Recovery- und Resolution-Pläne
Jedes Jahr untersucht die Finanzmarktaufsicht, wie gut sich systemrelevante Banken im Notfall neu kapitalisieren und abwickeln lassen. Schlecht sieht es bei der "Bank" des Bundes aus.
26. April 2023 • Beat Schmid

Es ist wie auf einem Kreuzfahrtschiff. Es braucht Schwimmwesten, Rettungsboote und klare Abläufe, was in einem Notfall zu tun ist. Nicht anders ist das bei systemrelevanten Banken und anderen Dienstleistern, die für die Finanzinfrastruktur wichtig sind. Der Job der Finma ist es, Vorgaben zu machen und die Notfallpläne zu prüfen.

Sie macht das jedes Jahr. Das Ergebnis der Prüfung vom letzten Jahr liegt nun vor. Wie schon bei der letzten Prüfung haben die beiden Grossbanken von der Finma grünes Licht bekommen. Ihre Notfallpläne wurden “weiterhin als umsetzbar” beurteilt. Die Grossbanken haben ihre Planungen und operationellen Fähigkeiten in den Bereichen “Bewertung” und “Restrukturierung” finalisiert, getestet und auch mit ausländischen Behörden abgestimmt. In den Bereichen "Liquidität" und “Durchführung eines Bail-in” erzielten sie weitere Verbesserungen in der Implementierung.

Die Arbeiten der Grossbanken wurden mit Status per Ende 2022 beurteilt, hält die Finma fest. “Die Ereignisse rund um die Credit Suisse im ersten Quartal 2023 werden in der Resolution-Berichterstattung daher nicht berücksichtigt”. Diese würden jedoch im Rahmen der Weiterentwicklung der Recovery- und Resolution-Planung der Institute “zukünftig berücksichtigt”, schreibt der Regulator. Bei den Finanzmarktinfrastrukturen hat die Finma die Recovery-Pläne der zentralen Gegenpartei SIX x-clear sowie des Zentralverwahrers SIX SIS erstmals ohne Vorbehalte genehmigt.

Grünes Licht bekommt auch der Notfallplan der Raiffeisen-Gruppe. Er entspricht erstmals den Anforderungen an die unterbruchsfreie Weiterführung der systemrelevanten Funktionen bei drohender Insolvenz, heisst es. Raiffeisen kann ausreichend Kapital bereitstellen, um im Krisenfall rekapitalisiert und weitergeführt zu werden.

Der Notfallplan der Zürcher Kantonalbank (ZKB) hingegen ist “weiterhin noch nicht umsetzbar”, da die Bank für die Rekapitalisierung im Notfall nicht genügend Kapital reserviert hat. Sie habe jedoch damit begonnen, die entsprechenden Mittel durch die Emission von Bail-in-Instrumenten aufzubauen.

Postfinance: “Kein plausibler Plan”

Eine Rote Karte bekommt Postfinance. Sie habe “kein plausibler Plan” zur Erzielung der Umsetzbarkeit ihres Notfallplans. Das Institut, das sich zu 100 Prozent im Besitz des Bundes befindet, muss nach dem Scheitern der Revisionsvorlage zum Postorganisationsgesetz ihre Strategie zur Rekapitalisierung im Notfall neu ausrichten, hält die Finma fest.

Das Urteil der Finma ist bereits vor Veröffentlichung auf Kritik gestossen. So hat Postfinance-Chef Hansruedi Köng in einem Interview in der “Finanz und Wirtschaft” die Einschätzung als “ein wenig verwaltet” bezeichnet. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma habe sich Ende 2022 auf die Geschäftszahlen von 2021 bezogen. “Damals herrschte ein negatives Marktzinsumfeld, Mitte 2022 kam die Zinswende. Heute stehen wir viel besser da – vor allem im Sinn der Notfallabsicherung.”

Zudem basiere die Beurteilung der Postfinance-Eigenmittel auf einer Auslegung der Eigenmittelverordnung, “die wir nicht teilen”. Sie verlange deutlich mehr Mittel, als unserer Meinung nach nötig sind, sagte Köng. Postfinance gelangte deshalb ans Bundesverwaltungsgericht, wo sie jedoch abblitzte. Streitpunkt ist die Höhe des Notfallkapitals. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, werde die Postfinance diese Auflage einhalten. “Mit unseren aktuellen Bilanzzahlen und Prognosen würde Postfinance selbst die erhöhten Anforderungen der Finma erfüllen”, meinte Köng.

Postfinance-Chef ist “tiefenentspannt”

Der Finanzdienstleister würde nicht beim nächsten Windstoss weggeblasen. Mit einer risikogewichteten Kapitalquote von 21,3 Prozent sieht sich das Intitut “sehr gut kapitalisiert”. Die unterschiedliche Einschätzung betrifft die ungewichtete Kapitalquote. Diese vernachlässigt die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Banken. Sie sollte viel spezifischer sein, sagte der Postfinance-Chef.

Er verweist auf den Notfallplan der Credit Suisse. Dieser sei auf Grün eingestuft gewesen, und man habe ja gesehen, was daraus geworden ist. Bei Postfinance sei das anders: “Ein Drittel unserer Aktiva sind Giroguthaben von 40 Milliarden Franken bei der Nationalbank. Deshalb bin ich aus dieser Risikoperspektive tiefenentspannt”, sagte Köng.

Es sei sehr fragwürdig, ob das Too-big-to-fail-Regelwerk im Fall von Postfinance überhaupt sinnvoll sei. “Dieses System will richtigerweise den Staat vor Risiken schützen, die der Privataktionär eines Unternehmens übernehmen soll. Unser Aktionär ist aber schon der Staat”, sagte Köng.

Zum Fall CS meint Finma-Chef Urban Angehrn: “Die Ereignisse rund um die Credit Suisse zeigen, wie wichtig konkrete Vorbereitungen für Krisenfälle sind. So hatten die Behörden mit dem Sanierungsplan und mit dem Notfallplan Optionen auf dem Tisch, die es vor zehn Jahren schlicht nicht gab.” Gleichzeitig sei klar, dass es aus der Krise um die Credit Suisse wichtige Lehren für die künftige Krisenvorbereitung zu ziehen gilt. Die Finma werde ihren Beitrag leisten, damit dies geschehe.

Recovery- und Resolution-Planung
Die Finma beurteilt jährlich die Fortschritte der Recovery- und Resolution-Planung (Stabilisierungs-, Notfall- und Abwicklungsplanung) der systemrelevanten Finanzinstitute Credit Suisse, UBS, Postfinance, Raiffeisen und Zürcher Kantonalbank sowie der systemisch bedeutsamen Finanzmarktinfrastrukturen SIX x-clear und SIX SIS. Sie veröffentlicht ihre Berichterstattung hierzu seit 2020.

In der Recovery-Planung zeigen die Institute auf, wie sie sich im Krisenfall stabilisieren können. Die Resolution-Planung soll auf Basis der bestehenden gesetzlichen TBTF-Vorgaben zeigen, wie systemrelevante Institute saniert oder liquidiert werden können. Die in der Schweiz systemrelevanten Funktionen müssen dabei aufrechterhalten werden.

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