interoperabel

Der Moderator wollte daraufhin vom ehemaligen PayPal-Präsidenten wissen, warum dies überhaupt notwendig sei, schliesssslich gibt es bereits Zahlungs-Apps wie etwa PayPal, die genau das möglich machen. Marcus erklärte, dass es Grenzen innerhalb dieser Systeme gebe und diese oft nicht interoperabel sind. Wenn der Empfänger des Geldes nicht beim gleichen Dienst sei, gestalte sich die Transaktion schwierig.

Marcus möchte dieses Problem mit der Bitcoin-Blockchain lösen und hat dafür ein Unternehmen mit dem Namen Lightspark gegründet. Als der Interviewer entgegenhält, der Bitcoin sei doch ein volatiles Asset. Und auch jene, die von Bitcoin überzeugt seien, dieses ungern als Geld verwenden würden, weil sie davon ausgehen, dass es in Zukunft deutlich mehr wert sei. «Ich glaube nicht, dass der Bitcoin (als Basis-Layer) sich als alltägliches Zahlungsmittel etablieren wird», stimmte Marcus zu.

Lightning ist günstig und skalierbar

Marcus will als Zahlungssystem – wie es der Name seines Unternehmens andeutet – das Lightning-Netzwerk verwenden. Lightning ist ein ein sekundäres Netzwerk, das auf der Bitcoin-Blockchain sitzt. Es ist ein System von Zahlungskanälen, das nahezu sofortige, kostengünstige Bitcoin-Transaktionen ermöglicht. Die Benutzer können Bitcoin senden und empfangen, ohne auf Bestätigungen in der Blockchain warten zu müssen. Das Bitcoin-Lightning-Network ermöglicht dank der hohen Skalierbarkeit Millionen von Transaktionen pro Sekunde und viel höhere Transaktionsvolumen. Die Technologie wird bereits rege benutzt, steckt aber noch in den Kinderschuhen und muss einige technische Hürden noch überwinden.

«Ein Bruchteil eines Bitcoins im Lightning-Netzwerk ist mit einem kleinen Datenpaket im Internet – nur für Werte – vergleichbar», erklärt er. Auf diese Weise könne man Transaktionen an den Enden des Netzwerks vornehmen und Dollar an jemanden senden, der am anderen Ende aber japanische Yen empfängt. Das tatsächliche Netzwerk, das verwendet wird, um diese Transaktion abzuwickeln und festzuhalten (zu setteln) ist aber die Bitcoin-Blockchain.

Es dürfte einige skeptische Beobachter vom Bitcoin überzeugen, dass ein Mann mit der Erfahrung und dem Renommee von David Marcus, der einst einen «Gegen-Bitcoin» lancieren wollte, nun über Bitcoins Funktion als Settlement-Layer spricht und sogar ein Unternehmen gegründet hat, das diese Vision möglich machen soll.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Löst die SEC-Bewilligung einen Nachfrage-Tsunami aus?

Dann waren es zehn. In dieser Woche hat auch die US-Fondsgesellschaft Franklin Templeton bei der US-Börsenaufsicht SEC einen Antrag auf einen börsengehandelten Bitcoin-Spotfonds (ETF) gestellt. Damit ist Franklin Templeton hinter Blackrock und Fidelity der drittgrösste Vermögensverwalter, der einen Indexfonds auf den Kassakurs des Bitcoins anbieten will. Die Anbieter müssten den Gegenwert der Fondsanteile in Bitcoins hinterlegen. Weitere Antragsteller bei der SEC sind Invesco, Wisdom Tree, Van Eck, Global X, ARK Invest, Bitwise und Valkyrie. Diese amerikanischen Asset-Manager verwalten Vermögen mit einem Umfang von 17’700 Milliarden Dollar. Hinzu kommt Grayscale, die der SEC einen Antrag zur Umwandlung des Grayscale Bitcoin Trust (GBTC) in einen börsengehandelten Indexfonds (ETF) unterbreitet hat. Die SEC hat den am 31. August fälligen Entscheid über die ersten Bitcoin-ETF verschoben. Der Entscheid zu Grayscale wird am 16. Oktober fällig. Es ist so, dass nur ein minimaler Anteil, der oben erwähnten Vermögen in die Bitcon ETF fliessen würde. Aber je mehr ETF-Produkte im Regal liegen, desto grösser wird der Appetit der einkaufenden Anleger. Ein Vermögenswert, der momentan einen Wert von rund 500 Milliarden Dollar aufweist, dürfte den SEC-Zulassungsentscheid auf jeden Fall antreiben.

Grünes Licht durch die SEC wäre zudem ein Vertrauen bildendes Gütesiegel für die Kryptowährung. Und das weit über die USA hinaus. Natürlich ist eine Ablehnung der Anträge auch möglich – sie wird aber mit jedem etablierten Anbieter, der ein solches Produkt auflegen möchte, schwieriger zu vermitteln. Vorerst ist die Tonlage der US-Börsenaufsicht aber noch klar «Anti-Krypto». Franklin Templeton führt im SEC-Antrag unter «Unsicherheiten» denn auch diese Risiken an: «Die Märkte für digitale Vermögenswerte in den USA befinden sich in einem Zustand regulatorischer Unsicherheit. Ungünstige Entwicklungen in der Gesetzgebung oder der Regulierung könnten dem Wert von Bitcoin oder den Anteilen erheblich schaden, beispielsweise durch Verbote, Einschränkungen oder belastende Bedingungen oder ein Verbot der Verwendung von Bitcoin, von Mining-Aktivitäten, von digitalen Wallets, der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Handel und der Verwahrung von Bitcoin, des Betriebs des Bitcoin-Netzwerks oder die Märkte für digitale Vermögenswerte im Allgemeinen.» (gru)


Klage gegen Uniswap abgewiesen

Ein Gerichtsentscheid in den USA zeigt, dass die Behörden beginnen, Defi (dezentralisierte Finanztransaktionen) besser zu verstehen. Ein Bezirksgericht hat eine Klage einer Anleger-Gruppe vom April 2022 gegen Uniswaps Labs und dessen Gründer Hayden Adams abgewiesen. Uniswap wurde beschuldigt, eine nicht registrierte Börse oder einen Brokerdienst zu unterhalten und Wertpapiere an einer nicht registrierten Börse anzubieten und zu bewerben. Die Kläger hatten Geld mit betrügerischen Token verloren, die auf Uniswap gehandelt wurden. Der Richter wies die Klage ab und bezeichnete die Token als Ware, und dass der Kläger wenn schon die Emittenten der benannten Token verklagen sollte. Nur weil die Anleger die Betrugs-Token auf Uniswap gekauft haben, sei das dezentrale Protokoll selbst nicht haftbar. Dieser Entscheid zeigt, dass die Behörden beginnen, den Bereich «Krypto» nicht in einen Topf werfen, sondern Produkte und Anbieter differenziert betrachten. (gru)