Richtungsstreit bei der Credit Suisse
Das oberste Leitungsorgan der CS brütet in Singapur über die neue Strategie der Investmentbank. Offenbar herrscht Uneinigkeit darüber, wie stark die Abteilung geschrumpft werden soll. Das schwächt die Position des Präsidenten.
2. September 2022 • Beat Schmid

Der Verwaltungsrat der Credit Suisse kommt diese Woche zu einer wichtigen Sitzung in Singapur zusammen. Wichtigstes Thema ist die künftige Rolle der Investmentbank innerhalb des Konzerns. Konkreter: Wie stark soll die Abteilung, die in den letzten Jahren für so viele Skandale und Verluste gesorgt hat, verkleinert werden. Gemäss einer Meldung von Bloomberg gehen im Verwaltungsrat die Meinungen darüber auseinander.

Das oberste Leitungsgremium der Bank soll in zwei Lager gespalten sein: Das eine Lager, darunter der ehemalige Citigroup-Dealmaker Michael Klein und die ehemalige J.P.-Morgan-Managerin Blythe Masters, haben sich in den letzten Wochen offenbar gegen einen aggressiven Stellenabbau ausgesprochen. Das andere Lager spricht sich für einen härteren Schnitt aus.

Axel Lehmann dürfte dem zweiten Lager angehören. Er hat den Rücktritt von CEO Thomas Gottstein damit begründet, dass er die Transformation der Bank nun beschleunigen wolle, und weil Thomas Gottstein einen anderen Kurs gefahren habe, sei es verständlich, dass jetzt jemand anders den Job machen müsse. Dieser jemand ist Ulrich Körner, intern “Ueli the Knife” genannt.

Soll die Investmentbank ihre Eigenständigkeit verlieren?

Offenbar gibt es Planspiele, die Investmentbank so stark zu verkleinern, dass sie nicht mehr als eigenständige Abteilung funktionieren könnte. Alles, was nicht zwingend benötigt wird für die Vermögensverwaltung, soll heruntergefahren werden. Die übrig gebliebenen Abteilungen würden dann entweder dem Wealth Management, dem Firmenkundengeschäft oder dem Asset Management zugeteilt werden.

Gegen solche Pläne gibt es im Verwaltungsrat Widerstand. Man ist sich offenbar uneinig darüber, wie viel Kapitalmarktzugang und Handelsdienstleistungen die Bank intern halten muss, um ihren Millionärs- und Milliardärskunden attraktive Investitionsmöglichkeiten anbieten zu können.

Dass es jetzt Opposition gegen harte Abbaupläne der Investmentbank gibt, schwächt den Präsidenten Axel Lehmann. Ihm gelingt es offenbar nicht, die amerikanischen Verwaltungsräte, die auch die Investoren in den USA vertreten, hinter sich zu bringen.

Das Durcheinander ist Gift für das Vertrauen

Das hat er sich selbst zuzuschreiben, indem er den Umbau der Investmentbank aus den Händen gab und dafür einen Ad-hoc-Ausschuss bildete. Dieser wird von Klein geleitet und umfasst die Verwaltungsratsmitglieder Masters, Mirko Bianchi und Richard Meddings. Investmentbank-Chef Christian Meissner leitet die Ausarbeitung des Plans.

Ein zerstrittener Verwaltungsrat kann sich kein Unternehmen leisten, die geschwächte Credit Suisse sowieso nicht. Die Investoren verlangen möglichst schnell Klarheit über die Restrukturierungspläne der Bank. Gestern tauchten plötzlich Stellenabbauzahlen auf, die sich widersprachen. Das "Handelsblatt" sprach von 4000 Stellen, Reuters von 5000. Der "Blick" schrieb von 3200 Stellen, die in Zürich verschwinden sollen.

Das Durcheinander ist Gift für das Vertrauen. Die CS-Aktien verloren gestern fast vier Prozent und schlossen bei 4.86 Franken. "Wir haben angekündigt, dass wir bei der Bekanntgabe der Ergebnisse des dritten Quartals über die Fortschritte unserer umfassenden Strategieüberprüfung berichten werden", sagt die Credit Suisse in einer Stellungnahme. Es ist fraglich, ob sie Grossbank so lange zuwarten kann.

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