Knall in der Immobilien-Szene
Gestern wurde ein 7-Prozent-Aktienpaket des grössten Schweizer Immobilienkonzerns in aller Eile verkauft. Es gehörte dem umstrittenen Investor und FCZ-Sponsor Norbert Ketterer.
30. August 2023 • Beat Schmid

Gestern ging es Schlag auf Schlag. Am Nachmittag informierte die UBS den Markt über ein beschleunigtes Bookbuilding-Verfahren im Zusammenhang mit einem grossen Aktienpaket des Schweizer Immobilienkonzerns Implenia. Insgesamt suchte die Bank für 1,3 Millionen Aktien neue Besitzer. Sie gehörten dem umstrittenen Zürcher Immobilieninvestor Norbert Ketterer, der in Zürich als Sponsor des FCZ bekannt geworden ist.

Nokera, so der Name eines seiner Immobilien-Ventures, ziert seit der vergangenen Saison die Trikots der Fussballmannschaft. Das 2020 gegründete Immobilien-Start-up mit Sitz in Rüschlikon bezeichnet Ketterer als «das weltweit innovativste Bauindustrieunternehmen unserer Zeit». Das operative Herz von Nokera liegt in Ostdeutschland. In Stegelitz bei Magdeburg hat Ketterer eine riesige Fabrik gebaut. Die «grösste Green-Construction-Factory der Welt» soll Häuser aus nachhaltigen Materialien wie Holz am Fliessband produzieren.

Ursprünglich sollten bereits Ende 2022 die ersten Wohneinheiten die Fabrik verlassen, doch bis heute ist die Produktion noch nicht angelaufen. Zuletzt hiess es, der Start sei für August geplant. Doch auch diesen Termin scheint Ketterer nicht halten zu können. Auch bei den Produktionszielen musste der Investor über die Bücher gehen. Ursprünglich war von 20'000 Häusern die Rede, die die «Schweizer Gigafactory» jährlich produzieren soll. Vor wenigen Monaten sprach Ketterer noch von der Hälfte.

500 Millionen investiert

Bis zu 500 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen soll er bisher in das Unternehmen gesteckt haben, wie das «Handelsblatt» in einem Porträt im April schrieb. In dem Artikel war auch von zwei weiteren Co-Investoren die Rede, die mit ihren Beteiligungen die Bewertung von Norkea auf über 1,1 Milliarden Euro getrieben hätten. Seitdem kann Ketterer sein Start-up als Unicorn bezeichnen.

Allerdings dürfte der Aufbau von Nokera mehr Geld verschlingen als ursprünglich geplant. Für Insider stellt sich deshalb die Frage, inwieweit die Banken im Hintergrund Druck auf Ketterer ausgeübt haben, das Implenia-Paket zu verkaufen. Üblicherweise kommt es zu solchen Schnellverkäufen wie gestern, wenn die Banken Kreditpositionen decken müssen. Norbert Ketterer war heute Morgen per Whatsapp für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Nicht klar ist, ob Ketterer sein ganzes Paket verkaufte. Gemäss Implenia-Website hält er 10 Prozent der Aktien, das wären 1,8 Millionen Aktien. Gut möglich, dass er noch 500’000 Aktien hält. Er dürfte damit knapp unter die Meldeschwelle von 3 Prozent fallen.

Die professionellen Investoren, die gestern zugriffen, konnten eine Implenia-Aktie für 30.90 Franken kaufen. Der Verkaufspreis wurde gestern am späten Abend festgelegt. Die Aktien gingen gestern zum Preis von 34.30 Franken aus dem Handel. Der Kurs von Implenia ist seit Mitte Juni unter Druck. Damals kostete eine Aktie noch 48 Franken. Ketterer verlor über 36 Prozent. Statt 62 Millionen Franken hat er noch 40 Millionen erhalten. Gemäss Marktstimmen lag ein möglicher Verkauf des Ketterer-Pakets in der Luft. Denkbar ist, dass Hedgefonds die Implenia-Aktien in den letzten Wochen geshortet haben und sich nun günstig eindecken.

Schillernde Figur der Immobilienszene

Norbert Ketterer ist eine schillernde Figur der Immobilienszene. Sein grösster Coup gelang ihm, als er seine Helvetic Financial Services für 620 Millionen Euro in die deutsche Immobiliengruppe Corestate Capital Group einbrachte. Das «Manager Magazin» bezeichnete Ketterer einmal als einen der «aggressivsten Immobilienhändler der Republik». Geld verdiente Ketterer vor allem mit sogenannten Mezzanine-Finanzierungen.

Mit an Bord bei Nokera ist unter anderem Sascha Zahnd, der im Verwaltungsrat sitzt. Bekannt wurde er als Manager bei Tesla, wo er für die Region Europa, Naher Osten und Afrika verantwortlich war. Er war Verwaltungsratspräsident von Valora, bis das Unternehmen letztes Jahr verkauft wurde. Einer der Gründungspartner von Nokera war der Software-Unternehmer Francisco Fernandez, der mit dem Verkauf der Bankensoftwarefirma Avaloq zum Milliardär wurde. Er stieg kurz nach der Gründung wieder aus.

Ketterer gelang es, den ehemaligen Schindler-Chef Thomas Oetterli als CEO für Nokera zu gewinnen. Es war allerdings ein sehr kurzes Gastspiel. Nach wenigen Monaten war Oetterli schon wieder weg. Seit Mitte März ist er Chef des Winterthurer Spinnmaschinenherstellers Rieter.

Implenia bestätigt Verkauf des Aktienpakets

Implenia teilte am Mittwochmorgen mit, dass die UBS im Auftrag von Norbert Ketterer im Rahmen eines Accelerated-Bookbuilding-Verfahrens nach dem gestrigen Börsenschluss insgesamt 1’295’688 Aktien der Implenia bei institutionellen Investoren platziert habe. Gemäss letzter Meldung an Implenia und SIX Swiss Exchange hielt Ketterer per 3. März 2020 1’848’000 registrierte Implenia Aktien, was 10,004 Prozent des Aktienkapitals entspricht.

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