Diese Woche gab das Schweizer Startup Climeworks eine Rekordfinanzierungsrunde von 600 Millionen Franken bekannt. Damit dürfte das Unternehmen auf eine Bewertung von über eine Milliarde Dollar kommen. Und somit den Status eines sogenannten Einhorns erhalten.
Private-Equity-Spezialisten kommen auf eine ähnliche Einschätzung. Ein kontaktierter Investor sagt, dass die Firma nun tatsächlich mit über einer Milliarde Dollar bewertet werde. Für den Spezialisten hatte das Unternehmen aber auch Glück mit dem Timing: “Der Deal wäre nach dem Ukrainekrieg nicht zustande gekommen, denn man erwartet, dass die CO₂-Preise wieder sinken werden”, sagte er.
Das ist eine erstaunliche Aussage. Doch es ist tatsächlich so, dass der Businesscase von Climeworks nur aufgeht, wenn die CO₂-Preise über die nächsten Jahre weiterhin stark ansteigen. Für die Entnahme von einer Tonne CO₂ entstehen Climeworks derzeit Kosten in der Höhe von 600 Dollar. Mit den neuen Mitteln soll die Technik massentauglicher gemacht werden. Die Kosten soll dann fallen.
Ziel sei es, auf einen Preis von 150 Dollar pro Tonne zu kommen. Schaut man sich die Entwicklung der Preise für CO₂-Kompensationen an, dann erscheint es nicht als unrealistisches Szenario, dass die Preise in ein paar Jahren tatsächlich auf dieses Niveau steigen könnten.
Preise für Emissionszertifikate hätten eigentlich steigen sollen – es geschah das Gegenteil
Allerdings – und das ist die grosse Überraschung für viele Beobachter des Handels mit Emissionszertifikaten – sind nach dem Einmarsch der russischen Truppen die CO₂-Preise massiv gefallen. Während der Ölpreis in die Höhe schoss, stürzten die Preise für Emissionszertifikate ab. Nach Ausbruch des Kriegs stürzte die European Union Allowance (EUA) innerhalb von fünf Tagen von 95 Euro auf 55 Euro pro Tonne ab – ein Preissturz um über 40 Prozent.
Normalerweise korrelieren Energie- und Zertifikatpreise. Dass dies mit Kriegsausbruch plötzlich nicht mehr der Fall war, bringt viele Spezialisten ins Grübeln. Der starke Preisverfall sei “höchstwahrscheinlich" auf die Auflösung von EUA-Positionen zurückzuführen, um Nachschussforderungen aufgrund schnell steigender Energiepreise zu decken, sagen die einen.
Andere erklären die gefallenen Preise mit der Erwartung, dass die Nachfrage zurückgehen könnte, da wegen des Kriegs einige Industrieunternehmen den Betrieb reduzieren und dadurch ihre Emissionen senken könnten. Wieder andere glauben, der Preissturz habe handelstechnische Ursachen. Stop-Loss-Orders hätten zu verstärkten automatischen Verkäufen geführt.
Inzwischen haben sich die Preise wieder leicht erholt, auf etwas über 70 Euro pro Tonne. Sie liegen damit aber immer noch knapp 30 Prozent unter dem Höchstwert. Es gibt starke Anzeichen, dass die Nachfrage nach Emissionsgutschriften während des Krieges an Schwung verlieren werden, auch im Hinblick auf eine mögliche Rezession.
Das Ende der Globalisierung wäre eine Katastrophe für den Klimaschutz
"Man kann davon ausgehen, dass die Menschen in einem langwierigen Krieg versuchen werden, Energie zu sparen, weniger Gas zu verbrauchen, und so viel erneuerbare Energien wie möglich zu nutzen", sagte James Cameron, ein Experte für Kohlenstoffmärkte am Center for Business and Environment der Universität Yale, gegenüber CNBC.
Der Krieg habe zwar die Aufmerksamkeit der Medien vom Kampf gegen den Klimawandel abgelenkt, doch Cameron ist der Meinung, dass Regierungen schon bald den Bau von erneuerbaren Energien beschleunigen werden.
Das ist die optimistische Sicht. Die andere ist, dass durch den Krieg in der Ukraine und die massiven Sanktionen des Westens gegen Russland die Welt Blöcke zerfallen könnte. Die Bekämpfung des Klimawandels als zentrales gemeinsamen Projekt der Weltgemeinschaft könnte zwischen den Blöcken zerrieben werden. Präsident Putin reiste zwar nicht an COP26-Konferenz, doch Russland stellt eine der grössten Delegationen in Glasgow letzten November.
COP27 findet dieses Jahr im ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich statt. Ob Russland als weltweit viertgrösster CO₂-Emittent wieder eine Delegation schickt, ist ungewiss. Der Krieg und die Reaktion des Westens darauf stellen eine Zäsur für die Globalisierung dar. Doch den Kampf gegen den Klimawandel kann der Westen allein nicht gewinnen.
Diese Entwicklungen sind reines Gift für den Klimaschutz – und für Unternehmen wie Climeworks.