Digital Asset Briefing
Bitcoin wird zum Gewinner des Angriffs der US-Behörden auf den Krypto-Bereich. Traditionelle Finanzinstitute versuchen, die junge Industrie zu vereinnahmen. Der Bitcoin notiert wieder über 30’000 Dollar.
23. Juni 2023 • Werner Grundlehner

Der Vorstoss von Blackrock-Chef Larry Fink war eine erfreuliche Unterstützung für die Krypto-Branche in den Tagen als sie unter Dauerbeschuss der US-Behörden stand. Über die Absicht des US-Vermögensverwalters einen Bitcoin-Spot-ETF zu lancieren, haben wir bereits in der vergangenen Ausgabe berichtet. Doch die Auswirkungen auf den gesamten Krypto-Bereich werden erst langsam sichtbar. Vor einigen Tagen Woche hat der grösste Vermögensverwalter der Welt in den USA einen Antrag für einen Bitcoin-Spot-ETF eingereicht. «Spot» bedeutet, dass die Coins real erworben werden und damit auch die Notierung des Bitcoins unmittelbar beeinträchtigt wird. Bisherige Projekte basierten auf Bitcoin-Zertifikaten (Futures).



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Studie: Hongkong sollte Singapur und Japan in Sachen Krypto imitieren
• Stablecoins: Das nächste Ziel der US-Behörden?
• Fortnite: Die Sneaker-Jagd hat begonnen


«Blackrocks Antrag für einen Bitcoin-ETF hat die Hoffnung auf eine Genehmigung dank der Grösse, der Statur und des Rufs des Unternehmens wiederhergestellt», schreiben die ETF-Analysten von Bloomberg Intelligence. Der US-Vermögensverwalter habe die Entscheidung wahrscheinlich nicht leichtfertig getroffen und sei es gewohnt, mit Regulierungsbehörden und der Regierung im Allgemeinen zusammenzuarbeiten.

Blackrock kennt keine Niederlagen

Ein Anlagestratege meinte am US-Börsenfernsehen CNBC scherzhaft: «Das SEC und Blackrock – das ist doch dasselbe.» Dabei spielt er darauf an, dass öfters Manager zwischen den beiden Institutionen hin und her wechseln. Zur Erinnerung: Auch der ehemalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Philipp Hildebrand, arbeitet heute als Vice Chairman für den US-Vermögensverwalter. Der Blackrock iShares Bitcoin Trust hat allein schon statistisch gesehen gute Chancen. Von 576 ETF-Anträgen des weltgrössten Vermögensverwalters wurde erst einer abgelehnt.

Der Vorstoss der SEC gegen die Kryptobörsen Binance und Coinbase sowie zahlreiche Altcoins, welche die US-Börsenaufsicht nun als Wertschriften einschätzt, hat den Sektor als Ganzes erschüttert – die Stellung des «Urvaters» Bitcoin aber gestärkt. Der Bitcoin hat vor wenigen Tagen innerhalb des Krypto-Sektors zum ersten Mal seit zwei Jahren sein Gewicht wieder auf über 50 Prozent erhöht. Und dies obwohl in den vergangenen Jahren eine Vielzahl neuer Kryptowährungen hinzugekommen ist. Ein Schweizer Kryptounternehmer sagt dazu: «Der Bitcoin ist momentan die einzige Kryptowährung mit einer zumindest einigermassen klaren Regulierung».

Fünf Bitcoin-ETF-Anträge in einer Woche

Dank des überraschenden Vorstosses von Blackrock wittert auch die Konkurrenz Morgenluft. In den vergangenen Tagen gingen bei der SEC fünf entsprechende Anträge ein. So haben die beiden amerikanischen Fondshäuser WisdomTree und Invesco ihr ETF-Anliegen wieder reanimiert. In den vergangenen Tagen reichten die beiden Finanzdienstleister jeweils einen Antrag auf einen Spot ETF ein.

Dabei mussten diese beiden Gesellschaften nicht bei Null beginnen, sowohl WisdomTree als auch Invesco stellten bereits 2021 Anträge auf Spot-ETFs für Kryptowährungen. Allerdings stiessen sie bei der SEC auf Verzögerung und Ablehnung. Die US-Börsenaufsichtsbehörde lehnte physisch unterlegte Bitcoin-ETF stets mit dem Hinweis auf Manipulationsbedenken und mangelnden Anlegerschutz schon mehrmals ab. Falls der Blackrock-Antrag durchgeht, wird es für das SEC schwierig zu begründen, wieso andere Bitcoin-Spot-ETF keine Zulassung erhalten.

Grayscale-Trust reduziert Abschlag

Auch Grayscale Investments sieht dank Blackrock einen Silberstreifen am Horizont. Im Sommer lehnte die SEC den Antrag von Grayscale auf Umwandlung ihres Flaggschiffs, des Grayscale Bitcoin Trust, in einen ETF ab. Der Finanzdienstleister zog vor Gericht mit der Begründung, die Börsenaufsicht habe einen Future-basierten ETF bewilligt und dabei keine Probleme bezüglich Betrugsbekämpfung und Anlegerschutzstandards gesehen.

Grayscale Investments ist ein führender Vermögensverwalter für digitale Währungen. Über Treuhandfonds (Trusts) ermöglicht die Gesellschaft professionellen Anlegern ein Engagement in Kryptowährungen, ohne die zugrundeliegenden Vermögenswerte direkt kaufen und verwalten zu müssen. Die Struktur des Trusts hat jedoch einen grossen Nachteil. Im Gegensatz zu einem börsengehandelten Fonds kann ein Trust keine Anteile zurücknehmen, um die schwankende Nachfrage auszugleichen. Aus diesem Grund hat sich beim Bitcoin-Trust von Greyscale ein Abschlag zum Nettoinventarwert gebildet – das heisst, der Trust hat weniger Wert als die Bitcoins, die er hält.

Der fast 17 Milliarden Dollar schwere Grayscale Bitcoin Trust hat sich in den Tagen, seit Blackrock den ETF beantragt hat, besser entwickelt als der Bitcoin selbst. Dadurch hat sich der Abschlag des Trusts gegenüber den eigenen Bitcoin-Beständen auf etwa 37 Prozent verringert, gegenüber 44 Prozent eine Woche zuvor. Der Blackrock-ETF würde zwar zum Konkurrenten des Grayscale-ETF. Doch eine Zulassung an Blackrock dürfte auch die Chancen des Konkurrenten erhöhen. Eine Umwandlung in einen ETF würde den Abschlag grösstenteils verschwinden lassen.

Neue Krypto-Börse mit gewichtigen Paten

Blackrock scheint also Stabilität für den Bitcoin zu bringen. Diese macht sich auch andernorts bemerkbar – auch wenn eingefleischte Bitcoiner und Anhänger von dezentralen Organisationen bei derartiger «Stabilität» von einem Schaudern erfasst werden. In dieser Woche kam es etwa zur Gründung einer neuen Kryptobörse. Im angespannten Umfeld um FTX, Binance, Coinbase & Co. ist das schon einmal erstaunlich. Ebenso erstaunlich sind die Gründer der neuen Handelsbörse. EDX Markets wird von grossen Wall Street Firmen wie Charles Schwab, Citadel Securities und Fidelity Digital Assets unterstützt.

Gehandelt werden auf EDX Bitcoin, Ether, Litecoin und Bitcoin Cash. Das sind just jene Währungen, die der SEC-Chairman Gary Gensler vor einigen Monaten noch als «Nicht-Wertschriften» erwähnt hatte. In der Mitteilung zur Gründung hiess es, die Plattform sei entwickelt worden, um die latente Nachfrage nach dem Handel mit digitalen Vermögenswerten zu befriedigen und eine sichere, konforme und liquide Handelsumgebung zu schaffen. Der Handelsplatz unterscheidet sich von anderen Börsen durch seinen «Non-Custodial»-Ansatz. Die Plattform verwahrt die Vermögenswerte der Kunden nicht direkt. EDX ist nur die Plattform, auf der sich die Marktteilnehmer über Preise und Ausführung einigen können. Sobald die Konditionen vereinbart sind, rechnen die Vertragsparteien direkt unter sich ab und schliessen die Transaktion bilateral.

Santander und Barclays

Es gäbe noch einige Meldungen zu «Bitcoin in der traditionellen Finanzindustrie» anzuführen. Etwa: Die spanische Bank Santander, die zu den grössten der Welt zählt, stellt ihren Kunden Transaktionen auf dem Lightning-Netzwerk vor. Die Bank erklärt in einem Kundenschreiben die Funktionsweise des Bitcoin-Netzwerks sowie der Second-Layer-Technologie Lightning Network. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass immer mehr traditionelle Unternehmen, wie Walmart, McDonalds und Shopify, eigene Lightning-Zahlungssysteme implementieren.

Erwähnenswert ist auch ein kürzlich erschienenes Interview von Bob Diamond, dem ehemaligen CEO von Barclays, auf dem Sender CNBC. Darin drückt er seine Unterstützung für die allgemeine Einführung von Bitcoin aus, betont aber auch die Bedeutung einer strengen Regulierung für Kryptowährungen, um einen positiven Einfluss auf das Finanzsystem zu haben. Diamond weist im Gespräch auf das transformative Potenzial von Kryptowährungen, insbesondere von Bitcoin, als Teil der Digitalisierung im Finanzsektor hin.

Fazit: Der Bitcoin ist dabei, die traditionelle Finanzwelt zu infiltrieren.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Studie: Hongkong sollte Singapur und Japan in Sachen Krypto imitieren

Eine Studie des Legislativrats von Hongkong schlägt vor, dass sich die Sonderverwaltungszone bei ihren Bemühungen um die Entwicklung und Einführung von Web3-Technologien und Kryptowährungen an Ländern wie Japan, Singapur und Südkorea orientiert. Die Studie verweist auf die nationale Web3-Strategie von Japan, Singapurs Fokus auf Blockchain-Anwendungen und die Metaverse-Strategie in Südkorea. Hongkong soll die Erfahrungen der Vorreiter im Web3-Bereich für die eigene Entwicklung nutzen. Es bestehe sonst die Gefahr, dass die Stadt bei der Entwicklung von Web3 hinter den ostasiatischen Staaten und auch jenen am Golf zurückbleibe.

Die Autoren fordern fordern mehr rechtliche Klarheit, um ein günstiges Umfeld für Web3-Technologien zu schaffen, einschliesslich der Klärung von Fragen im Zusammenhang mit dezentralen autonomen Organisationen (DAO), geistigen Eigentumsrechten und nicht-fungiblen Token (NFT). Die Regierung von Hongkong hat im Budget 2023-2024 50 Millionen Hongkong-Dollar (rund 6 Mio. Fr.) zur Förderung des Web3-Sektors bereitgestellt. Der Finanzminister von Hongkong gab jüngst bekannt, eine Task Force für virtuelle Vermögenswerte einzurichten. Die Annahme von Lizenzanträgen für Kryptobörsen durch die Börsenaufsicht Hongkongs ist ein weiteres Zeichen für den Vorstoss der Sonderverwaltungszone in Richtung Web3- und Blockchain-Technologien.

Stablecoins: Das nächste Ziel der US-Behörden?

Die Investmentbank Berenberg geht davon aus, dass der Regulator in den Vereinigten Staaten in seiner Offensive gegen den Krypto-Sektor als nächstes Stablecoins und DeFi ins Visier nimmt. Vor allem Stablecoins wie Tether (USDT) oder den von Circle ausgegebenen USDC könnten nach Ansicht von Berenberg das nächste Ziel der US-Börsenaufsicht SEC sein. Durch diesen Vorstoss gegen Stablecoins könnte die SEC auch das DeFi-Ökosystem (Dezentrale Finanzen) schwächen. Laut Berenberg wäre dadurch vor allem Coinbase betroffen. Die Krypto-Börse habe im ersten Quartal 2023 einen Nettoumsatz von knapp 200 Millionen Dollar mit Zinserträgen aus USDC-Reserven generiert. Auch die Notenbank Federal Reserve als Währungshüter strebe eine grössere Kontrolle über Stablecoins an, die den Dollar abdecken.

Fortnite: Die Sneaker-Jagd hat begonnen

Spieler, die sich nach dem 20. Juni im Survival-Shooter-Game Fortnite einloggen, haben die Möglichkeit, an der «ultimativen Sneaker-Jagd» von Nike teilzunehmen. Das Survival-Shooter-Game weist mehr als 240 Millionen aktive Spieler auf.

Was die Spieler konkret finden können, war bei der Lancierung noch nicht klar. Nike wird aber seine NFT nicht direkt ins Spiel integrieren. Die Gamer können ihr Konto mit der SWOOSH-Plattform von Nike verknüpfen und erhalten so mit etwas Glück, nicht handelbare Ansprüche für die kommende virtuelle Air-Max-Kollektion.

Mit dieser Aktion baut der US-Sportschuhhersteller die Web3-Adoption weiter aus. Die Fortnite-Kooperation ist der zweite Schritt von Nike in die NFT-Welt. Anfang Juni gab das Unternehmen bereits eine Partnerschaft mit FIFA-Herausgeber EA Sports bekannt. Letzten November startete Nike die Web3-Plattform SWOOSH, auf der NFT-Produkte angeboten werden. Auch der Konkurrent Adidas startete jüngst eine NFT-Kollektion. Nike zählt neben Adidas und Gucci zu einer der Top-Marken im NFT-Bereich.