Russengelder
Der Bundesrat prüft seit nunmehr über einem Jahr, ob er der von den USA initiierten Task Force Repo teilnehmen soll oder nicht. Über die Gründe des Zauderns kann man nur rätseln. Klar ist: Die Bundesbehörden kommen immer stärker unter Druck.
14. April 2023 • Balz Bruppacher

In Bundesbern pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Die Schweiz steht im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine unter wachsendem internationalem Druck. Zum einen wegen der Kriegsmaterial-Gesetzgebung beziehungsweise der Weigerung, anderen Ländern die Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine zu bewilligen. Zum anderen geht es um die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene bei der Sicherstellung von Vermögenswerten russischer Oligarchen.

Hinter vorgehaltener Hand werden im Bundeshaus bereits Vergleiche mit den 1990-er Jahren gezogen, als die Schweiz wegen der zögerlichen Aufarbeitung der nachrichtenlosen Vermögen aus der Nazizeit angeprangert wurde. Oder mit dem Druck auf das Bankgeheimnis im Gefolge der Finanzkrise von 2008 und des UBS-Steuerstreits. Ob die Schweiz in ihrer schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg steckt, wie dies der US-Botschafter in Bern diagnostiziert, mag man als undiplomatische Übertreibung offenlassen. Unschwer zu erkennen ist aber, dass die Schweiz und ihr Finanzplatz seit dem russischen Angriff auf die Ukraine die kritische Aufmerksamkeit des Auslands selber schüren.

Zwar gab es zunächst viel Lob, als die Schweiz nach einigem Zögern und nach einem Wink mit dem Zaunpfahl aus den USA die Sanktionen der EU gegen Russland übernahm. Um die Beteiligung an der von den USA ins Leben gerufenen Task Force Repo (Russian Elites, Proxies and Oligarchs), der die G-7-Länder und Australien angehören, setzte es aber einen beispiellosen Eiertanz ab. Im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das mit der Umsetzung der Sanktionen beauftragt ist, hiess es im März letzten Jahres, man habe von der Lancierung der multilateralen Task Force Repo Kenntnis genommen.

Auf die Frage, ob es nicht im Interesse der Schweiz wäre, sich an dieser Arbeitsgruppe zur besseren Zusammenarbeit bei der Suche und der Sperrung von Geldern russischer Oligarchen zu beteiligen, antwortete das Seco: "Aufgrund der übergreifenden politischen Fragen ist das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) für die Beantwortung dieser Frage zuständig."

Ein positives Signal aus dem EDA

Das EDA sandte eine Woche später insofern ein positives Signal aus, als es auf Anfrage mitteilte, man verfolge die Entwicklungen der Task Force eng. Erste Kontakte hätten stattgefunden. "Die Schweiz hat ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Austausch bekundet und prüft die Art der Zusammenarbeit." Nochmals eine Woche später erklärte das EDA, man werde über die Art der Zusammenarbeit entscheiden, sobald Details über die Arbeitsweise der Task Force bekannt seien. Über eine mögliche Mitwirkung der Schweiz werde der Bundesrat beschliessen.

Die Federführung in der Verwaltung ging dann zurück zum Seco. Es bestätigte am 20. Mai, dass bei einem Besuch von Brian Nelson, Staatssekretär im US-Finanzministerium, "auf beidseitigen Wunsch" ein Austausch über die Task Force Repo stattgefunden habe. Die Schweizer Delegation wurde von Botschafter Erwin Bollinger, Leiter des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen und Delegierter des Bundesrates für Handelsverträge, geleitet. Zum Inhalt der Gespräche und zur Frage, was die Schweiz an der Teilnahme der Task Force hindere, äusserte sich das Seco nicht.

Am 24. August nahm erstmals der Bundesrat Stellung. In der Antwort auf eine im Rat noch nicht behandelte Motion von Nationalrätin Franziska Ryser (Grüne/SG) heisst es, der Bundesrat habe von der Lancierung der Task Force Repo Kenntnis genommen. Die Schweiz stehe bereits heute mit verschiedenen Mitgliedern in Kontakt. "Die Form, der praktische Nutzen bzw. Mehrwert sowie die weiteren Implikationen einer Zusammenarbeit der Schweiz im Rahmen dieser Task Force werden zurzeit unter Berücksichtigung rechtlicher und politischer Erwägungen geprüft."

Nach über einem Jahr wird immer noch geprüft

Mittlerweile prüft der Bundesrat die Teilnahme an der Task Force schon so lange, dass dieser Umstand wieder als News verkauft wird. Nämlich als Stellungnahme zu einem Brief der Botschafter der G-7-Staaten, mit dem die Schweiz zur aktiveren Suche nach Oligarchengeldern aufgefordert wird. Zuvor verlautete aus dem Seco, dass die USA sich praktisch wöchentlich wegen der Teilnahme an der Task Force in Bern erkundigten.

Seco-Chefin Helene Budliger Artieda sagte in einem diese Woche veröffentlichten NZZ-Interview zur Task Force: "Es handelt sich dabei um eine Initiative der G-7-Länder, zu der bisher nur Australien hinzugestossen ist. Wir tauschen uns mit diesen Ländern effizient auf technischer Ebene aus, ohne dort Mitglied zu sein. Bisher sind wir damit gut gefahren."

Das tönt nach einem Nein. Fragt sich nur, was die über einjährige Taktiererei in dieser Frage sollte. War es die Rücksicht auf den Finanzplatz und die Furcht vor dem Informationsaustausch? Oder die Hoffnung, eine unbequeme Frage durch Nichtstun aussitzen zu können. Soeben glänzte die Schweiz bei einem anderen Thema, das ebenfalls im Zusammenhang mit den Ukraine-Sanktionen neue Aktualität erhält, durch Abwesenheit.

Am Rande des jüngsten "Summit of Democracy" unterzeichneten Ende März 25 Staaten eine Erklärung, in der sie sich zur Transparenz über wirtschaftlich Berechtigte an Unternehmen verpflichten. Unterschrieben haben unter anderem Liechtenstein, Malta und Moldawien, nicht aber die Schweiz. Man habe die Erklärung mit Interesse zur Kenntnis genommen und sei mit den Initianten im Kontakt, heisst es im EDA. Bundespräsident Alain Berset liess sich übrigens am Demokratie-Gipfel durch den Schweizer Botschafter in Washington vertreten.