Viel höher als angenommen
Mutmassliche Strohmänner von Wladimir Putin haben zwischen 2006 und 2016 7,6 Milliarden Franken über die Schweizer Filiale der Gazprombank transferiert. Dies geht aus einer Strafverfügung hervor – bei der es eigentlich um etwas ganz anderes ging.
13. Juli 2023 • Beat Schmid

Die Summe ist deutlich höher als bisher angenommen: Insgesamt 7,6 Milliarden Franken sind zwischen 2006 und 2016 über die Gazprombank geflossen. Dies geht aus einem Strafbescheid des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) hervor, der dem Westschweizer Justizmedium Gotham City (Abo) vorliegt.

Das Verfahren betrifft zwei ehemalige Kadermitglieder der Gazprombank Schweiz, die kürzlich auch vom Bezirksgericht Zürich im Zusammenhang mit Geldern des russischen Cellisten Sergej Roldugin verurteilt wurden. Der ehemalige CEO der Bank und ein ehemaliger Compliance Officer wurden wegen falscher Angaben gegenüber der Finma zu Geldstrafen verurteilt.
Im ersten Teil des Falles, der in Zürich verhandelt wurde, konzentrierten sich die Ermittlungen der kantonalen Staatsanwaltschaft auf eine Handvoll verdächtiger Transaktionen im Umfang von 10 Millionen Franken, die zwischen 2014 und 2016 getätigt wurden.

Nur die Spitze des Eisbergs

Diese Beträge seien aber nur die Spitze des Eisbergs, schreibt Gotham City. Die 89-seitige Strafverfügung des EFD geht weiter und liefert Informationen über eine Gruppe von mutmasslichen Strohmännern des russischen Präsidenten, die ab 2006 Gelder über die Gazprombank Schweiz transferierten. Der Cellist Roldugin soll Mitglied dieser Gruppe gewesen sein.

Die Ermittlungen des EFD, die sich auf Informationen der Finma und der Staatsanwaltschaft Zürich stützten, förderten nicht weniger als 14 Offshore-Firmen zutage, die von den Putin-Vertrauten genutzt wurden. Die Firmen tragen Namen wie: Med Media Network, Shepton Holdings, Sunburn Limited, Sonnette Overseas, Sandalwood Continental Limited oder Horwich Trading.

Eine Analyse der Transaktionen ergab in einer ersten Phase zwischen 2006 und 2012 Mittelzuflüsse von über 7,5 Milliarden Franken. Diese Gelder stammten ursprünglich von der Putin-nahen Bank Rossija und wurden später auf andere Ziele verteilt, wobei rund zwei Millionen in den Tresoren der Gazprombank Schweiz landeten.

Allein über die Horwich Trading wurden in dieser Zeit 2,59 Milliarden Franken geschleust. Mehr als 2,2 Milliarden wurden über Sandalwood Continental und 993 Millionen über Shepton Holdings abgewickelt.

Durch die Veröffentlichung der Panama Papers im Jahr 2016 wurden die beiden wichtigsten Offshore-Firmen der vermuteten Strohmänner, Horwich und Sandalwood, bekannt. Damals schätzte das ICIJ die fragliche Summe auf zwei Milliarden Dollar.

Unklarer Hintergrund

Was die Analysen des EFD nicht klären, ist der wirtschaftliche Hintergrund der Transaktionen. Dieser gehe aus den Akten der Bank nicht hervor, stellt das EFD lapidar fest. Auch «die zur Rechtfertigung der Transaktionen vorgelegten Verträge lassen nicht erkennen, in welchem Zusammenhang und zu welchem Zweck sie abgeschlossen wurden». Eine Hinterfragung der Transaktionen durch die Verantwortlichen der Bank habe nicht stattgefunden oder sei von der Bank Rossija blockiert worden, schreibt das EFD.

Drei Tage nach der Veröffentlichung der ICIJ-Enthüllungen kontaktierte die Finma die Verantwortlichen der Gapzprombank Schweiz, verlangte eine Erklärung und warnte sie vor der bevorstehenden Eröffnung eines Enforcement-Verfahrens.

Der CEO der Gazprombank und der Leiter Compliance antworteten eine Woche später. Gemäss EFD haben die beiden Männer in ihrem Antwortschreiben «unvollständige und irreführende Angaben zum Sachverhalt gemacht und ihre Rolle bei der Eröffnung der Konten heruntergespielt oder gar verschwiegen».

Beide wurden wegen vorsätzlicher Falschauskunft gegenüber der Finma verurteilt. Die Strafen sind allerdings milde: Der CEO erhält eine Busse von 4500 Franken und muss 6500 Franken Verfahrenskosten bezahlen. Der ehemalige Leiter der Compliance-Abteilung wird wegen Verletzung der Meldepflicht zu einer Busse von 20'000 Franken und wegen Falschauskunft zu weiteren 3'000 Franken verurteilt.

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