Knall an der Generalversammlung
Filmer Samir zog seine Kandidatur überraschend zurück. Zu Turbulenzen kommt es in der Geschäftsleitung. Update: Ein Psychologe kaufte im Vorfeld der GV grosse Aktienpakete zusammen. Er dürfte inzwischen die Mehrheit besitzen.
2. Juni 2022 • Beat Schmid

Das Drama um Macht, Geld und Intrigen ist um ein Kapital reicher. Am Dienstagabend fand die mit Spannung erwartete Generalversammlung des Kulturhauses statt. Wie aus Aktionärskreisen zu hören ist, ging es auch dieses Jahr wieder hoch zu und her. Fast so wie vor drei Jahren, als eine Aktionärsgruppe den Verwaltungsrat wegputschte.

Der neukonstitutierte Verwaltungsrat mit fünf Frauen trat gestern nicht mehr zur Wiederwahl an. Dass dies geschehen wird, darüber berichtete Tippinpoint vor einem Monat. Alle fünf Frauen mit der ehemaligen Migros-Kaderfrau Monica Glisenti an der Spitze sind nun weg. Ihren wurde offenbar die Décharge verweigert.

Filmemacher Samir Jamal-Aldin reklamierte im Vorfeld der Generalversammlung ultimativ einen Sitz im Verwaltungsrat. Doch an der Generalversammlung sagte er, dass er seine Kandidatur zurückziehen möchte. Zur Überraschung der anwesenden Aktionäre zauberte die Gruppe um Samir und seinen Freund Ruedi Gerber, den Sohn des verstorbenen Topmanagers und Kunstsammlers Fritz Gerber, mit Alexandra Steinegger doch noch eine Kandidatin aus dem Hut. Steinegger gehört dem Kosmos-Führungsteam an und ist Leiterin Finanzen – oder war dies zumindest bis gestern Abend.

Ein Kinderpsychologe ist neu grösster Aktionär

Der Kosmos-Geschäftsführer Dominique Münch fühlte sich durch die überraschende Kandidatur seiner Finanzchefin offenbar desavouiert und sich nicht mehr durchs Aktionariat getragen. Er gab am Schluss der Veranstaltung spontan die Kündigung bekannt. Das Kulturhaus steht also seit Dienstagabend ohne Geschäftsführer und Finanzchefin da und mit einem bis auf eine Person dezimierten Verwaltungsrat.

Pikant ist, dass es in den Wochen vor der Generalversammlung zu mehreren grösseren Aktienverkäufen kam. So haben Kabarettist Patrick Frey, Immobilienunternehmer Steff Fischer ihre Aktien aus Protest verkauft. Aber auch Ruedi Gerber stiess einen Grossteil seiner Anteile ab. Als Käufer trat jedes Mal der Zürcher Kinderpsychologe François Chappuis auf. Er hat bereits früher ausstiegswilligen Aktionären die Titel abgekauft – meist zum ursprünglichen Wert. Zum Aktionariat gehört auch eine Reihe von prominenten Schweizern an wie FDP-Ständerat Ruedi Noser oder SP-Co-Präsident Cédric Wermuth.

Psychologe Chappuis hat einen mittleren einstelligen Millionenbetrag investiert. Inzwischen besitzt er knapp die Hälfte des Kosmos-Aktienkapitals von acht Millionen Franken. Zu Tippinpoint sagt er: "Das Kosmos ist eine geniale Sache, die ich unterstützen möchte. Ich werde mich jetzt mit anderen Aktionären zusammensetzen, um gemeinsam nach tragfähigen Lösungen für die Zukunft zu suchen."

Wie aus Aktionärskreisen zu hören ist, unterstützte Chappuis den von Ruedi Gerber lancierten Vorschlag, Alexandra Steinegger zur Kosmos-Präsidenten zu machen. Wie lange sie in dieser Rolle bleibt, ist noch offen. Am 24. Juni wird eine ausserordentliche Generalversammlung stattfinden. Dann sollen neue Kandidatinnen und Kandidaten gewählt werden. Ob dann Filmemacher Samir kandidieren wird? Es wäre eine Überraschung, wenn nicht.

Update 2.6.2022: In einer früheren Fassung stand, dass auch Samir Jamal-Aldin seine Aktien an François Chappuis verkauft habe. Das ist falsch. Hingegen hat SP-Co-Präsident Cédric Wermuth seine Aktien inzwischen verkauft sowie etliche weitere Aktionärinnen und Aktionäre. François Chappuis dürfte gemäss mehreren Quellen nun über eine Mehrheit verfügen. Dies ist insofern spannend, als er bei der ausserordentlichen Generalversammlung am 24. Juni das alleine Sagen hätte. Wie wird er seine Macht ausüben? Samir gegenüber scheint er kritisch eingestellt zu sein und würde eine VR-Kandidatur des Filmemachers wohl ablehnen. So zumindest äusserte er sich gegenüber anderen Kosmos-Aktionären im Vorfeld der ordentlichen Generalversammlung.

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